Der Anbieter von VR/AR-Hardware für Unternehmen, Varjo, hat sein neuestes Mixed-Reality-Headset auf den Markt gebracht. Es verspricht ein Realitätsniveau, das über das von Consumer-Geräten hinausgeht - und das zu einem Preis, der das Gerät in eine Reihe mit Apples kommendem Vision Pro stellt.
Varjo zielt auf die anspruchsvollsten Anwendungsfälle von Virtual Reality und Augmented Reality (VR/AR) ab, darunter Trainingssimulationen für Flugzeugpiloten und Designprüfungen für globale Automobilhersteller. Mit diesem Ansatz verschiebt das Unternehmen die Grenzen der immersiven Technologien, und die Preise sind entsprechend hoch: Einzelne Varjo-Headsets können fünfstellige Beträge erreichen.
Es geht aber auch anders: Das finnische Unternehmen kündigte nun seine Gerätefamilie XR-4 an, die neueste Generation der PC-gestützten MR-Headsets, die ab Dezember in drei Varianten erhältlich ist. Das Basismodell kostet mit 3.990 Euro nur noch halb so viel wie die Vorgängergeneration XR-3 (6.495 Euro) und liegt damit näher an der Vision Pro (3.499 Dollar) und Microsofts Business-orientierter HoloLens 2 (3.650 Euro). Varjo stellt außerdem die jährliche Abogebühr von 1.495 Euro für den Kauf des XR-3-Geräts ein.
Raus aus den Innovationslaboren
Mit dem preisgünstigeren XR-4-Basismodell können Unternehmen laut Varjo Mixed-Reality-Geräte in größerem Umfang in ihrer Belegschaft einsetzen. "Bei vielen unserer Kunden hat XR die Innovationslabore verlassen und wird in speziellen XR-Arbeitsbereichen eingesetzt", erklärt Patrick Wyatt, Chief Product Officer bei Varjo. "Sie denken jetzt darüber nach, wie sie diese Technologie breiter einsetzen können, damit ihre Mitarbeiter XR an ihren Schreibtischen oder sogar von zu Hause aus nutzen können. Wir gehen davon aus, dass das XR-4 ein großartiges Gerät für diese Startphase sein wird."
"Die Headsets von Varjo haben sich in vielen High-End-Unternehmensanwendungen durchgesetzt, allerdings hat der hohe Preis viele potenzielle Käufer abgeschreckt", konstatiert David Truog, Vizepräsident und Hauptanalyst bei Forrester. "Der niedrigere Preis des XR-4 wird Varjo einen viel größeren Markt erschließen und auch bisher zögerlichen Unternehmen die Möglichkeit geben, mit XR zu arbeiten."
Avi Greengart, Präsident und leitender Analyst bei Techsponential, fügt hinzu: "Varjo hat nicht nur den Preis für den VR-4 gesenkt, sondern auch die Preisstruktur stark vereinfacht. Man muss keine Software-Wartungsgebühr mehr bezahlen oder Steam-Controller oder Tracker separat kaufen."
Laut Greengart fallen jedoch auch mit der XR-4-Serie noch andere Kosten an, etwa für die Anschaffung einer "ziemlich hochwertigen Workstation oder eines Gaming-PCs". Die "einfachere Bedienung, die erweiterten Möglichkeiten und die niedrigeren Kosten [...] sollten den Markt für Varjos Kunden aus den Bereichen Design, Luftfahrt, Simulation und Technik jedoch vergrößern", so der Analyst.
Für mehr Durchblick: XR-4 Focal Edition
Diejenigen, die auf die fortschrittlichsten Passthrough-Funktionen Wert legen, müssen immer noch einen erheblichen Betrag ausgeben. Die XR-4 Focal Edition bietet dank blickgesteuerter Autofokus-Kameras und einer weiter optimierten Kameraauflösung eine verbesserte Augmented-Reality-Leistung, wodurch sich die Geräte laut Varjo besonders für Trainingssimulationen eignen, die eine Interaktion mit realen Objekten erfordern (etwa Pilotenausbildung). Die Focal Edition kostet 9.990 Euro und liegt damit deutlich unter dem Preis der XR-3 Focal Edition, die rund 17.000 Euro kostet.
Die Secure Edition für Regierungs- und Militärorganisationen wird wiederum in sicheren Produktionsstätten in Finnland hergestellt, die den TAA-Standards entsprechen. Außerdem bietet das Device die Möglichkeit, Funkkomponenten aus dem Headset zu entfernen. Die Preise für die Secure-Edition-Produkte waren nicht sofort verfügbar.
Alle drei Produkte profitieren von einer Reihe von Verbesserungen gegenüber den XR-3-Headsets. So haben die XR-4-Geräte ein horizontales Sichtfeld von 120 Grad und ein vertikales Sichtfeld von 105 Grad, was 50 Prozent mehr Bildschirmfläche bedeutet als beim XR-3. "Das bedeutet, dass man als Pilotin oder Pilot nach unten schauen kann, um das Steuerpult und die Avionik zu sehen, ohne den Kopf zu bewegen, was sehr wichtig ist", erklärt CPO Wyatt.
Auch die Auflösung des Bildschirms wurde erhöht: Die neuen Geräte haben 4k x 4k mit 28 Millionen Pixeln (laut Varjo 20 Prozent mehr als Apples Vision Pro). Außerdem ist das XR-4 mit 200 nits doppelt so hell wie sein Vorgänger, und auch die LiDAR-Auflösung wurde erhöht. Die von Razer hergestellten Controller sind ebenfalls im Preis des Headsets enthalten.
Wie bei den Vorgängergenerationen müssen auch die XR-4-Geräte mit einem PC verbunden werden - ein Muss für rechenintensive Anwendungen, die von Industriekunden genutzt werden. Die Headsets sind sperrig und wiegen etwas mehr als 900 Gramm. Damit sind sie schwerer als das XR-3 und doppelt so schwer wie das verbraucherorientierte Quest 3. Laut Wyatt ist das jedoch für die Kunden von Varjo, die die Geräte wahrscheinlich nur für eine begrenzte Zeit tragen, etwa beim Training, kein großes Problem.
Passthrough-Funktion deutlich verbessert
Das wichtigste Hardware-Update der XR-4-Serie ist die Erweiterung der Mixed-Reality-Funktion in der teureren Focal Edition. Mit Passthrough können Nutzer/innen über externe Kameras und Sensoren am Headset sehen, was in der realen Welt um sie herum passiert. Beim XR-4 beträgt die maximale Pixeldichte bei Verwendung des Passthroughs 51 Pixel pro Grad (ppd), verglichen mit 33 ppd beim Basisgerät. Im Vergleich dazu liegt der Passthrough des Quest 3 bei 25 ppd; Apple hat ähnliche Werte für das Vision Pro bekannt gegeben.
Das Focal Edition Headset nutzt eine Kombination aus Eye-Tracking, LiDAR-Tiefensensoren und Autofokus-Kameras, um die Qualität des Passthroughs an die Auflösung des menschlichen Auges heranzuführen, so Varjo. "In wenigen Millisekunden erfassen wir, wohin der Nutzer schaut, berechnen, wie weit das Objekt entfernt ist, und stellen die Passthrough-Kameras auf diesen Punkt ein", erklärt Wyatt. "Die Autofokus-Kameras ahmen die natürliche Funktion des menschlichen Auges nach, das sich an unterschiedliche Tiefenschärfen anpasst."
"Das Passthrough des XR-3 von Varjo und von Produkten wie dem Quest 3 von Meta ist nützlich, aber es täuscht nicht darüber hinweg, dass man in einem Headset nicht auf ein Display schaut", merkt Techsponential-Analyst Greengart an. "Das Vision Pro von Apple schafft diesen Trick - zumindest in kurzen Demos - und das ist auch das Versprechen des XR-4 von Varjo. Dieser Grad an Immersion kann neue Anwendungen für das Spatial Computing eröffnen, insbesondere für die Automobilentwicklung und Flugsimulationen mit echten Instrumenten." (mb)
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der US-Schwesterpublikation Computerworld.