Hype außer Kontrolle

Über den Sinn von Blockchain-basierten Unternehmen

03.07.2018
Von   
Stefan Pechardscheck schreibt als Experte zum Thema IT Strategy & Governance. Er ist Partner bei der Management- und Technologieberatung BearingPoint und verantwortet dort das Thema Technology Advisory.
Hauptsache irgendwas mit Blockchain, so denken viele Unternehmen. Trotz des enormen Potentials macht die Technologie jedoch nicht immer Sinn.

Tech-Evangelisten predigen regelmäßig, dass Blockchain die Geschäftswelt, die digitale Welt und sogar die Welt selbst in einem Ausmaß revolutionieren wird, wie wir uns das in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Meist weniger lautstarke Skeptiker sagen dagegen, dass der Hype außer Kontrolle geraten ist. Dass die Technologie nicht die Chance hatte, sich organisch zu entwickeln. Und dass wir neben dem Potenzial auch die Risiken ehrlich einschätzen müssen.

Warum nicht alle Blockchain-basierten Unternehmen sinnvoll sind

Startups in Europa und den USA fügen ihrem Geschäft gern den Zusatz "Blockchain" hinzu - ob es nun sinnvoll ist oder nicht. Einige haben Währungen eingeführt, die jeglicher Logik entbehren.

Dogecoin, eine Krypto-Münze, wurde als Witz erschaffen und nutzt ein beliebtes Internet-Mem als Ausgangspunkt. Es gibt auch Bestattungsdienstleister auf Blockchain-Basis. Man könnte sich fragen, ob der Markt schon alles gesehen hat.

Mehr oder weniger vertrauenswürdige Start-ups profitieren erfolgreich vom Blockchain-Goldfieber, indem sie Millionen von Dollar über Initial Coin Offerings einsammeln. Dogecoin, zum Beispiel, stieg auf eine Marktkapitalisierung von 2 Milliarden Dollar an.

Obwohl sich Blockchain als ähnlich bahnbrechend wie das Internet erweisen könnte, ist die Technologie keine eierlegende Wollmilchsau. Einige Branchen und Projekte werden trotz des anfänglichen Optimismus weniger profitieren als andere. Auch wenn Blockchain verschiedene Geschäftsfelder grundlegend verändern kann, indem es sie billiger und bequemer macht, werden Szenarien, die Blockchain als ultimativen Erlöser darstellen, aktuell ernsthaft überstrapaziert.

Das Wort "Blockchain" mag Investoren und Vorstandsmitgliedern gefallen. Eine Technologie zum laufenden Geschäft hinzuzufügen, nur weil es cool klingt und weil es jeder es tut, kann sich jedoch als teurer Fehler entpuppen. Logische Argumente sollen hier stärker sein als die Angst, etwas zu verpassen.

Viele Projekte können Technologien, die bereits seit Jahren etabliert sind, ebenso gut umgesetzt werden. Oracle und MySQL, zum Beispiel, haben eine nachgewiesene Erfolgsgeschichte bei der Verarbeitung von Informationen. Warum also durch Blockchain ersetzen, wenn es keine kritische Notwendigkeit gibt?

Der Sinn der Blockchain-Technologie

Bei der Entscheidung, ob Blockchain für ein Projekt geeignet ist oder nicht, sollte man zuerst verstehen, dass Blockchain im Kern eine Datenbank ist, deren Einträge von mehreren Personen hinzugefügt werden, die einander nicht vertrauen. Blockchain eliminiert die Notwendigkeit, vertrauenswürdige Vermittler für Transaktionen zu beschäftigen. Wenn ein Projekt also nur vertrauenswürdige Beteiligte hat, die in Rahmen ihres Projektes Datenbanken nutzen, gibt es für den Einsatz einer Blockchain keine wirkliche Notwendigkeit.

Auf der anderen Seite sind Cybersecurity und der Schutz der Daten gute Beispiele für die sinnvolle Nutzung einer Blockchain. Consumer-VPN-Dienste auf Basis von Blockchain verschlüsseln den Webverkehr und helfen Usern, Zensur zu umgehen. Man kann sich dies vorstellen wie mehrere VPNs, die miteinander verbunden sind und sich während des Surfens ändern. Durch die Blockchain sind wir in der Lage, unsere Wahlsysteme und den Finanzsektor zu verbessern. Smart Contracts könnten zudem beim Supply Chain Management unterstützen, indem sie niedrigere Kosten und Schutz vor Betrug bieten.

Fazit

Seit der Einführung von Blockchain-Technologie im Jahr 2008 sprechen Tech-Experten über ihr disruptives Potenzial. Die transparente und sichere Erfassung sowie Übertragung von Daten liegen als Vorteile auf der Hand. Gartner's aktueller Hype Cycle for Emerging Technologies verortet Blockchain jedoch noch immer am "Höhepunkt der überzogenen Erwartungen". Nur langsam bewegt sich die Technologie in Richtung des "Tiefpunkt der Ernüchterung". Laut Gartner soll das "Plateau der Produktivität" innerhalb von fünf bis zehn Jahren erreicht werden.

In der Zwischenzeit müssen wir uns darauf konzentrieren, besser zu verstehen, wie wir Blockchain nutzen können - und vielleicht auch darauf, ein taubes Ohr für übertriebene Prophezeiungen zu haben.