Im Jahr 2500 wird kein Mensch auf der Erde mehr an altersbedingten Krankheiten sterben – das ist ein Fakt! Wenn auch ein erfundener. Aber ist nicht allein der Gedanke an ewige Jugend, ein ewiges Leben verführerisch genug, um ihm zu erliegen? Früher war der Tod ein Fall für Theologen und Priester, heute haben Biologen und Ingenieure übernommen. Der Tod wurde vielerorts zu einem rein technischen Problem degradiert, das es zu lösen gilt. Zum Beispiel im Silicon Valley.
Calico: Die Heilung vom Tod?
Im Jahr 2013 gründete Google in San Francisco das Forschungs- und Entwicklungsunternehmen „California Life Company“. Das erklärte Ziel von Calico ist es, das Leben der Menschen zu verlängern, Krankheiten zu stoppen und „den Tod zu beseitigen“. Was auf den ersten Blick, wie ein PR-Gag anmutet, ist für eine wachsende Schar von Forschern mittlerweile das vorrangige wissenschaftliche Projekt des 21. Jahrhunderts.
Calico-Chef ist der Molekularbiologe Arthur D. Levinson, der auch im Verwaltungsrat bei Apple sitzt. Als einer der Pioniere im Silicon Valley wird er heute als Genie auf dem Gebiet der Biotechnologie gefeiert. Unter seiner Leitung forschen rund 150 der ambitioniertesten Wissenschaftler aus den Bereichen Medizin, Arzneimittelentwicklung, Molekularbiologie, Genetik und Computerbiologie.
Forschen in der Black Box
Doch was genau erforscht Calico? Auf der firmeneigenen Website sind nur kryptische Zielformulierungen zu finden: „Understanding the fundamental science of aging and finding treatments for the associated and intractable diseases.“ Die genauen Ziele und Methoden hält Calico zum Großteil unter Verschluss – verbunden mit dem Hinweis, dass man keine Zwischenergebnisse veröffentlichen möchte.
Klar ist: Calico erforscht den Alterungsprozess und wie man diesen verlangsamen kann. Bis zu 100 Jahre älter sollen die Menschen werden. Die zugrundeliegende Annahme der Calico-Forscher ist, dass der Körper als komplexes System von altersbedingten Erscheinungen wie Arterienverstopfungen oder Krankheiten wie Alzheimer sukzessive in seinen Einzelteilen geschwächt wird – bis zum kompletten Systemversagen. Kennt man die einzelnen Bausteine und kann diese reparieren oder ersetzen, kann man den Tod verzögern.
Medikamente und Genmutationen
Öffentlich gemacht hat Calico unter anderem die Forschungsallianz mit dem Pharmaunternehmen AbbVie, die gerade um drei weitere Jahre bis 2022 verlängert wurde. Calico betreibt Grundlagenforschung, AbbVie sorgt für die Umsetzung und unterstützt mit kommerzieller Expertise zum Beispiel bei der Vermarktung. Kosten und Gewinne werden geteilt. Anfang des Jahres ließ sich Art Levinson in einer Pressemitteilung zitieren, dass man Medikamente entwickle, die „den Status Quo herausfordern“ und altersbedingte Krankheiten bekämpfen. Wann es die ersten Pillen gegen Alterskrankheiten zur Marktreife bringen, steht jedoch in den Sternen.
Cynthia Kenyons Engagement bei Calico deutet auf einen weiteren Forschungsschwerpunkt hin: Zellbiologie und Genmedizin. Die Genetikerin hat bereits in den 90er Jahren entdeckt, dass ein Wurm mit einer besonderen Genmutation das doppelte Alter erreicht. Heute interessiert sie sich auch für Mäuse und ist mittlerweile Vizepräsidentin bei Calico.
Daten als Schlüssel
Auch durch die Auswertung großer Datenmengen zu biologischen Prozessen und altersbedingten Krankheiten erhofft sich Calico neue Erkenntnisse und Forschungsansätze. Bekannt ist beispielsweise eine Kooperation mit Ancestry, einer amerikanische Website für Ahnenforschung. Hier können Nutzer neben ihren Stammbäumen auch medizinische und genetische Daten angeben, und mit einem genealogischen DNA-Test ihre geographische Herkunft bestimmen lassen. Ancestry wirbt mit einer „sicheren DNA-Technologie“, der schon „über 10 Millionen Kunden vertrauen“. Calico wertet die anonymisierten Informationen aus und versucht Gemeinsamkeiten in den DNA-Profilen der Menschen zu finden, die besonders lange leben. Auf die gleiche Weise werden auch öffentlich zugängliche Daten von Biobanken genutzt.
Dieser Ansatz überrascht wenig – schließlich gehört es zu Googles Kernkompetenz, Daten zu sammeln und mit Algorithmen auszuwerten. Gesundheit ist eine wahre Fundgrube wertvoller Daten und damit ein naheliegendes Forschungsfeld für Alphabet. Auch wenn das den Datenschützern den Schweiß auf die Stirn treibt.
Geld spielt keine Rolle
Auf der firmeneigenen Website ist zu lesen, dass für die Forschungen von Calico „die Mittel bereits vorhanden sind“. Laut Medienberichten hat Alphabet zusammen mit anderen Geldgebern wie AbbVie bereits 2,5 Milliarden Dollar in die Erforschung des ewigen Lebens investiert. Viel Geld für ein Projekt mit einer derart langfristigen Ausrichtung und der realistischen Chance auf ein Fiasko.
Alphabet-Chef Larry Page hat bei der Gründung von Calico vorgeschlagen, nicht das gesamte Geld „in solche spekulativen Dinge“ zu stecken, aber eine angemessene Summe für Dinge auszugeben, „die ein wenig langfristig und ein bisschen ehrgeiziger angelegt sind“. Und die Ressourcen sind beim drittwertvollsten Unternehmen der Welt ohne Frage vorhanden.
Fazit
Keine schlechten Voraussetzungen also, um den Code des Lebens zu knacken: Einige der besten Wissenschaftler versammelt, Unmengen an Daten zur Verfügung und viel Kapital im Rücken. So sind neue Erkenntnisse und Entdeckungen in Bezug auf das Altern und altersbedingte Krankheiten von Calico durchaus zu erwarten.
Doch ist das ewige Leben am Ende – trotz aller monetären und wissenschaftlichen Anstrengungen – ebenso unmöglich wie ein Perpetuum Mobile? Calico-Gründer Bill Maris sagte in einem CNN-Interview 2015: „Wenn Sie mich heute fragen, ob es möglich ist, 500 Jahre zu leben, so lautet die Antwort: Ja!“ Auf der Calico-Website ist zu lesen: „We may succeed. We may fail”.
Wann macht uns Google also nun unsterblich? Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster: Irgendwann, vielleicht. Aber wahrscheinlich nie.