Typisch für Cloud-Angebote ist, dass der Provider alle zentral installierbaren Komponenten einer Lösung beherbergt und verwaltet - nur die Endgeräte stehen beim Anwender. Klassisches Beispiel hierfür ist die Telefonie. Nur noch die Tischtelefone und Software-Clients auf den PCs verbleiben beim Anwender, die TK-Anlage verabschiedet sich ins Rechenzentrum des Cloud-Telefonie- beziehungsweise IP-Centrex-Anbieters, wie es in den Anfangstagen hieß. Über ein Web-Portal lassen sich dann unter anderem die Telefon-Nebenstellen konfigurieren und die Funktio-nen der TK-Anlage nutzen.
Für die Verbindung der Peripheriegeräte mit den zentralen Komponenten ist eine angemessen dimensionierte IP-Verbindung nötig, über die auch die Benutzersteuerung läuft. Diese wird in der Regel wie angesprochen über ein einfach zu bedienendes Web-Portal zur Verfügung gestellt, bei dem sich der Anwender mit einem Konto anmelden muss. Dieses Grundprinzip gilt ebenso für Videokonferenzlösungen aus der Cloud. Allerdings ist im Falle der Videokommunikation die Palette an Endgeräten für den Anwender ein gutes Stück umfangreicher als bei der reinen Audiokommunikation, sprich Telefonie. Am oberen Ende kann beispielsweise ein durchaus hochpreisiges Schatzkästchen in Form eines multimedial umfangreich ausgestatteten Raumsystems stehen. Darunter gibt es auch für Cloud-basierendes Videoconferencing alle Varianten und Schattierungen von Endgeräten, die es auch für selbst betriebene Lösungen gibt - vom Single- oder Dual-Screen-Rollwagen über einfache, stationäre Single-Screen-Geräte bis hin zu Desktop- und PC-Lösungen.
- Videokonferenzen aus der Cloud
Bei der Einführung eines Videokonferenzsystems spielen verschiedene Überlegungen eine Rolle: Man möchte die Reisekosten senken, den CO2-Footprint verkleinern oder Teams weltweit effizienter und besser zusammenarbeiten lassen. Ein Konferenzsystem, das alle Anforderungen gleich gut erfüllt, gibt es aus unserer Sicht nicht. Die COMPUTERWOCHE konnte die führenden Systeme einem Praxistest unterziehen. Unter den angegebenen Kurz-Links finden Sie alle Details: - Cisco TelePresence
Cisco TelePresence hat wenig gemeinsam mit den Videokonferenzanlagen der Vergangenheit, die Bewegungen teilweise nur ruckartig übertrugen und dabei die Gesichtszüge sowie die Mimik des Gesprächspartners in einem Pixelbrei vermengten. Künftig sind hochauflösende Videobilder (HDTV) Trumpf, die schonungslos jede Bügelfalte des Hemdes zeigen. - Lifesize Passport
Mit Lifesize Passport steht ein weiteres bezahlbares Videosystem zur Verfügung, mit dem virtuelle Meetings dank guter Bildqualität Spaß machen. Zudem kann Passport in der praktischen Benutzung durch seinen leichten Aufbau und die einfache Bedienung überzeugen. Lediglich Kleinigkeiten wie etwa der fehlende Klemmfuß für die Kamera trüben den positiven Eindruck. Des Weiteren sollte Lifesize-Mutter Logitech überlegen, ob sie nicht die Collaboration-Fähigkeiten ausbauen will - denn hier kann die Konkurrenz punkten. - Avaya Flare
Avayas Flare soll alle Arten der Kommunikation - egal ob Telefonie, Chat, Instant Messaging, Mail oder Videoconferencing - in einem Gerät vereinen und für den Benutzer die Bedienung vereinfachen. Im besten Fall genügt dann eine Fingerbewegung, um den entsprechenden Kommunikationsprozess zu starten. Auf diese Weise sollen Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Kommunikationsgeräte zu konsolidieren: Telefon, Video-, Audiokonferenz-System, Smartphone, PC für Chat, Mail und Instant Messaging weichen einem mutlimedialen Kommunikationsterminal. - Vidyo Desktop
Ein abschließendes Fazit, das gerecht sein soll, fällt schwer, zumal der Verfasser durch die ausgiebige Nutzung der Highend-TelePresence-Systeme sicherlich verwöhnt ist. Negativ formuliert könnte das Resümee so lauten: Die Videoqualität der klassischen TelePresence-Systeme erreicht Vidyo nicht. Dem steht auf der anderen Seite die Erfahrung gegenüber, dass mit Vidyo eine Videokonferenz in HD-Qualität am Arbeitsplatz bezahlbar wird und keine teuren Hochgeschwindigkeitsverbindungen im Backbone benötigt. Zumal die Bildqualität immer noch deutlich besser ist als bei anderen preislich vergleichbaren Systemen, ganz zu schweigen von dem Vorteil, dass normale Internet-Verbindungen genutzt werden. - Citrix GoToMeeting
Leider kann man den Service nicht on Demand mieten, wenn man ihn nur unregelmäßig alle paar Wochen oder alle paar Monate für zwei bis drei Stunden benötigt. Aus technischer Sicht ist unser Resümee schnell gezogen: Die einfache Bedienung, die gute Videoqualität bei überschaubaren Kosten sowie die zahlreichen Collaboration-Möglichkeiten haben uns überzeugt. - Telekom VideoMeet
Angesichts unserer praktischen Erfahrungen, würden wir den Telekom-Anspruch "Videokonferenzen so einfach zu gestalten wie das Telefonieren", nicht unterschreiben. Dennoch ist VideoMeet derzeit eine empfehlenswerte Lösung, denn sie ermöglicht den Anwendern adhoc unterschiedliche Konferenzsysteme zusammenzuschalten, ohne dass sie vorher in MCUs und anderes Equipment investieren müssen.
Worum sich der Nutzer jedoch bei einer Cloud-Lösung in allen Fällen nicht mehr kümmern muss, ist die komplette und bisweilen komplexe audiovisuelle Infrastruktur. Dazu zählt Equipment wie Videobrücken, En- und Decoder, Gateways und nicht zuletzt die teuren, für Mehrpunktkonferenzen nötigen Multipoint Control Units (MCUs). All das wandert im Rahmen von Cloud-basierenden Videolösungen in ein Rechenzentrum des Anbieters. Für die Videokommunikation benötigte Infrastrukturkomponenten werden beim Provider Cloud-typisch von all dessen Kunden genutzt. Aus diesem Sharing gewinnt er, wie bei jedem anderen Cloud-Angebot so auch bei der Videokommunikation, die Mittel für ein an die Kundenbasis angepasstes Pooling der Bausteine - Management, Wartung/Aktualisierung und Sicherung gegen Ausfälle inklusive.
Pluspunkt: Interconnection
Der in Sachen Videokommunikation vielleicht entscheidende Pluspunkt einer Cloud-Lösung liegt im Interconnect-Angebot der Provider. Einfach ausgedrückt: Auf Nutzerseite kümmert er sich darum, dass an sich inkompatible Systeme Konferenzschaltungen aufbauen können. Auf Provider-seite sorgt er für die gegebenenfalls nötige Zusammenschaltung unterschiedlicher Netzwerke, wenn es beispielsweise um Landesgrenzen überschreitende Verbindungen geht. Ziel ist es, möglichst jeden Typ von Endgerät von möglichst allen Herstellern über möglichst alle Netzwerke miteinander kommunizieren zu lassen.
Der Markt ist allerdings noch sehr jung, und entsprechende Infrastrukturen befinden sich noch im Aufbau. Die videofähige Zusammenschaltung unterschiedlicher Netzwerke ist bei Weitem noch keine Selbstverständlichkeit. Orange als einer der Fleißigsten auf diesem Gebiet hat derzeit Telepresence-Interoperabilitätsvereinbarungen mit fünf verschiedenen Service-Providern. Neben AT&T, BT, Tata und Telefónica zählt seit Kurzem auch Verizon Enterprise Solutions dazu. Mit dem Vorsitz im Open Visual Collaboration Consortium (OVCC) treibt Orange diese Entwicklung weiter voran.
Wer sich heute für ein Videoconferencing- beziehungsweise Telepresence-Angebot aus der Cloud interessiert, sollte sich bei seinem Provider vor Anmietung einer Lösung informieren, ob seine individuellen Bedürfnisse auch tatsächlich mit dem offerierten Service abzubilden sind. In diesem Zusammenhang sollte auch auf die Endgeräte geachtet und die Mobilität der eigenen Mitarbeiter kritisch hinterfragt werden.
Videokonferenz wird mobil
Zu den Endgerätetypen zählt vermehrt auch mobiles Equipment - Devices wie etwa Notebooks, Tablet-PCs und Smartphones sollen sich gemeinsam mit allen anderen Gerätetypen ins virtuelle Meeting einbinden lassen. Bring your own Device (ByoD) schlägt im Videoconferencing mit voller Wucht durch. War auf dem Mobile World Congress in Barcelona vor einem Jahr Polycom noch der einzige Anbieter, der immerhin mit dem iPad 2 eine Live-Videokonferenz vorführen konnte, so gehört das Thema Mobile mittlerweile zum guten Ton. In diesem Jahr zählten auf der Messe Videokonferenzen auf Geräten wie dem Motorola "Xoom", dem Samsung "Galaxy Tab 10.1" und anderen bereits zum Alltag.
Cloud-Pionier Telekom
Diese Entwicklungen sollte der Entscheider auch bei der Suche nach einer Cloud-Lösung berücksichtigen, denn die Service-Provider sind beim Aufbau ihrer Video- lösungen auf die Produkte der einschlägigen Marktanbieter angewiesen. Besondere Relevanz gewinnt das bei der Nutzung von Raumsystemen, die der Anwender gern mit dem vollen Funktionsumfang und nicht nur in einer generischen SIP- oder H.323-Variante nutzen möchte (SIP = Session Initiation Protocol, zusammen mit dem H.323-Standard wichtige Basis für Videokommunikation).
Die Deutsche Telekom behauptet, mit ihrem "VideoMeet" die Raumsysteme aller führenden Player zu unterstützen, darunter neben Cisco/Tandberg auch die von Logitech/Lifesize, Polycom, Sony und Radvision (letzteres Unternehmen wurde kürzlich von Avaya übernommen). Der deutsche Carrier nutzt dazu Technik der amerikanischen Blue Jeans Network, die entsprechende Brücken zwischen den unterschiedlichen Systemen und Protokollen geschlagen hat. Die Deutsche Telekom war Ende letzten Jahres einer der weltweit ersten Anbieter überhaupt, der mit einem Video-Cloud-Dienst am Markt gestartet ist.
BT bietet die Video-Cloud seit Kurzem im Rahmen seiner "BT-Conferencing"-Services an. Das Video-as-a-Service-Angebot basiert hier auf der Infrastruktur von Polycom, das BT in Kombination mit der hauseigenen Software "Conferencing Onward Management" betreibt. Auch BT verspricht für sein Angebot volle Kompatibilität zu den Videoconferencing-Plattformen aller führenden Anbieter. Gleiches gilt für Orange mit "Telepresence Pass" global. Auf Herstellerseite hat sich der Provider sowohl mit Polycom als auch mit Cisco verbündet.
- Grundlagen des Webconferencing
Um sich im Angebotsdickicht zurechtzufinden, empfiehlt sich ein Überblick über die Funktionen des Webconferencing. Hier gibt es im Wesentlichen fünf große Differenzierungsmerkmale: - Meeting-Arten: Webinare
Die Meeting-Form des Webinar kennzeichnet sich dadurch, dass ein Moderator vor mehreren Teilnehmern (one-to-many) präsentiert. Meist können dabei die Teilnehmer über einen Text-Chat Feedback geben. Gute Webinar-Software bietet vielfältige Zusatzfunktionen wie zum Beispiel Erinnerungsnachrichten, eine Webinar-Landingpage sowie Chat- und Umfrage-Tools. Die Infrastruktur muss hunderte Teilnehmer unterstützen. - Meeting-Arten: Webcasts
Webcasts ermöglichen die Veranstaltung virtueller Events mit vielen Teilnehmern, meist jedoch ohne Interaktionsmöglichkeit. In der Regel kommen bei Webcasts professionelle Videoübertragungstechniken zum Einsatz. Die Infrastruktur ist meist gehostet. - Varianten der virtuellen Zusammenarbeit: Desktop-Sharing
Das Desktop-Sharing beinhaltet in der Regel viele Webconferencing-Tools. Nutzer können dabei allen anderen Teilnehmern ihren eigenen PC-Desktop oder eine bestimmte Anwendung präsentieren. Modernere Werkzeuge erlauben differenzierte Einstellungen wie etwa das Verbergen persönlicher Elemente und vertraulicher Dokumente auf dem Desktop. - Varianten der virtuellen Zusammenarbeit: Virtuelle Räume
Sie liefern alternativ zum geteilten Desktop die Möglichkeit, Dokumente separat für ein bestimmtes Meeting zu laden. Damit haben Anwender mehr Kontrolle über ihre präsentierten Inhalte, wobei im Vergleich zum geteilten Desktop die Bedienung etwas umständlicher ist. - Unterstützte Kommunikationskanäle: Audiokonferenzen
Audiokonferenzen werden in der Regel parallel zu Web-Konferenzen betrieben - als begleitender Sprachkanal. Für den Audiokanal gibt es verschiedene Auswahloptionen. Oft kommt das klassische Telefon oder alternativ eine VoIP-Verbindung zum Einsatz. Verfügt das Unternehmen bereits über eine Telefonkonferenzlösung, sollte geprüft werden, ob eine Integration möglich ist. Am einfachsten sind kombinierte Audio-Web-Konferenzsysteme zu handhaben, da hier immer nur für ein Meeting konfiguriert und eingeladen werden muss. - Unterstützte Kommunikationskanäle: Videokonferenzen
Video-Meetings gewinnen zunehmend an Popularität. Während auf diesem Gebiet lange die High-end-Kategorie Telepresence für die Vorstandsebene dominierte, ermöglicht billigere Hardware inzwischen auch preisgünstige Low-end-Lösungen. Allerdings setzen diese Lösungen bei bis zu 500 Kbit/s eine gut ausgebaute Netzinfrastruktur voraus. - Deployment-Varianten: Software-as-a-Service
Viele Web-Konferenzanwendungen werden als Software as a Service (SaaS) angeboten. Solche extern gehosteten Lösungen haben aus Kundensicht den Vorteil, dass allenfalls ein Client-Programm installiert werden muss, aber weder Server noch Backbone-Anbindung benötigt werden. Bei global aufgestellten Anbietern gibt es in der Regel weltweit verteilte Zugangspunkte, die für gute internationale Verbindungen sorgen. - Deployment-Varianten: Lokale Installation
Die lokale Installation einer Webconferencing-Lösung im Unternehmen ist vor allem für mittlere bis große Betriebe interessant. Bei vorhandener IT-Infrastruktur liegen die Kosten häufig unter denen der Mietmodelle, zudem spielen für Anwender oft Datenschutzaspekte eine Rolle. - Lösungsarten: Speziallösungen
Etliche Webconferencing-Anbieter fokussieren ihre Produkte auf eine Kernfunktion, um die Implementierung und die Verwendung möglichst schnell und einfach zu gestalten. Beispiele dafür sind Citrix GoToMeeting, Adobe Connect und Cisco Webex. - Lösungsarten: Integrierte Lösungen
Einige große Softwareanbieter offerieren unter dem Stichwort Unified Communications integrierte Lösungen, die die Office- und Telefonie-Welt im gesamten Unternehmen zusammenführen. Beispiele dafür sind Microsoft Lync und IBM Sametime.
Neuer Markt für Systemhäuser
Mit KNT Telecom ist Ende Juni auch ein Systemintegrator im Bereich High-Definition-Videokonferenz- und Telepresence-Lösungen in das Geschäft mit der Video-Cloud eingestiegen. Über eine Partnerschaft mit dem vergleichsweise jungen Hersteller Vidyo bietet das Unternehmen deutschlandweit die Videokonferenzlösung seines Lieferanten als Managed Service an. "Communication as a Service", wie KNT den Dienst nennt, baut auf der Adaptive-Video-Layering-Architektur von Vidyo auf und verwendet die Technik H.264 Scalable Video Coding (SVC). Damit erlaubt die Lösung eine Echtzeit-Justierung der Bildfeinheiten abhängig von der zur Verfügung stehenden Bandbreite.
Fehlende Standardangebote
Cloud-Angebote gelten als bequem und günstig - bequem deshalb, weil sich der Nutzer nicht mit komplexen Technologien herumschlagen muss, günstig, weil Skaleneffekte beim Provider und Standardisierung der Services oft sehr attraktive Preismodelle erlauben. Beim Thema Video aus der Cloud befinden sich die meisten Anbieter aber noch mehr oder weniger in einer Findungsphase - typische Cloud-Angebote von der Stange sind Mangelware. Auf die Frage nach den Preisen wollen viele Anbieter erst einmal herausfinden, welche konkreten Wünsche denn vorliegen - eben genau wie normalerweise bei Individualangeboten. Wie schon erwähnt, ist das - zumindest bis zur Ausprägung gängiger Standardlösungen - durchaus auch im Sinne des Anwenders. Im Lauf der nächsten Monate werden sich aber sicher bei den meisten Anbietern noch bestimmte Standardangebote heraus- kristallisieren. (mhr)