Jenseits aller operativen Komplexität haben klassische Informationssysteme eine einfache Aufgabe: Sie dienen dazu, dass Unternehmen bestimmte Eigenschaften von Objekten aus der realen Welt in einer konsistenten Datenbank abspeichern. Im Detail der tagtäglichen Projektarbeit verstecken sich hinter dieser einfachen Anforderung – dem Speichern von Eigenschaften – natürlich komplexe Entscheidungen und Prozesse: Insbesondere die Frage, welche Merkmale das Unternehmen erfassen will, ist von großer Bedeutung.
Denn die Antwort darauf bestimmt, welcher Ausschnitt der Realität Einzug in die Systeme hält. Entsprechend intensiv diskutieren Entwickler und Anwender über diese Punkte. Haben aber alle Beteiligten alle Diskussionen erst einmal geführt und das Informationssystem entwickelt, dann zählt, was in der Datenbank steht – und sonst nichts.
Für alle Informationen, die sich selten ändern, wird dies in Zukunft eine der zentralen Aufgabe von Informationssystemen sein. Seien es Angaben über Personen, Verträge oder Stammdaten aller Art. Diese Informationen, diese Bits, die Unternehmen über Objekte erfassen, sind die Grundlage für zahlreiche Geschäftsprozesse. Ob Rechnungserstellung, Kampagnenmanagement oder Einkauf. Solche Aktivitäten sind ohne ein entsprechendes Informationssystem kaum noch denkbar.
Neue Dynamik in Geschäftsprozessen
Aber manche Unternehmen erfassen nur einen kleinen Teil der Welt in ihren Systemen. Denn über alle Objekte gibt es noch eine Vielzahl weiterer Informationen. Diese knüpfen an bestimmten Zuständen oder Aktivitäten dieser Objekte an, weniger an ihrer Struktur.
Ein Beispiel verdeutlicht diese Unterscheidung: Ein Windradbetreiber erfasst Standort, Größe, Wartungsstatus oder kalkulatorischen Restwert eines einzelnen Windrades in den Stammdaten – die eingangs erwähnten Bits. Aber darüber hinaus gibt es noch andere Informationen über die Maschine, die für den Betreiber spannend sind. Beispielsweise, ob es sich gerade dreht, welche Strommengen es im Moment erzeugt oder ob Parameter darauf hindeuten, dass ein Systemausfall zu befürchten ist. Diese Angaben sind aber zu volatil, um die zugehörigen Informationen dauerhaft zu erfassen. Stattdessen bietet es sich an, diese Art von Informationen, wann immer sie von Interesse sind, direkt beim Objekt abzufragen.
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Auch auf diese dynamischen Zustände beziehen sich Geschäftsprozesse; im Beispiel des Windrades sind das Themen wie Netzeinspeisung oder vorausschauende Wartung. Diese Prozesse nehmen dann nicht nur Bezug zu den Bits, sondern auch direkt zu den Objekten der realen Welt – sozusagen zu den Atomen.
Häufig haben die Experten es mit Objekten zu tun, deren Zustände sie nicht mehr zu einem bestimmten Zeitpunkt abfragen. Diese Objekte veröffentlichen ihre Informationen in einem kontinuierlichen Datenstrom. So erfassen in einem Windrad eine Vielzahl Sensoren durchgängig alle relevanten Parameter bezüglich Leistung und Betrieb. Kommen viele solcher Objekte zusammen – beispielsweise ein Windpark – ist es nicht nur relevant, die Merkmale einzelner Objekte (Bits) und deren Zustände (Atoms) miteinander zu verknüpfen. Dann ist es für Unternehmen wichtig, aus den vielen Strömen von Daten (Data) Informationen zu gewinnen.
In dieser Situation hilft das punktuelle Abfragen von Informationen nicht mehr weiter. Es gilt, Muster, Anomalien oder Abhängigkeiten zwischen Stammdaten, Zuständen und Ereignissen aufzuspüren. Hier kommen Komponenten und Algorithmen des Cognitive Computing zum Einsatz, die aus den Bereichen der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens stammen.
Neue IT-Strukturen für neue Themen
Solche integrierten Systeme basieren auf den realen Objekten (Atome), bilden dauerhafte Informationen nach wie vor in einem Informationssystem ab (Bits), verknüpfen sie mit vielfältigen kontinuierlichen Datenströmen (Data) und werten das Zusammenspiel all dieser Bestandteile mit den Techniken des Cognitive Computing (Cognition) aus. Kurz: Systems of Atoms, Bits, Cognition and Data (ABCD-Systeme).
Diese neue Struktur ist kein abstraktes Gedankenspiel, sondern hat konkrete Auswirkungen darauf, wie Unternehmen ihre IT-Systeme konstruieren. Denn je nach Branche, Geschäftsmodell oder Unternehmensorganisation haben Atome, Bits, Cognition und Data eine andere Gewichtung: Spielt „C“ die relevante Rolle, müssen die Experten Lern- und Trainingsdaten bereitstellen. Hat dagegen „A“ eine zentrale Funktion, müssen die Beteiligten entscheiden, welche Information sie am beziehungsweise über das Objekt erhoben haben und ob sie diese Informationen zwischen mehreren Objekten gegebenenfalls verdichten wollen. Ist aber „D“ der entscheidende Faktor, müssen Unternehmen Telekommunikationsvorkehrungen treffen und entsprechende Service Levels vereinbaren.
Bei Themen wie KI oder dem Internet of Things kommen bisherige IT-Strukturen in Unternehmen an ihre Grenzen. Die Systems of Atoms, Bits, Cognition and Data sind ein Debattenbeitrag für das notwendige Weiterentwickeln dieser Softwaresysteme. Ziel der Idee ist, IT-Entscheidern in Zukunft Hilfestellung beim Strukturieren und Orchestrieren langfristig erfolgreicher Systeme zu geben.