Interneterfinder nimmt Amazon, Facebook und Google aufs Korn

Tim Berners-Lee will das World Wide Web neu erfinden

04.10.2018
Das Web habe sich zu einem Motor der Ungerechtigkeit und Spaltung entwickelt, kritisiert dessen Erfinder Tim Berners-Lee. Schuld daran seien in erster Linie die großen Internetkonzerne, deren Macht gebrochen werden müsste.

Im Jahr 1989 entwarf Tim Berners-Lee am CERN in Genf die Grundlagen für ein System, dass den ­Informationsaustausch zwischen verschiedenen weltweit verteilten Forschungsinstituten verbessern sollte. Diese Arbeit gilt als Geburts­stunde des Internet. Heute, fast 30 Jahre später, ist der Erfinder unglücklich über die Geister, die er damals rief.

Über das World Wide Web legen sich nach Einschätzung von Tim Berners-Lee die Schatten der großen Internet-Konzerne. Deren Macht müsse gebrochen werden, fordert der Interneterfinder.
Über das World Wide Web legen sich nach Einschätzung von Tim Berners-Lee die Schatten der großen Internet-Konzerne. Deren Macht müsse gebrochen werden, fordert der Interneterfinder.
Foto: kentoh - shutterstock.com

"Ich habe immer geglaubt, dass das ­Internet für alle da ist", sagt Berners-Lee. "Aber trotz all dem Guten, das wir erreicht haben, hat sich das Web heute zu einem Motor der Ungerechtigkeit und Spaltung entwickelt", konstatiert der Wissenschaftler und kritisiert in erster Linie die großen Web-Kon­zerne wie Amazon, Facebook und Google. Das Internet sei beeinflusst von mächtigen Kräften, die es für ihre eigenen Zwecke nutzten. "Ich glaube, dass wir einen kritischen Punkt erreicht haben und dass ein Wandel zum Besseren möglich, ja notwendig ist."

Nutzer erhalten Datenhoheit

Um die Wende voranzutreiben, hat Berners-Lee seine Aufgaben beim World Wide Web Consortium (W3C) und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) niedergelegt und gemeinsam mit John Bruce, dem Ex-CEO des von IBM übernommenen Cybersecurity-Spezialisten Resilient, das Unternehmen Inrupt aus der Taufe gehoben. Ziel der Company ist nicht mehr und nicht weniger, als das Web den gro­ßen Konzernen zu entreißen und komplett neu zu erfinden. Gelingen soll dies mit der von Inrupt entwickelten Plattform "Solid", die auf Forschungen am MIT zurückgeht.

Wichtigstes Ziel von Solid: Internetnutzer sollen die vollständige Kontrolle darüber bekommen, was mit ihren Daten im Netz passiert – also wo Daten gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf. Dreh- und Angelpunkt ist ein so­genannter Personal Online Data Store (POD). Innerhalb dieses Datensafes können Anwender für die dort abgelegten Inhalte Lese- und Schreib­rechte vergeben. Integriert sind außerdem von Social Networks ­bekannte Funktionen wie Teilen, Liken, Kommentieren und Feeds. Darüber hinaus gibt es Funktionen wie Adressbuch, Kalender und ­Online-Meetings. Die Entwicklung entsprechender Apps stehe allen offen, hieß es. Die Solid-Software ist open source verfügbar. (ba)