Personalentwicklung meets Corona

Upskilling heißt das Zauberwort

18.03.2021
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Kurt Jeschke ist als Professor für ABWL und Unternehmensführung an der IUBH Internationalen Hochschule tätig. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hannover wo er sich auch promovierte. Nach seinem Abschluss war Kurt Jeschke mehrere Jahre für die Volkswagen AG tätig. Im Anschluss wechselte er in die internationale Unternehmensberatung. An der IUBH Internationale Hochschule ist Kurt Jeschke parallel zu seiner Professur als IUBH Prorektor Corporate tätig und verantwortet in dieser Funktion die Entwicklung und Umsetzung von Trainings, Studienprogrammen sowie Weiterbildungsformaten für Unternehmen.
Viele Unternehmen müssen ihre Personalentwicklungsmaßnahmen anpassen, nachdem COVID-19 Digitalisierung und New Work in den letzten zwölf Monaten deutlich beschleunigt hat. Stichwort: Upskilling.
Den ersten Knopf alleine schließen - ein Erfolgserlebnis aus eigener Kraft. Im Berufsleben neue Skills zu erlernen, geht allerdings meistens nicht ohne Unterstützung.
Den ersten Knopf alleine schließen - ein Erfolgserlebnis aus eigener Kraft. Im Berufsleben neue Skills zu erlernen, geht allerdings meistens nicht ohne Unterstützung.
Foto: myboys.me - shutterstock.com

Webmeeting statt Jour fixe im Büro, Homeoffice statt Schreibtisch am Arbeitsplatz. Für viele Unternehmen sind daraus strukturelle Probleme entstanden. Arbeits- und Entscheidungsprozesse werden kollaborativer und virtualisierter. Von Mitarbeitenden und Führungskräften werden ganz schnell ganz neue Fähigkeiten benötigt, damit Effizienz und Produktivität nicht leiden. Doch ebenso schnell sind Mitarbeitende überfordert und der Arbeitsmarkt hält nicht genug qualifiziertes Personal bereit.

Zwei aktuelle Untersuchungen der IUBH Internationalen Hochschule zeigen, wo der Handlungsbedarf liegt. So zeigt die Trendstudie "Upskilling 2020" (PDF-Download) wesentliche Aspekte des Wandels am Arbeitsmarkt auf. Die zentrale Erkenntnis: Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz werden dafür sorgen, dass sich viele der heutigen Berufsfelder dramatisch verändern. Noch schlimmer: Etwa 30 Prozent aller heutigen beruflichen Tätigkeiten werden - so Experten - bis 2030 nicht mehr existieren. Für 2050 wird ein Anteil von 50 Prozent prognostiziert.

Personalentwicklung: Neue Kompetenzen Fehlanzeige

Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind gravierend. Allein in der IT waren laut Branchenverband Bitkom trotz Shutdown Mitte Dezember 2020 rund 86.000 Stellen unbesetzt. Kein Wunder, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen im Fachkräftemangel das größte Geschäftsrisiko sieht. Hinzu kommt: Während einerseits Berufe verschwinden, kommen andererseits ganz neue Berufe oder Qualifikationen hinzu. Die Industrie- und Handelskammern haben deshalb bereits Mitte 2020 die IT-Berufe neu gefasst. Dabei sind etwa der Kaufmann für IT-Systemmanagement und der IT-Kaufmann für Digitalisierungsmanagement entstanden. Und Hochschulen bieten inzwischen Bachelor- und Masterstudiengänge für Artificial Intelligence, Data Science, Digitale Transformation oder Cybersecurity an.

Geschäftsführung wie Mitarbeitende wissen, wo das Upskilling ansetzen sollte.
Geschäftsführung wie Mitarbeitende wissen, wo das Upskilling ansetzen sollte.
Foto: IUBH

Ein Hauptproblem für viele Unternehmen besteht aber darin, dass die Arbeitsplätze mit nicht mehr benötigten Qualifikationen schneller wegfallen als Mitarbeitende in Rente gehen, während neue Qualifikationen gefragt sind, für die es bisher nur wenig ausgebildetes Personal gibt. Der Ball liegt also bei den Unternehmen, die immer mehr unter Druck geraten. Denn der seit Jahren bekannte und beklagte Fachkräftemangel intensiviert sich.

Upskilling: Konsequente Personalentwicklung

Aber es gibt eine Lösung. Sie lautet Upskilling. Nur wer es schafft, vorhandene Mitarbeitende durch Weiter- und Höherqualifizierung in die neuen Arbeitswelten mitzunehmen, wird erfolgreich sein. Bedarfsgerecht qualifizierte und in ausreichender Personenzahl verfügbare Fach- und Führungskräfte entscheiden über Wachstum oder Exit. Die Trendstudie der IUBH zeigt, dass über 80 Prozent der Unternehmen heute oder in naher Zukunft konkrete Lösungen im Umgang mit den Skill Gaps ihrer Mitarbeitenden benötigen.

Ein Vorteil: Die meisten Unternehmen und Mitarbeitenden wissen, welche Skills fehlen und welche neuen Skills sie in Zukunft benötigen werden. Ein Nachteil: Die richtige Auswahl nach Format, Inhalt und Didaktik ist durch einen intransparenten Bildungsmarkt erschwert.

Lesetipp: IT-Jobs - Die sieben wichtigsten IT-Skills

Dabei sind es sowohl Hard Skills als auch Soft Skills, die in den neuen Berufen gefordert sind. Ob IT & Technik, Marketing & Kommunikation oder Management & Wirtschaft: Umbrüche bei den Führungskompetenzen (z.B. das Führen virtueller Teams), Arbeitsmethoden (z.B. Agilität), einzusetzenden Instrumenten (z.B. bei Datenintegration und Data Analytics) und Wertschöpfungsketten (z.B. bei Digitalen Businessmodellen) finden in vielen Bereichen statt und stellen Unternehmen ständig vor neue Herausforderungen.

Bei den Soft Skills stehen entsprechend Kompetenzen in den Bereichen digitales Mindset, Problemlösungs- und Konfliktmanagement sowie neue Formen von Teamwork und des Lernens im Vordergrund.

Der Future Digital Skills Report der IUBH Hochschule vom Januar 2021 vertieft diese Befunde und zeigt die wichtigsten digitalen Schlüsselkompetenzen auf, um die sich Unternehmen kümmern sollten. Dazu gehören an erster Stelle auch heute noch Basisfertigkeiten für die Grundlagen digitaler Arbeit, wie:

  • die Fähigkeit, Applikationen und Programme auf verschiedenen technischen Geräten wie Smartphone, Computer usw. nutzen zu können,

  • ein grundsätzliches Verständnis von Datensicherheit,

  • die Nutzung digitaler Tools für Produktivität und zur Erstellung digitaler Inhalte.

Daneben nehmen Softwarequalifizierung, Künstliche Intelligenz, Managementfähigkeiten, Marketing und Informatik die vordersten Plätze auf der Wunschliste ein.

Mitarbeitende - auch das zeigt der Digital Skills Report - halten die Personalentwicklung durch Weiter- und Höherqualifizierung (neudeutsch Upskilling) übrigens für eine Bringschuld des Unternehmens. Wie sehr der Schuh hier drückt, zeigen die Befragungsergebnisse der jüngsten Studie, bei denen mehr als 500 Teilnehmende Rede und Antwort standen. Fast 40 Prozent der Befragten geben ihren persönlichen Weiterbildungsbedarf als hoch oder sehr hoch an. Aus Sicht der Führungskräfte ist dieser Wert sogar noch höher: Mehr als die Hälfte (52,3 Prozent) geht von einem hohen oder sehr hohen Weiterbildungsbedarf der eigenen Mitarbeitenden aus. Das lässt den Schluss zu, dass innovative, flexible und punktgenaue Upskilling-Angebote des Arbeitgebers auf viel Interesse und hohe Akzeptanz bei Mitarbeitenden treffen dürften. Das ist eine gute Ausgangssituation für Qualifizierungsmaßnahmen, sofern sie die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigen.

Personalentwicklungsmaßnahmen: Digitalisierung zeigt den Weg

Bleibt die Frage, wie die Personalentwicklung diese Weiterbildung in den Arbeitsalltag integrieren kann. Auch hier zeigt die Digitalisierung den Weg. Innovative Bildungslösungen ermöglichen heute flexibles, also zeit- und ortsunabhängiges Lernen über Computer, Smartphone oder Tablet. Die Angebote funktionieren vor allem dann gut, wenn die Mitarbeitenden bestimmen können, wie, wann und wo sie sich mit welchen Themen auseinandersetzen möchten. Kleine Einheiten mit knappen Lernkontrollen und interaktivem Feedback bilden die eine Seite der Medaille, die Möglichkeit der direkten Anwendung des Gelernten etwa im Rahmen von Digitalisierungsstrategien im Unternehmen bilden die andere. So kann Gelerntes gleich in der Praxis vertieft werden, am besten im Team, weil hier Wissen und Einsichten schnell geteilt werden.

Lesetipp: Learning Nuggets - Weiterbildung - on the fly

Wenn Unternehmen die Ziele ihrer Personalentwicklung zudem transparent machen, mit jeder Fach- und Führungskraft persönliche Ziele vereinbart und regelmäßig besprochen werden, wird jeder Einzelne für sich und sein Unternehmen Verantwortung übernehmen. Nur so wird relevantes Wissen aufgebaut, werden Arbeitsplätze gesichert und damit der digitale Wandel aktiv mitgestaltet.

Zusätzliche Aktivierungen durch den regelmäßigen Kontakt zu Zukunftsthemen und Trends (etwa im Rahmen von digitalen Kurzvorträgen) sowie technologischen Neuerungen und Tools schaffen darüber hinaus einen positiven Nährboden für Wunsch und Willen nach regelmäßiger Weiterbildung. Obwohl also in Unternehmen immer mehr Qualifikationen fehlen, war wohl die Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen, nie höher als heute. Arbeitgeber, die dieses Eisen heute schmieden, lösen mit einer aktiven Personalentwicklung 4.0 nicht nur ihren Skill Gap. Sie motivieren und binden gleichzeitig aktive und engagierte Mitarbeitende - eine klassische Win-Win-Situation. (bw)