Professionelle IT-Anwender haben in Sachen Technologie mehr Optionen und Informationen als je zuvor. Doch das macht sie nicht unbedingt glücklicher, im Gegenteil: Die Fälle von Kaufreue nehmen laut Gartner stark zu. Immerhin 56 Prozent der Unternehmen gaben in einer Umfrage an, dass sie ihre größte technologiebezogene Anschaffung der letzten zwei Jahre in hohem Maße bedauern würden.
Im November und Dezember 2021 hatte Gartner 1.120 Personen in Nordamerika, Westeuropa und im asiatisch-pazifischen Raum interviewt, um herauszufinden, wie die Betriebe bei großen Einkäufen von Unternehmenstechnologie vorgehen. Die Befragten mussten eine leitende Position innehaben, über die Beschaffungsmaßnahmen für Technologie in den letzten zwei Jahren informiert sein und an der Bewertung oder Auswahl von Produkten und Dienstleistungen für Technologieprojekte teilgenommen haben.
Frust noch vor der Implementierungsphase
"Das Bedauern von Technologiekäufen ist in der Regel schon dann am größten, wenn mit der Implementierung noch gar nicht begonnen wurde", fasst Gartner-Analyst Hank Barnes die Ergebnisse zusammen. Das Problem liege demnach in der Kauferfahrung selbst, die zu erheblichen Frustrationen führe. Verantwortlich dafür sei vor allem die Buying-Seite selbst, so Gartner. Dort seien die Entscheiderteams oft schlecht zusammengestellt und überfordert, sie gingen oft unkoordiniert vor.
Barnes sprach auf der virtuellen Gartner-Veranstaltung Tech Growth & Innovation Conference 2022. In seiner Eröffnungs-Keynote sagte er: "Die Umfrage zeigt, dass Unternehmen, die ihre Kaufentscheidung bereuen, im Durchschnitt sieben bis zehn Monate länger brauchen als der Durchschnitt, um ihren Kauf dann auch abzuschließen." Verschleppte Kaufentscheidungen entnervten die Teams, verschwendeten Zeit und Ressourcen. Sie könnten am Ende zu einem langsameren Wachstum des Unternehmens führen.
Die Buying-Seite ist überfordert
Der Umfrage zufolge sind von den Personen, die Technologiekäufe mitentscheiden, zwei Drittel nicht in den IT-Abteilungen tätig. Nur eine Minderheit der Betriebe sei in der Lage, Technologie selbstbewusst zu kaufen und einzusetzen. Die große Mehrheit sei davon überfordert. Die Marktforscher glauben, dass die Anbieterseite neue Herangehensweisen entwickeln muss, um die Kunden glücklich zu machen. Sie müsse die verschiedenen Typen von B2B-Kunden klassifizieren, um die individuelle Ansprache zu verbessern und herauszufinden, mit welchem Kundentyp sie es zu tun habe.
"Die Anbieterseite muss über die psychografischen Faktoren hinaus auch darüber nachdenken, wie bei den Kunden Entscheidungen gefällt werden und welche Gruppen die Strategie vorantreiben", sagte Barnes. Gartner habe dafür eigens ein Modell namens Enterprise Technology Adoption (ETA) Profiles entwickelt, das sieben spezifische Kundensegmente abbilde. Es könne Anbietern dabei helfen, den strategischen Fokus weg von den eigenen Produkten und hin zum Kunden zu verlagern.
IT-Anbieter müssen sich intensiver mit ihren Kunden beschäftigen
Gartner empfiehlt den Herstellern, "Enterprise Personas" zu erstellen, also Szenarien zu entwickeln, die den Verkauf des eigenen Produkts in unterschiedlichen Kundenszenarien optimal unterstützen. Dazu sei es sinnvoll, Profile von idealen Kunden (Best-fit-Profile) zu entwerfen. Dabei müssten die Eigenschaften der anvisierten Organisationen im Vordergrund stehen, nicht bestimmte Positionen, Rollen oder Personen. Solch ein Profil könne eine Reihe von Faktoren umfassen, etwa Ausgangslage mit den bisher eingesetzten Technologien, die geschäftliche Situation oder die zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Um zufriedenere Kunden zu haben, empfiehlt Barnes den IT-Anbietern:
Konzentrieren Sie Ihre Investitionen und Bemühungen darauf, Best-fit-Situationen mit dem richtigen Angebot, einer geeigneten Ansprache und ausgesuchten Engagement-Aktivitäten und Inhalten zu unterstützen.
Schulen Sie Ihre Teams mit Kundenkontakt darin, die wichtigsten Kundenmerkmale zu erfassen. So können Sie herausfinden, ob Sie es mit einem Best fit zu tun haben, beziehungsweise wie weit sie davon entfernt sind. Dabei komme es darauf an, die Grauzone zwischen Best fit und "Should avoid" optimal auszuloten und zu interpretieren. (hv)