Als das erste iPhone auf den Markt kam, war nicht abzusehen, wie die Menschen Smartphones nutzen würden - man denke nur an die Allgegenwart sozialer Netzwerke und die Welt der Instagram- und TikTok-Influencer, an die Nutzung von Google Maps als Navi-Ersatz, an Essensbestellungen bei Hunderten von Restaurants - und Tausende andere Dinge, die sich mit ihm geändert haben.
Auf die Geschäftswelt hatten Smartphones einen ebenso großen Einfluss, aber es waren nicht die Devices selbst, die all dies bewirkten. Es waren die Smartphone-Apps, die die Art und Weise, wie Menschen leben und arbeiten, verändert haben.
Der nächste iPhone-Moment mit Vision Pro?
Im Jahr 2007 konnten wir nicht vorhersehen, wie Smartphones die Welt verändern würden. Und auch jetzt sind wir nicht in der Lage vorherzusagen, wie Augmented Reality die Welt in den kommenden Jahren verändern wird. Nachdem die Entwickler in der vergangenen Woche begannen, mit dem visionOS SDK und einem Simulator Apps für Vision Pro zu entwickeln, haben wir jedoch eine gewisse Ahnung, wie sich unsere Welt verändern könnte.
Das Auftauchen von visionOS-Apps und -Demos wird uns neue User Experiences im Business vermitteln. Dazu zählen Wörter, Phrasen und Konzepte wie:
"Volumes" (3D-Inhalte innerhalb definierter Grenzen),
"Shared Space" (Anzeige von mehr als einer App, die im Raum schwebt) und
"Full Space", bei dem eine App die gesamte visuelle Umgebung übernimmt, unzusammenhängende 3D-Inhalte anzeigt, die sich im Raum bewegen oder ein Portal zu virtuellen Welten öffnet.
Die Entwickler verrieten auch, dass visionOS es den Nutzern ermöglicht, Schalter oder Displays auf beliebigen Oberflächen wie Tischen und Wänden zu platzieren. Eine App kann zum Beispiel wie ein Poster an eine Wand geklebt werden. Timer können über der Aktivität schweben, deren Zeit gemessen wird. Lautstärkeregler können flach auf einem Tisch liegen. Ihr physischer Schreibtisch lässt mit einer virtuellen, voll funktionstüchtigen Tastatur ausstatten.
Und ein "Travel Mode" zeigt, wie Apple daran arbeitet, Vision Pro flugzeugtauglich zu machen, was die Art der Arbeit und Kommunikation auf Geschäftsreisen verändern könnte. So warnt Apple die Nutzer, dass im Travel Mode "einige Wahrnehmungsfunktionen ausgeschaltet sein werden". Vermutlich bedeutet das, dass die virtuellen Augen (eine Funktion namens EyeSight) nicht auf dem externen Display angezeigt werden, um die Flugbegleiter nicht zu erschrecken. Außerdem wird wohl die Nähe anderer Passagiere nicht automatisch im Sichtfeld angezeigt - das visuelle Äquivalent zur Noise-Cancelling-Funktion in Kopfhörern.
Die WWDC-Demo von Apple zeigte, dass FaceTime-Anrufe Zoom-Sessions ersetzen, wobei andere Anrufer in rechteckigen Fenstern im Raum schweben. In nicht-öffentlichen Entwicklersitzungen demonstrierte Apple auch die Zukunft dieser Schnittstelle, nämlich als Szenario, in dem die Anrufer ohne die Rechtecke im Raum schweben.
Das Vision Pro verfügt auch über einen "Gastmodus", mit dem ein Benutzer, der nicht für ein bestimmtes Gerät registriert ist, dieses vorübergehend nutzen kann.
Mögliche Probleme im virtuellen Paradies
Apps könnten der visionOS-Plattform zum Durchbruch verhelfen - oder sie könnten ihr Untergang sein. Versteckt in den Entwicklermaterialien lässt sich eine gewisse Besorgnis von Seiten Apples über unerwünschte physische Reaktionen bei der Verwendung von Augmented Reality finden.
Apples Richtlinien fordern die Entwickler auf, Designentscheidungen zu vermeiden, die zu Motion Sickness führen können, auf "visuellen Komfort" zu achten und "übermäßige" oder "überwältigende" Bewegungen zu vermeiden, so der Entwickler Steve Moser.
In der Tat berichten einige frühe Tester des Vision Pro von einer leichten Übelkeit bei der Verwendung des Geräts sowie von einem gewissen Unbehagen aufgrund des Gewichts des Headsets.
Ein weiterer Grund zur Sorge: Apples Entscheidung, fotorealistisch gescannte Gesichter als animierte Echtzeit-Avatare für FaceTime-Videogespräche zu verwenden (sie werden Personas genannt). Sogar die von Apple sorgfältig gestalteten Versionen in den Demos haben die Leute ein wenig abgeschreckt. Apple sollte mehr Cartoon-artige Avatare verwenden - wenn nicht, werden das zweifellos App-Entwickler tun.
Fokus auf Datenverarbeitung
Zusätzlich zu den Apps von Drittanbietern wird Vision Pro mit Apple Apps ausgeliefert. Die visionOS-Beta enthält mehr als 20 integrierte Apps, darunter macOS- und iOS-Standards wie
Wo ist?,
Kontakte,
Dateien,
Freeform,
Home,
iCloud,
iTunes,
Nachrichten,
Karten,
Kalender,
Safari,
Apple News,
Wallet,
Fotos,
Einstellungen,
Shortcuts,
Health und
Erinnerungen sowie
visionOS-spezifische Angebote (Animoji Stickers, Family App, EventView, Find My Remote, Game Center, Login, Preferences, Print Center, Quick Look, SideCar, TestFlight und Sleep Widget).
Und natürlich sollte Siri im Mittelpunkt der Vision-Pro-Benutzeroberfläche stehen. Das US Patent & Trademark Office hat eine Patentanmeldung von Apple veröffentlicht, die neue Siri-Befehle für die Steuerung von Anwendungen, einschließlich Business-Apps, auf Vision Pro (und anderen Plattformen) beinhaltet.
Außerdem demonstrierte Apple auf der WWDC ein AR-PC-Konzept, bei dem ein AR-Gerät einen Desktop- oder Laptop-Bildschirm mit Apps und allem Drum und Dran darstellt. Laut Mark Gurman von Bloomberg wird die nächste Version mehrere Mac-Desktop-Bildschirme ermöglichen.
Eine weitere Innovation, die in der Ankündigung angedeutet, aber nicht explizit beworben wurde, ist die Tatsache, dass die Kamera des Vision Pro 3D-Fotos aufnehmen kann. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Endanwender 3D-Fotografie (ähnlich wie 3D-TV) annehmen werden, aber es ergeben sich damit verschiedene Möglichkeiten für Unternehmen, diese Fähigkeit in der Praxis zu nutzen.
Warum Apple mit Vision Pro das Business adressiert
Es ist wahrscheinlich, dass Apple mit seinen Datenbrillen eines Tages die Art und Weise verändern wird, wie Verbraucher leben, kommunizieren und spielen. Kurzfristig sind es jedoch vor allem Unternehmen, die von dieser neuen Produktlinie profitieren werden. So versteht es sich von selbst, dass die Möglichkeit, mehrere riesige, hochauflösende Bildschirme auf hochmoderner, tragbarer Hardware darzustellen, ändert, wer wie remote arbeiten kann. Ab dem nächsten Jahr werden wir wahrscheinlich erleben, dass Geschäftsgespräche und -besprechungen durch Apple Vision Pro und ähnliche Geräte virtuell werden.
Vermarkter werden sicherlich Augmented Reality für experimentelle Marketing-Events, für Marketing zu Hause und am Arbeitsplatz nutzen, und natürlich wird die Werbebranche herausfinden, wie sie Werbeflächen in virtuellen Räumen verkaufen kann.
Auch Design-Apps werden unweigerlich auftauchen. Die Erstellung von 3D-Modellen in der Mitte des Raums und deren Bearbeitung mit Handgesten wird für Designer eine große Veränderung bedeuten. Durch den Vision Pro könnten auch Trainingssimulationen einen enormen Aufschwung erfahren. Das Gleiche gilt für Wartung, Reparatur und Remote Support, da die Mitarbeiter in der Lage sein werden, detaillierte Informationen abzurufen, ohne die Hände zu benutzen.
Jeremy Legg, der Netzwerkchef von AT&T, sagte kürzlich voraus, dass Apple den Vision Pro mit einer 5G-Konnektivität ausstatten und ihn damit zu einem Wifi-unabhängigen mobilen Gerät machen würde - eine weit verbreitete Ansicht in der Telekommunikationswelt. Eine solche Ergänzung würde eine enorme Anzahl neuer Unternehmensanwendungen ermöglichen, etwa Außendiensteinsätze, Flottenmanagement und flexiblere Anwendungen für das Erlebnismarketing.
Allein durch die Ankündigung von Vision Pro verändert Apple bereits den Markt. Google zum Beispiel hat Berichten zufolge seine Pläne für das AR/VR-Produkt Iris abgesagt, weil Apples Produkt einfach zu gut ist, um damit zu konkurrieren. Dieses Produkt wurde in der Presse als Nachfolger der Google Glass Enterprise Edition dargestellt, die ihrerseits kürzlich eingestellt wurde.
In der Zwischenzeit bekommen andere Hersteller von AR/VR-Brillen Auftrieb, weil Apple den Markt an die Zukunft des Spatial Computing glauben lässt. Aber wenn die Hardware im nächsten Jahr Realität wird und die Software auf den Markt kommt, dann beginnt der wirkliche Wandel. (mb)
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der US-Schwesterpublikation Computerworld.