Mobile Apps und Web-Design sind gefragt

Unternehmen brauchen IT-Know-how der Freelancer

10.11.2015
Von 
Susanne Köppler ist nach einigen Jahren als Praktikantin und freie Mitarbeiterin in den Redaktionen des IDG Medienhauses nun als Content Managerin Events für die inhaltliche Ausgestaltung der Channel- und C-Level-Events bei IDG verantwortlich.
Der Marktplatz twago.de vermittelt online Arbeit an Freelancer und Agenturen. Thomas Jajeh, Gründer und CEO der Plattform, erklärt im Interview, warum der Bedarf an IT-Services rund um die Programmierung und Web-Layout so hoch ist und weshalb sich twago auf Europa konzentriert.
  • Der Preis spielt als Entscheidungsfaktor keine vorrangige Rolle.
  • Die meisten Freelancer kommen aus dem Bereich IT und Programmierung.
  • Freiberufler ersetzen den Inhouse-Spezialisten.

Herr Jajeh, Sie haben den Freelancer-Marktplatz twago gegründet. Welche Idee steckt dahinter?

Thomas Jajeh: Die Arbeitswelt entwickelt sich rapide. Flexible Arbeitszeiten und -orte sowie persönliche Weiterentwicklung haben Trends wie Kontinuität und Sicherheit abgelöst. Im Zeitalter der Globalisierung mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen will twago.de Brücke sein.

Wo steht die Plattform heute?

Thomas Jajeh: Heute ist twago der größte paneuropäische Freelancer-Marktplatz. twago vermittelt online Arbeit an Freelancer und Agenturen aus den Bereichen Programmierung, Web-Design, Übersetzung, Marketing sowie aus weiteren unternehmensnahen Disziplinen - alles Dienstleistungen, die von jedem Ort der Welt aus ausgeführt werden können.

Die Philosophie von twago baut darauf auf, dass Unternehmen und Freelancer in ihrer Muttersprache kommunizieren können. Spricht heutzutage nicht jeder Englisch?

Thomas Jajeh: "Mondpreise haben auf einer Plattform wie twago keine Chance."
Thomas Jajeh: "Mondpreise haben auf einer Plattform wie twago keine Chance."
Foto: twago.de

Thomas Jajeh: Sicher können die meisten Menschen heute Englisch. Die eigentliche Frage ist aber doch: Fühlen sich die Menschen wohl, wenn sie englisch kommunizieren und in dieser Sprache Geschäfte abwickeln? Unsere Erfahrung ist, dass es den meisten Kunden ein besseres Gefühl gibt, wenn sie in ihrem Kulturkreis unterwegs sind, zum Beispiel in Sachen Streitfall oder Gesetzgebung. Dieser Faktor ist nicht zu unterschätzen.

Man wird meines Erachtens den komplexen Entscheidungsprozessen nicht gerecht, wenn man die Frage nur auf die Sprache reduziert. Unserer Beobachtung nach werden Entscheidungen in Europa anders getroffen als zum Beispiel in den USA. Während in den USA häufig das beste Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund steht, sind in Europa nachweislich die Sprache und die geografische Nähe die beiden wichtigsten Entscheidungsfaktoren. Der Preis rangiert, wie eine Umfrage bei unseren Kunden in der Alten Welt ergab, noch hinter der Qualität auf Platz vier der Entscheidungstreiber. Vereinfacht gesagt ist der Unterschied, dass ein Amerikaner mit jedem Menschen auf der Welt in seiner Muttersprache spricht, während dies in Europa meist nicht der Fall ist.

Wie groß ist der Markt an Freelancern in Deutschland und wie entwickelt er sich?

Thomas Jajeh: Darüber gibt es sehr unterschiedliche Studien. Allen gemeinsam ist aber, dass die Zahl der Freelancer beziehungsweise der Selbständigen in freien Berufen von Jahr zu Jahr stark steigt. Während 1990 noch weniger als eine halbe Million Menschen freiberuflich tätig war, sind es 2015 wahrscheinlich mehr als 1,3 Millionen. Das entspricht einem jährlichen Wachstum von mehr als vier Prozent über den Zeitraum von 25 Jahren. Wo die Reise hingehen kann, zeigen wieder einmal die USA. Natürlich sind dort die Voraussetzungen bezüglich der Sozialversicherung und des Arbeitsrechts andere, aber in den USA arbeiten heute je nach Studie 35 bis 40 Prozent aller Erwerbstätigen auf freiberuflicher Basis. In Europa werden wir wohl niemals in ähnliche Bereiche kommen, aber 10 bis 15 Prozent sind realistisch.

In welcher Branche agieren auf der Plattform die meisten Freelancer, und welche Unternehmen nutzen welche Dienstleistungen?

Thomas Jajeh: Die meisten Freelancer auf twago kommen aus dem Bereich IT und Programmierung. Der Bedarf an Web-Lösungen, insbesondere mobile, nimmt stark zu. Deshalb gibt es hier wohl auch die meisten Freelancer beziehungsweise Agenturen. Neben diesem Arbeitsfeld entwickelt sich der Designbereich sehr gut: Besonders stark nachgefragt sind hier Unternehmenslogos und Designs für Web-Seiten oder Shops.

Viele unserer Kunden sind Gründer, die sich an ein neues Projekt wagen. Außerdem kommen viele Blogger oder Shop-Betreiber zu uns, die neue Ideen verwirklichen wollen. Seit 2015 merken wir aber auch, dass große Unternehmen mehr und mehr Interesse an der Zusammenarbeit mit Freelancern entwickeln. Was vor wenigen Jahren aufgrund von Preferred Supplier Lists, Compliance oder Fakturierung in SAP noch unvorstellbar war, ist heute aufgrund zunehmender Knappheit an qualifizierten Ressourcen für Unternehmen plötzlich ein gangbarer Weg.

Welche Kompetenzen sind bei Freelancern aktuell besonders gefragt? Wohin geht der Trend?

Thomas Jajeh: Derzeit werden Web-nahe Dienstleistungen am stärksten nachgefragt. Jeder braucht eine Web-Seite oder möchte etwas online verkaufen - über das Internet oder per App. Das ist spürbar und wird vermutlich erst einmal so bleiben. Viele Branchen haben in Sachen Web noch einiges nachzuholen. Außerdem wird sich dieser Trend auch deshalb noch fortsetzen, weil sich die Technologien vor allem im Front-end (zum Beispiel Node.js, AngularJS) immer stärker spezialisieren und es nicht für jedes Unternehmen sinnvoll ist, für jede Spezialdisziplin einen Experten inhouse zu beschäftigen.

Wie haben sich die Erwartungen der Auftraggeber verändert? Was wird von Freiberuflern und was von Agenturen erwartet?

Thomas Jajeh: Wir merken, dass Auftraggeber immer stärker auf der Suche nach qualifizierten Experten sind. Durch diesen Trend tritt der Faktor Preis in der Entscheidungsfindung immer mehr in den Hintergrund. Natürlich ist er nach wie vor ein wichtiges Entscheidungskriterium - das wird wohl auch immer so bleiben -, aber es ist eben nicht der wichtigste und auch nicht der einzige. Auf twago gewinnt der günstigste Anbieter in weniger als zwei Prozent der Fälle den Auftrag.

Die besten Chancen haben Dienstleister die sich die Mühe machen, ein gutes Angebot zu erstellen, gute Fragen stellen und in ihren Beschreibungen auf den Kunden eingehen. Standardangebote haben keine Chance - auch bei gutem Preis. Man muss den Kunden überzeugen, ihm Vertrauen geben - dann hat man eine Chance, egal ob Agentur oder Freelancer.

Wie transparent sind die Honorare aktuell auf dem Markt?

Thomas Jajeh: Transparenz ist für den Kunden wichtig, nicht aber für die Freelancer. Wir müssen also unterscheiden. Aus Sicht des Kunden zeigen wir natürlich alle Preise an, sodass er den Preis mit in seine Entscheidungsfindung einfließen lassen kann. Aus Sicht der Dienstleister ist das anders. Wir wollen, dass sich jeder Anbieter darauf konzentriert, was er bieten kann und was er dafür an Entlohnung benötigt. Man hat immer dann eine Chance, wenn man einen fairen Preis anbietet. Mondpreise haben auf einer Plattform wie twago natürlich keine Chance, aber ein viel zu niedriger Preis wird den Kunden genauso stutzig machen. (pg)