Schon bevor Technologien die flächendeckende Datenverarbeitung ermöglichten, nutzten Unternehmer bereits Daten zur Entscheidungsfindung: Henry Ford zum Beispiel maß Anfang des 20. Jahrhunderts die Zeit für die einzelnen Verarbeitungsschritte, um die Produktion einer neuen Fertigungsstraße zu optimieren. Der Begriff "Business Intelligence" (BI) wurde Anfang und Mitte der 1990er Jahre geprägt und beschreibt vor allem die Konsolidierung und Aufbereitung von Unternehmensdaten für das Berichtswesen.
Das Ergebnis nutzen Fachabteilungen beispielsweise für Unternehmenssteuerung oder Rechnungswesen. Mit Anfang des 21. Jahrhunderts hat sich der Begriff Analytics entwickelt: BI wurde im Wesentlichen für die Prognose von zukünftigen Entwicklungen im Unternehmenskontext mithilfe von mathematischen oder statistischen Verfahren bedeutet erweitert.
Zu jedem Zeitpunkt gab es einen Mitarbeiter, der die Daten erhoben sowie aufbereitet hat und einen weiteren, der sie für die Entscheidungsfindung eingesetzt hat. Hatte Ford höchstpersönlich noch beide Rollen übernommen, haben sich die Rollen anschließend mit zunehmender Komplexität der Datenauswertung ausdifferenziert und auch die Linie der Aufgabenteilung zwischen dem Erzeuger und Nutzer der Daten hat sich entscheidend verschoben. Während im Falle von Ford der Chef noch höchstpersönlich die Messung durchführte und sich im Zeitalter von BI Fachabteilungen mit dem Aufsetzen von Standard- und Ad-hoc-Reports beschäftigten, wird das Thema Analytics zunehmend in die IT-Bereiche verbannt. Das Ergebnis sind Unternehmen, die Investitionen in moderne analytische Technologien tätigen, aber kein messbares Ergebnis im Unternehmenserfolg feststellen.
Projektteams wissen zu wenig
Das Phänomen ist nicht neu. Immer wieder weisen Experten auf die mangelnde Einbindung von Fachbereichen in Analytics-Vorhaben und das fehlende Fachwissen in Analytics-Projektteams hin. Doch in den meisten Organisationen hat das Umdenken noch nicht stattgefunden. Chief Analytics Officer werden ernannt und berichten an den Leiter der IT. Fachbereichsleiter fühlen sich als Getriebene der neuen technischen Möglichkeiten, anstatt die Chancen zu erkennen und auf ihre Umsetzung zu pochen.
In unserer Bildergalerie nennen wir einige wichtige Gründe, warum Analytics in die Fachbereiche gehören und warum jeder Fachbereichsleiter einen Data Scientist in seinem Team haben sollte:
- Fünf gute Gründe ...
... warum Analytics nicht in die IT-Abteilung, sondern in die Fachbereiche gehören und warum jeder Fachbereichsleiter einen Data Scientist in seinem Team haben sollte. - Analytics können helfen, Unternehmensziele zu erreichen
Analytics dient keinem Selbstzweck. Der Wert von analytischen Services oder Datenprodukten entsteht erst durch die Einbindung in Geschäftsprozesse. Erst durch die Realisierung eines effektiven Nutzens in Form von Effizienzsteigerungen und damit verbundenen Kostensenkungen, der Generierung von Neugeschäft oder eine gesteigerten Kundenloyalität werden tatsächliche Effekte im Geschäftsergebnis messbar.<br /><br /> Fachbereiche sind in ihrer Funktion für die Steigerung von einzelnen Erfolgsfaktoren verantwortlich und haben daher ein Interesse zu verstehen, an welcher Stelle ihnen Analytics helfen kann. Zudem sollten die Mitarbeiter im Fachbereich auch zu einem Stück weit verstehen, wie die Analysen funktionieren, um mit dem Wissen zu ihren Geschäftsproblemen beispielsweise das Transferdenken zu leisten, wie man Daten anreichern sollte oder welche zusätzlichen Analysen durchgeführt werden sollten. Außerhalb des Fachbereichs hat für gewöhnlich niemand das entsprechende Interesse die Unternehmenskennzahlen in dem speziellen Bereich positiv zu beeinflussen und kein anderer kann es besser. - Anwendungsfälle ergeben sich aus den Erfahrungen, die Mitarbeiter im täglichen Betrieb sammeln
Gesunder Menschenverstand, Erfahrungswerte für Abwägungen zwischen Machbarem und Sinnvollem und ein Gespür für die echten Probleme in einem Unternehmensbereich sind relativ seltene Fähigkeiten, schwer zu erlangen und wenn dann über einen längeren Zeitraum im täglichen Geschäft entstanden. Das unverzichtbare Wissen, die sogenannte "Magic Sauce" für eine erfolgreiche Anwendung von analytischen Fähigkeiten ist und bleibt in den Fachbereichen. - Data Scientists brauchen das Know-how des Fachbereichs, um Modelle praxisrelevant zu entwickeln
Ein guter Data Scientist zeichnet sich durch ein breites Wissen von analytischen Methoden, Anwenderkenntnis von analytischen Technologien, Fähigkeiten zur Datenaufbereitung und Kreativität aus. Aber die Arbeit eines Risikoanalysten bei einer Bank und eines Marketinganalysten bei einem Online-Händler unterscheiden sich.<br /><br />Der Grund, warum sie ihre Jobs nicht ohne weiteres tauschen können, ist das Verständnis über ihren Fachbereich und das Wissen was funktioniert und was nicht. So wertvoll Datenprodukte für einzelne Fachbereiche sein können, häufig ist es ein Ansatz aus Testen und Lernen, der aus einem analytisch einwandfreien Modell ein für den praktischen Einsatz wertvolles und nachhaltiges Datenprodukt generiert. - Ergebnisse müssen interpretiert und Maßnahmen abgeleitet werden
Auch wenn der Data Scientist nicht im Fachbereiche angesiedelt ist: Eine enge Zusammenarbeit ist unerlässlich. Spätestens wenn es an das Verstehen von Ergebnissen und Ableiten von Maßnahmen oder die Integration in Geschäftsprozessen geht, nehmen Fachbereiche die Führungsrolle ein. Je enger die Einbindung während der gesamten Entwicklung des analytischen Anwendungsfalls, desto wahrscheinlicher ist die Akzeptanz und Relevanz für die Anwendung in den Fachbereichen. - Ein Data Scientists im eigenen Team schafft Agilität und Vorsprung
Sobald dem Fachbereich bewusst ist, welchen Mehrwert Analytics und die richtige Datenauswertung bietet, können sich Data Scientists häufig nicht mehr vor kurzfristigen Anfragen retten und müssen ihre Kapazität zwischen Fachbereichen balancieren. Arbeitet Data Scientist jedoch im eigenen Team, ist er schneller erreichbar. Analyseprojekte können dauerhaft weiterentwickelt werden und auf die immer schneller wechselnden Prioritäten vieler Fachbereiche kann reagiert werden. Der Data Scientist kann sich mit der Zeit Fachbereichswissen aneignen, entlastet somit andere Fachmitarbeiter und kann sie zugleich in ihren analytischen Fähigkeiten weiterentwickeln – als Hilfe zur Selbsthilfe für die Kollegen im Fachbereich.
Fazit
Ob Analytics oder neuerdings Big Data Analytics - die Aufgaben werden in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Wenn die IT-Abteilung nicht mehr versuchen muss, statistische und analytische Fähigkeiten in den verschiedenen fachlichen Kontexten anzuwenden bleibt mehr Zeit für die Kernkompetenz - das Enabling und Management von Softwarekomponenten, Anbinden von Datenquellen und Aufbereiten von Daten.
Wie auch immer sich Unternehmen entscheiden ihre analytischen Kompetenzen rund um die vorhanden Fachbereiche zu organisieren, eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden ist dabei unabdingbar - es muss ja nicht wie bei Ford der Chef persönlich die Daten erheben. Fachexperten und Data Scientists, die sich die bereichsübergreifenden Fähigkeiten des jeweils anderen mit aneignen, werden dabei einen klaren Vorteil erlangen. Fachbereichsleiter sollten sich diesen Vorteil sichern. (sh)