Projektmanagement

Wann sich agile Methoden bei ECM-Projekten lohnen

08.05.2018
Von 
Mario Dönnebrink ist Wirtschaftswissenschaftler mit Abschluss an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Wer ein ECM-System einführt, muss nicht traditionell vorgehen. Der Beitrag erläutert, wann Unternehmen auf agile Projektierung setzen sollten.
Agiles Projektmanagement eignet sich auch Enterprise-Content-Management-Entwicklungsprojekte.
Agiles Projektmanagement eignet sich auch Enterprise-Content-Management-Entwicklungsprojekte.
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Bei der Einführung von ECM-Lösungen (Enterprise Content Management) greifen Unternehmen immer häufiger auf agile Methoden zurück. Kein Wunder, denn diese bieten vielfältige Vorteile wie Flexibilität und frühe Fehlererkennung. Aber bewirken sie grundsätzlich immer einen höheren Nutzen gegenüber den klassischen Vorgehensweisen?

Klassische ECM-Projekte beginnen nach dem typischen Wasserfallmodell zunächst mit einer Konzeptphase. Sie kann je nach Komplexität des Vorhabens mehrere Wochen dauern. Erst nachdem die Ausgangssituation analysiert wurde, die Anforderungen festgelegt sind und eine detaillierte Realisierungsplanung aufgestellt ist, beginnt die konkrete Umsetzung. Dadurch erhalten selbst Key-User oft erst nach einem halben Jahr oder später Einblick in die Lösung, nach einer weiteren Phase kommen dann die übrigen Anwender hinzu.

Klassische Projektmethoden kämpfen mit verschiedenen Problemen. Nicht selten hat sich zwischen Projektstart und Projektende das Anforderungsprofil verändert, so dass anschließend sofort eine Modifikation notwendig wird. Ein ähnlicher und vermeidbarer Folgeaufwand entsteht häufig auch aus anfänglichen Missverständnissen in der funktionalen Anforderungsdefinition. Die Unklarheiten kommen erst nach mehreren Monaten zutage, wenn dann die sichtbaren Projektergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen.

Die Vorteile agiler Methoden

Solche Nachteile und Fehlerrisiken werden durch agile Methoden vermieden. Schon der Projektstart beginnt anders als bei den herkömmlichen Ansätzen. Zwar findet bei beiden Herangehensweisen zunächst eine kurze Ausgangsanalyse statt, um beispielsweise für ein Workflow-Projekt eine Prozessaufnahme durchzuführen. Dann aber werden im agilen Modell aus einer ganzheitlichen Perspektive heraus direkt User-Stories, also kurze Beschreibungen von gewünschten Funktionen, für die ersten konkreten Realisierungsschritte entwickelt.

Nach deren Umsetzung in etwa zweiwöchigen Sprints finden entsprechende Reviews statt, wozu jeweils auch Tests durch die Key-User gehören. Ein Sprint ist also der Zyklus, in dem neue, lauffähige Funktionalitäten ausgeliefert werden. Zumeist haben Sprints immer die gleiche Länge. Am Ende sieht der Anwender einen funktionierenden Teilaspekt und wird ermutigt, Feedback zu geben. Diese regelmäßigen Rückmeldungen bewirken, dass mögliche Fehler frühzeitig erkannt werden können. Letztlich hat sich ein solches Vorgehen auf breiter Front durchsetzen können, da die Qualität der Ergebnisse schlicht besser ist.

Agile Methoden kommen immer häufiger zum Einsatz. Zu Recht, wenn man die Grundsätze professioneller Softwareentwicklung nicht außer Acht lässt.
Agile Methoden kommen immer häufiger zum Einsatz. Zu Recht, wenn man die Grundsätze professioneller Softwareentwicklung nicht außer Acht lässt.
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Agile Methoden in ECM-Projekten

Diese deutlich höhere Ergebnisqualität ist auch eines der entscheidenden Argumente für agile Methoden bei ECM-Projekten. Zudem wird eine höhere Flexibilität erreicht. Denn entstehen im Verlauf des Projekts neue Anforderungen, lassen sie sich bei einem agilen Ansatz vergleichsweise einfach in die weitere Projektrealisierung integrieren.

Zu den wesentlichen Vorteilen agiler Methoden gehört aber auch, dass die Anwender die Entwicklung der ECM-Lösung kontinuierlich miterleben und dadurch frühzeitig ein ausgeprägtes Verständnis dafür gewinnen. Kurzum: Die Tatsache, dass Verantwortliche und Anwender sehr schnell Ergebnisse sehen, ist für die Identifikation mit dem Projekt absolut förderlich.

ECM-Systeme an sich sind oft durch einen ganzheitlichen Ansatz geprägt. Es handelt sich dabei um skalierbare Lösungen, individuell auf Geschäftsbereiche und Branchen anpassbar und in der Funktionalität erweiterbar. Daher eignen sich Sprints im Rahmen agiler Projekte hier ganz besonders, um auch interne Entwicklungen in der Geschäftsorganisation des Kunden beim Ausrollen einer ECM-Lösung flexibel berücksichtigen zu können.

Allerdings passen nicht alle ECM-Vorhaben zu agilen Projektmethoden. Je stärker ein Unternehmen vom Standard der Anwendung abweichen will und je höher damit der Anteil an individueller Entwicklung ist, desto mehr eignen sich agile Ansätze zur Durchführung eines Projektes. Wenn eine Standardinstallation mit klar umrissenem Funktionsumfang in Bezug auf Fachlichkeit und Konfigurationsumfang geplant ist, bietet sich eine agile Einführung nicht an. Dies betrifft beispielsweise grundsätzlich die Basisinstallation. Die Implementierungen eines elektronischen Vertragsmanagements oder Berechtigungskonzepts sind dagegen wegen den häufig sehr unternehmensspezifischen Ausrichtungen typische Kandidaten für eine agile Umsetzung.

Manchmal macht's die Mischung

Ein weiteres Entscheidungskriterium sind die Rahmenbedingungen des geplanten Projekts. Immer dann, wenn ein hoher Termindruck besteht und gleichzeitig die Anforderungen noch unklar sind, empfiehlt sich ein agiles Vorgehen. Möglich sind aber auch Mischformen: So kann die ECM-Lösung in ihrem Standard zunächst mit klassischen Methoden eingeführt werden. Anschließend wird das Delta zu den individuellen Anforderungen ermittelt, die dann in einem agilen Projekt umgesetzt werden. Wie umfangreich der agil abzuwickelnde Teil eines solchen Gesamtprojekts genau ist, muss in der Konzeptionierungsphase individuell ausgestaltet werden. (hal)