Mitarbeiterdaten in Gefahr

Unternehmen müssen mehr auf Cloud-Sicherheit achten

27.10.2015
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Marco Lenck ist seit September 2012 Vorstandsvorsitzender der DSAG. Von 2008 bis 2012 bekleidete er das Amt des Technologievorstands und kann unter anderem auf Erfolge im Bereich BI/BO- und des SAP HANA-Pricings zurückblicken. Mehrere Jahre engagierte sich Marco Lenck im CIO-Beirat der DSAG. Hauptberuflich ist er seit November 2014 als CIO bei der Döhler Gruppe für die globalen Geschäftsprozesse und die IT-Systeme verantwortlich. Döhler ist ein weltweit führender Hersteller von integrierten Lösungen für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie auf Basis von natürlichen Komponenten. Seit über 16 Jahren ist er im SAP-Umfeld und seit 2001 in der DSAG aktiv, unter anderem als Mitglied im CIO-Kreis.

Personaldaten sind eine wertvolles Asset. Schließlich beinhalten sie alle wichtigen Informationen zur Ressource Mitarbeiter. Umso wichtiger wird es, auf die Sicherheit der entsprechenden Daten zu achten. Doch die ist gerade in der Cloud nicht gewährleistet.

Fachkräfte und innovative Geschäftsmodelle, das sind die bekannten und wichtigen Thementreiber der deutschen Wirtschaft. Die schlechte Nachricht: Deren erfolgreiche Umsetzung ist gefährdet, denn immer mehr Unternehmen speichern die dazugehörigen, sensiblen Informationen in der Cloud - wo sie für externe Dritte jederzeit einsehbar sind, falls nicht ausreichende Schutzmaßnahmen zur IT-Sicherheit getroffen wurden.

Unternehmen müssen mehr auf Cloud-Sicherheit achten
Unternehmen müssen mehr auf Cloud-Sicherheit achten
Foto: maxkabakov, Fotolia.com

Fremdgesteuert dank ausländischer Regierungen und unklarer Rechtslage

Bei einem illegalen Zugriff lässt sich die Schuld allerdings nicht alleine auf die Unternehmen abwälzen: Denn mitverantwortlich für den leichteren Zugang zu diesen Daten sind auch Regierungen und Geheimdienste, die IT-Sicherheitslücken bekanntermaßen zum reinen Selbstzweck entweder spät oder unter Umständen auch gar nicht bekanntgeben. So sind gefährliche "Einfallstore" entstanden, die sensible Unternehmensdaten in der Cloud leichter an- und abgreifbar machen. Und damit stehen unter dem Strich Gehalts- und Prämienabrechnungen wechselwilliger High Performer in der extern gehosteten Personalverwaltungssoftware genauso in der Schusslinie wie Dokumente zu innovativen, digitalen Geschäftsmodellen, die im schlimmsten Fall via copy&paste auf dem Firmenrechner der Konkurrenz landen.

Worst Case: Fehlendes Vertrauen schwächt den Wirtschaftsstandort Deutschland

Politik, Hersteller und Anwender sind jetzt allesamt gefordert, verlässliche Grundlagen zu schaffen: für einheitliche und verbindliche Gesetze, eine transparente Kommunikationspolitik und das rasche Etablieren eines digitalen Binnenmarktes. Andernfalls werden die Public Cloud und zugehörige Dienste an Bedeutung verlieren, bevor sie die kritische Masse überhaupt überzeugen konnten - und folglich nicht so an Bedeutung gewinnen und eingesetzt werden, wie es für eine digital und innovativ ausgerichtete Wirtschaft eigentlich notwendig wäre. Fakt ist: Für diese Situation sind ein paar Staaten verantwortlich, die ganz bewusst verhindern, dass Hersteller ihre Lücken fixen. Und wenn es seitens der Politik weiterhin keine klare Regelungen dazu gibt, wird das Vertrauen in digitale Prozesse in deutschen Firmen so weit sinken, dass der deutsche Wirtschaftsstandort über kurz oder lang geschwächt wird.

Geheimdiensten und sonstigen Angreifern das Ruder wieder entreißen

Die Tatsache, dass Geheimdienste heute auch ohne diese so genannten Backdoors an ihr Ziel kommen - vorausgesetzt, sie haben ein legitimes Interesse an den gewünschten Informationen und üben damit keine Wirtschaftsspionage aus - stärkt das Vertrauen der Anwender in Cloud-Lösungen ebenfalls nicht sonderlich. Einzig und allein nachvollziehbar ist in diesem Umfeld die Herausgabe von Personaldaten zum Abgleich mit der internationalen Terrorliste. Aber: Dieser Prozess ist definitiv nicht das Problem, mit welchem wir im Moment kämpfen. Werden Personaldaten einzig und allein für einen notwendigen Abgleich bezüglich potenzieller Terror- oder sonstiger illegaler Aktivitäten genutzt, das ist in Ordnung.

Aber danach ist dann Schluss. Denn aus diesen Daten lassen sich schließlich auch andere, interessante Informationen heraus lesen, etwa aus der Personalsoftware, die Unternehmen in der Cloud betreiben: Welcher Mitarbeiter ist auf was spezialisiert, hat inwiefern zum Unternehmenserfolg beigetragen, wird wie vergütet - Informationen, die Gold wert sind für Mitstreiter. Denn so ist ein konkurrenzlos gezieltes Personal-Recruiting - der so genannte "War of Talents" - und illegales Blockieren der Konkurrenz möglich, welches das Verhältnis zwischen Unternehmen einer freien Marktwirtschaft aus dem Gleichgewicht bringt.

Angesichts der aktuellen Situation, sprich meist freier Zugang für NSA & Co. sowie Nichtinformation der Öffentlichkeit und über existierende Sicherheitslücken - sind sensible Daten in der Cloud zu Wissen, Leistung, Gehältern und Kontaktdaten nicht unbedenklich. Wer seine Mitarbeiter als unverzichtbar für seinen Geschäftserfolg definiert, sollte spätestens jetzt noch mal seine IT-Security auf Herz und Nieren prüfen.

Engel links, Teufel rechts: Unternehmen müssen abwägen

Die Probleme konzentrieren sich aber nicht nur auf das Thema HR allgemein, sondern auch auf bestimmte Branchen bzw. Arbeitsformen, wie etwa dezentrale Entwicklungsprojekte, die in der globalisierten und vernetzten Arbeitswelt heute Standard sind - und für welche Cloud-Lösungen mit ihren extrem flexiblen Kollaborationsplattformen eigentlich die erste Wahl wären.

Nehmen wir die Automobilindustrie, deren Wertschöpfung derzeit zu 80 Prozent bei den Zulieferern liegt. So lange aktuelle Cloud-Angebote mit Sicherheits- und Wettbewerbsproblem behaftet sind, werden Unternehmen beim Einsatz zögern und andere Lösungen bevorzugen. Das können zum Beispiel selbst aufgebaute Plattformen sein, also private Clouds, bei welchen die Security-Standards für Kundendaten und eigene Daten nach bestem Gewissen und nach unternehmensinternen Standards umgesetzt und garantiert werden.

Eine Vorgehensweise, die vor allem bei hochsensiblen Projekten der Abteilung Forschung & Entwicklung das Zünglein an der Waage sein kann: Denn selbst wenn ein Provider heute intelligente und dringend benötigte Entwicklungslösungen in der Cloud anbietet, derzeit ist vielen Unternehmen das Risiko noch zu hoch, genau diese Daten dem Wettbewerb quasi frei Haus zu liefern.

Do-it-yourself muss man sich leisten können

Die "Do-it-yourself"-Variante mag vielen Unternehmen zwar als der bessere Weg, weil sicherer, erscheinen. Allerdings bringt diese Entscheidung eine nicht unwesentliche Investition bezüglich Infrastruktur und Kosten mit sich, die heute nicht jedes Unternehmen stemmen kann und will. Und genau ist das Dilemma im Moment, wobei interessant ist: Kosten sind das eine, Geschwindigkeit ist aber noch viel entscheidender.

Denn diese ist schließlich wegweisend für die digitale Transformation: Wer immer erst anfangen muss, Infrastruktur aufzubauen, um darauf die neue, dringend benötigte Lösung aufzusetzen, die dann auch noch erst ausgerollt und angepasst werden muss, der verliert an Tempo, an Zeit, die er nicht hat für die dringend benötigten, neuen Geschäftsmodelle. Wer aber in den digitalen Fortschritt seines Unternehmens investiert und auf Cloud-Lösungen setzt, der riskiert angesichts der aktuellen Rechtslage, dass seine Geheimnisse unter Umständen beim Wettbewerber landen. Egal, wie sich Unternehmen im Moment entscheiden: Es gilt, die Risiken sorgfältig und fallspezifisch abzuwägen.

Wettbewerbsnachteile oder Selbstgefährdung: Was ist die richtige Antwort?

Als Folge gibt es derzeit drei Unternehmens-Typen am Markt. Nummer Eins sagt: "We take the risk - für uns ist die Digitalisierung so wichtig, dass wir trotz aller Sicherheitsbedenken den Weg weitergehen". Nummer Zwei ist überzeugt: "Ich gehe das Thema in Eigenregie an und verzichte auf die Cloud und deren Möglichkeiten". Und Nummer Drei beschäftigt sich noch gar nicht damit, weil das Thema für dieses Unternehmen einfach noch nicht greifbar ist. Aber sobald die dritte Gruppe den Schritt wagt, befindet sie sich in genau demselben Dilemma - unabhängig davon, ob es nun um die Digitalisierung im großen Ganzen oder lediglich um Effizienzsteigerungen bestehender Geschäftsprozesse geht.

Kleinere Unternehmen ohne leistungsstarke, eigene IT-Abteilung entscheiden sich aus wirtschaftlichen Gründen häufiger dafür, Software zur Prozessoptimierung aus der Cloud zu beziehen. Denn zum einen erhöht sich dank Pay-per-Use-Modellen die Liquidität, aber auch personelle Ressourcen steigen, weil sie dann nicht mehr für Wartung, Updates und User-Support benötigt werden. Große Firmen nehmen darüber hinaus oft innovative Zusatzdienste in Anspruch, die allerdings nur noch selten On-Premise verfügbar sind. Grundsätzlich gilt, dass sich Unternehmen immer folgende Fragen stellen und auch ehrlich beantworten sollten: Sind die Daten, die ich in die Cloud auslagere, so unbedeutend, dass sie im Zweifelsfall auch unbekannte Dritte kennen dürfen? Dann habe ich kein Problem. Aber wenn sie keinesfalls für externe Augen gedacht sind, dann habe ich definitiv ein latentes Problem.