Arbeitsorganisation der Zukunft

Unternehmen profitieren von Home Office

14.06.2018
Von  und


Hubertus Schleuter verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im IT Business und im Management von Großprojekten. Er unterstützt Unternehmen bei der Planung und Durchführung ihrer Digital Business Transformation. Im speziellen werden Themen der Digitalisierung und Big Data, Internet of Things (M2M), Mobile und Social, sowie Wertschöpfung und Monetarisierung behandelt. Umfassende und tiefgreifende Kenntnisse der ITK Industrie - und hier insbesondere der Telekommunikationsanbieter - bestimmen den Schwerpunkt seiner Aktivitäten.
Florian Michalik schreibt als Experte über Themen zur Zukunft der Arbeit, Zusammenarbeit auf Distanz und Future Leadership. Er hält Business-Vorträge und Seminare und ist Co-Autor des Remote Agile Frameworks. Bereits seit dem Jahr 2000 arbeitet Michalik mit neuartigen Ansätzen in und mit verteilten Teams. Er war Manager in internationalen Unternehmensberatungen (Accenture, Sapient) und Agentur-Chef in der Digitalwirtschaft, bevor er 2017 sein eigenes Unternehmen, Team of Talents, gründete.
Das Thema "Home Office" oder mobiles Arbeiten ist in aller Munde, sei es im Zusammenhang mit flexiblen Arbeitszeiten, mit besserer Work-Life Balance oder unter dem Eindruck massiver Digitalisierung aller Arbeitsbereiche. Eine Einordnung.

Sei es im Zusammenhang mit flexiblen Arbeitszeiten, mit besserer Work-Life Balance, mit Kostenvorteilen gegenüber stationären Büros - das Thema "Home Office" ist in aller Munde. Gerade heute unter dem Eindruck massiver Digitalisierung aller Arbeitsbereiche macht es mehr als je zuvor Sinn, das mobile Arbeiten und damit auch das Home Office neu zu definieren und zu organisieren.

Im Home Office kann es durchaus mal vorkommen, dass man den Feierabend vergisst.
Im Home Office kann es durchaus mal vorkommen, dass man den Feierabend vergisst.
Foto: Stokkete - shutterstock.com

Zunächst ein Blick zurück: "Heimarbeit" gab es eigentlich schon immer und gerade vor der industriellen Revolution war dies ein absolut auskömmlicher selbstständiger Broterwerb, bei dem die Menschen an ihrem Arbeitsort lebten. Mit der industriellen Revolution änderte sich das drastisch und Heimarbeit mutierte zu abhängiger Billigarbeit, die den Profit der beschäftigenden Unternehmen erhöhte. Arbeitsstätte und Wohnstellen waren weiterhin noch in räumlicher Nähe untergebracht.

Mit den heutigen Möglichkeiten der Telekommunikation und Digitalisierung stehen wir nun vor einer gewaltigen Veränderung am zukünftigen Arbeitsplatz und an der zukünftigen Gestaltung von Arbeit. In unserer Zeit bemüht sich der Gesetzgeber mit Definitionen von Tele-Heimarbeit und Home Office um verlässliche Rahmenbedingungen. Meines Erachtens nach greifen hier alle statischen Definitionen zu kurz, um das Potenzial Home Office im Rahmen der Digitalisierung und der Arbeitsmodelle der Zukunft (Arbeit 4.0) zu erfassen.

Die Frage ist nicht "ob", sondern "wie"

In der Debatte um das Für und Wider der orts- und zeitflexiblen Arbeit scheinen sich oft Positionen geradezu dogmatisch und unversöhnlich gegenüberzustehen. Befürworter und Gegner mobiler Arbeit führen ihre Argumente ins Feld ohne die jeweils andere Sichtweise zuzulassen. Dabei wird vergessen, dass in Zeiten fortscheitender Digitalisierung, Globalisierung und von Arbeit 4.0 die Flexibilisierung von Arbeitsort und -zeit längst nicht mehr aufzuhalten und von großem ökonomischen Interesse ist.

Lesetipp: Flexibles Arbeiten - Streitpunkt Home Office

Vor rund 25 Jahren begann elektronische Kommunikation sich in Form von E-Mail in der Breite durchzusetzen und gleichzeitig die Art, wie Unternehmen arbeiten, grundlegend zu revolutionieren. Heute hat das Aussterben der E-Mail bereits begonnen und wir stehen mit mobiler Arbeit vor einem weiteren großen Schritt der Entwicklung und müssen uns fragen, wie wir die Herausforderungen distanzloser Zusammenarbeit überwinden und von Ortsunabhängigkeit und zeitlicher Flexibilität profieren.

Der Digital Workplace als Wettbewerbsvorteil

In vielen Wirtschaftszweigen herrscht ein ausgeprägter Fachkräftemangel unter den sogenannten Wissensarbeitern: allem voran in der Digitalwirtschaft. Da ist es von Vorteil, dass sowohl Angehörige der Generation Y (geboren 1980 bis 1995) als auch der Generation Z (geboren ab 1995) auf flexible Arbeitsmodelle ansprechen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Während die Generation Y eine erhöhte räumliche und zeitliche Flexibilität für eine ausgeglichene Work-Life-Balance sucht, erscheint für Generation Z, die mit Technologie aufwuchs, der Gedanke daran, an jedem Tag der Woche in dasselbe Büro fahren zu müssen, eher fremd und motivationsfeindlich. Schließlich gibt es genügend Kommunikations-Tools, die die Zusammenarbeit auf Distanz ermöglichen.

Lesetipp: Was New Work bedeutet - in 7 Punkten erklärt

Der "War for Talents" findet auf dem Schlachtfeld der Orts- und Zeitflexibilität statt. Nach dem Gehalt sind "flexible Arbeitszeiten" und "ortsunabhängiges Arbeiten" für IT-Fachkräfte laut der IDG-Studie Arbeitsplatz der Zukunft 2017 die wichtigsten Entscheidungsfaktoren für die Auswahl ihres Arbeitgebers. In Deutschland locken beispielsweise Microsoft, SAP, Deutsche Lufthansa, Daimler oder Adidas neue Mitarbeiter mit neuen Arbeitsmodellen in die Konzerne.

Deutliche Worte finden zu diesem Thema daher auch die Führungspersonen verschiedener Unternehmen:

  • "Eine feste Arbeitsplatzzuordnung ist im digitalen Zeitalter überholt. Anwesenheitspflicht gibt es bei uns schon seit drei Jahren nicht mehr." - Markus Köhler, Senior Director Human Ressources Microsoft

  • "Ich halte Präsenzpflicht für ein Auslaufmodell." - Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender Deutsche Lufthansa

  • "Unser Ziel ist es, mobiles Arbeiten aktiv zu unterstützen und damit auch die Arbeits- und Führungskultur bei Daimler zu verändern" - Wilfried Porth, Vorstand Personal der Daimler AG

  • "Die Digitalisierung wird die klassischen Bürostrukturen beenden." - Kasper Rorsted, Vorstandsvorsitzender Adidas

  • "Ich bin ein großer Befürworter von Telearbeit und Home Office. Ich ermutige auch unsere Mitarbeiter von Zuhause zu arbeiten, wenn sie das möchten." - Sir Richard Branson, Virgin

Doch mobile Arbeit ist mehr als ein "Goodie" für Mitarbeiter. Sie ist ein strategischer Baustein in der Digitalisierung des Geschäfts. Unternehmen profitieren davon, Fachkräfte landes- oder sogar europaweit einstellen zu können und gleichzeitig Bürokosten zu sparen. So hat beispielsweise Dell innerhalb von zwei Jahren nach Einführung von Telearbeit 39,5 Millionen Dollar an Bürokosten einsparen können.
Durch die Einführung flexibler Arbeitsmodelle können sich nach Angaben des BMFSF zudem die Fehltage von durchschnittlich 19 auf zehn pro Jahr verringern.

Je nach betrieblichen Erfordernissen kann mobile Arbeit gelegentlich oder regelmäßig an einem oder mehreren Tagen pro Woche erlaubt werden. Einige Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter und beschäftigen alle Mitarbeiter in mobiler Arbeit. So hat der Web-Plattform-Betreiber Automattic (wordpress.com, WooCommerce) seit 2017 keine Büros mehr und lässt seine 700 Mitarbeiter in 50 Ländern komplett mobil arbeiten. Automattic bezeichnet sich selbst als eine "results-only Company".

Es ist kein Tool-Problem

Durch die zügig voranschreitende Digitalisierung stehen uns heute mehr technische Möglichkeiten der Zusammenarbeit zur Verfügung denn je. VPNs ermöglichen uns den sicheren Zugriff auf das Unternehmensnetz, benötigte Dateien lagern in der private Cloud und Dokumente bearbeiten wir gemeinsam.

Lediglich der schleppende Breitbandausbau auch zu den "weißen Flecken" in Deutschland macht aus technischer Sicht noch mancherorts dem Wunsch nach Homeoffice einen Strich durch die Rechnung. Hier reden wir jedoch von einer zeitlichen Verzögerung, nicht von einem prinzipiellen Hinderungsgrund. Für die Zusammenarbeit stehen uns je nach Nutzungsszenario zahlreiche Tools zur Verfügung:

  • Enterprise Social Networks (ESN)

  • Kollaborationsplattformen und Wikis

  • Videokonferenzsysteme als Software- oder Hardwarelösung

  • Instant Messaging Tools und Team Chats

  • Projektmanagement, Task-Management Tools und Ticketsysteme

  • Team Management Software

Die meisten dieser Tools gibt es bereits seit Jahren. Die Zurückhaltung vieler Unternehmen und Führungskräfte in Bezug auf Home Office ist nicht auf einen Mangel an Werkzeugen zurückzuführen.

Mobile Arbeit erfordert eine angepasste Arbeitsweise

In einigen Unternehmen scheint Zusammenarbeit auf Distanz über Jahre kollektiv erlernt und ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur zu sein. Neue Mitarbeiter übernehmen die Arbeitsweise der vorhandenen Kollegen und arbeiten auch mobil effizient zusammen. Doch gibt es kein Handbuch und kein Training, das die Arbeitsmethodik reproduzierbar macht.

In anderen Unternehmen ist der Erfolg von verteilten Teams wiederum von der Erfahrung und den individuellen Fähigkeiten der Führungskräfte abhängig. Während einige Teams problemlos mit mobiler Arbeit zurechtkommen, gelingt es anderen Teams überhaupt nicht.

IDG Research hat eine Studie zum Arbeitsplatz der Zukunft herausgebracht

Eine Diskussion darüber wäre wünschenswert, in welchen Bereichen und wie genau wir unsere Arbeitsweise anpassen müssen. Das Ziel der Diskussion sollte sein, eine reproduzierbare Methodik zu verwenden, um ortsunabhängig so produktiv zusammenzuarbeiten, als wären die Teams in einem gemeinsamen Büro.

Für verteilte Teams und mobile Arbeit sind vier Themenfelder dabei besonders wichtig:

  1. Führung
    Zusammenarbeit auf Distanz erfordert Leader, nicht Manager. In der Führung zählen Eigenschaften wie soziale Kompetenz, Offenheit, Vertrauen und Klarheit.

  2. Zusammenarbeit
    Bei mobiler Arbeit muss der Prozess der Zusammenarbeit im Team klar definiert werden. Dies betrifft den Informationsfluss, Rückfragen, Arbeitsergebnisse genauso wie Kommunikationsmittel und Berichterstattung.

  3. Selbstkompetenz
    Mitarbeiter im Home Office werden meist nicht darauf vorbereitet. Ein Fehler, denn Ablenkungen oder unklare Erwartungen können ebenso wie Selbstausbeutung zu Problemen führen. Daher sollten Mitarbeiter auf die veränderte Arbeitsweise vorbereitet werden.

  4. Social
    Wird an mehr als zwei bis drei Tagen von Zuhause gearbeitet, ist es wichtig auch das soziale Geflecht der Mitarbeiter im Auge zu halten. Soziale Interaktion muss bei mobiler Arbeit "ritualisiert" werden. So sollten möglichst Video-Konferenzen statt Telefonate geführt werden. Außerdem kann bewusst ein digitaler Raum für Small-Talk und Flurfunk geschaffen werden.

Fazit

Neben dem Aspekt "Home Office" sollte auch der weitere Kontext des mobilen Arbeitens betrachtet werden. Richtig vorbereitet und umgesetzt ist das Home Office nicht nur eine weitere Möglichkeit zur Erbringung von Leistungen, sondern eine Investition in die Zukunft, die Marktpräsenz, Produktivität und Mitarbeitermotivation mittel- und langfristig positiv beeinflusst. Neue Arbeitsmodelle - so auch das Home Office - erfordern eine holistische Herangehensweise. Ein Blick zum Beispiel nur auf Tools reicht nicht aus. Innovation und Offenheit für Neues, kombiniert mit der richtigen methodischen Herangehensweise ist der Schlüssel zum Erfolg.

Wie in vielen Bereichen der Digitalisierung hat auch hier der Wandel längst begonnen. Es kommt jetzt darauf an, die Möglichkeiten zu nutzen und systematisch zum Vorteil des Unternehmens, der Mitarbeiter und der Kunden zu nutzen.