Preis und Wert sind zwei Größen, die oft nicht deckungsgleich sein müssen. Das kann für einen Käufer zweierlei bedeuten:
Er hat zu viel gezahlt.
Er hat eine günstige Gelegenheit genutzt.
Was nun für Cancom und die Übernahme der Pironet NDH AG gilt, ist eine Frage der Perspektive.
Der Tec-Dax Konzern Cancom hat angekündigt die Pironet NDH AG übernehmen zu wollen und ein entsprechendes Übernahmeangebot vorgelegt. Cancom verfügte bereits über rund 13 Prozent der Aktien, beziehungsweise über 27,5 Prozent, nachdem die Vorstände der Pironet Felix Höger und Udo Faulhaber angekündigt haben, ihre Anteile an Cancom zu verkaufen. Das Angebot von Cancom beläuft sich auf 4,50 Euro je Anteilschein, was einem Kaufpreis von fast 60 Miollionen Euro entspricht. Ein stolzer Preis!
Pironet erwartet im Geschäftsjahr 2013 ein EBIT von 2,8 Millionen Euro. Der Kaufpreis entspricht also nach Adam Riese rund dem 21-fachen dessen. Legt man den erwarteten Umsatz von 44 Millionen Euro zugrunde, dann liegt der Kaufpreis Faktor 1,3 höher. Schnäppchen sehen anders aus.
Für Cancom könnte sich der Kauf dennoch auszahlen. Zum einen verfolgt Cancom eine ambitionierte Wachstumsstrategie. Diese Ziele sind alleine durch organisches Wachstum nicht zu erreichen. Das zeigt auch der Vergleich mit den direkten Wettbewerbern wie Bechtle und Computacenter. Wachstum, das oberhalb der 5-Prozent-Marke liegt, muss in der Regel über Akquisitionen realisiert werden. Ziele für solche Übernahmen gibt es, entgegen aller Vermutungen, nicht allzu viele. Denn Unternehmen, die erfolgreich im Markt für Cloud-Lösungen agieren und dabei zu einem realistischen Kaufpreis zu haben sind, finden sich eher selten.
Crisp Research geht davon aus, dass Cancom bereits 2016 die Milliardengrenze beim Umsatz überschreitet - passende Übernahmeziele vorausgesetzt.
Der strategische Wert der Übernahme
Zum anderen macht die Übernahme vor allem aus strategischer Sicht Sinn. Pironet ist für Cancom sozusagen der "Missing Link" in deren Wertschöpfungskette. Cancom ist mehr oder minder ein traditionelles Systemhaus, der Anteil der Produktumsätze ist also sehr hoch. Das muss nicht unbedingt verkehrt sein, hat Cancom dem Markt doch bewiesen, dass man auch als Systemhaus in der Lage sein kann, im Bereich Cloud Computing Geld zu verdienen. Allerdings hat Cancom die Lösungen immer individuell für den Kunden erstellt und dort auch betrieben. Die Skaleneffekte sind hier überschaubar.
Mit dem Zukauf von Pironet ändert sich die Lage. Pironet ist klassischer Hoster mit Fokus auf den Mittelstand und hat sich über die Jahre auch eine Menge Cloud-Know-how zugelegt. Mit der gerade gemachten Ankündigung eine eigene PaaS-Plattform anzubieten, hat Pironet zudem gezeigt, dass man weiterhin in sein Cloud-Business investiert und außerdem über die entsprechenden Technologie-Skills verfügt. Zu guter Letzt kann Pironet noch auf ein eigenes MPLS-fähiges Netz zurückgreifen. Dieser USP wird in den kommenden Jahren noch sehr an Bedeutung gewinnen.
Fügt man diese Teile nun zusammen, so entsteht das Bild eines IT-Providers, der nun in der Lage ist, seinen Kunden die gesamte Bandbreite an (Cloud-)Lösungen anzubieten, die entweder beim Kunden oder eben bei Cancom/Pironet betrieben werden können. Dies wird in einem Wettbewerb ein entscheidender Vorteil sein, in dem es in den kommenden Jahren darum gehen wird, die Umsetzung "hybrider Cloud-Umgebungen" zu ermöglichen.
Das Marktumfeld für lokale Anbieter von Cloud-Computing-Lösungen und Services ist derzeit so günstig wie nie. Auf der einen Seite findet gerade schleichend ein Komplettumbau der Wirtschaft hin zu einer Digitalen Ökonomie statt, in der nach und nach fast alle Geschäftsprozesse der Unternehmen digitalisiert werden, mit dem Ziel diese möglichst in Echtzeit abzubilden. Die technologische Basis für diesen Umbruch liefern Cloud-Computing-Infrastrukturen. Diese werden allerdings im Moment eher durch die großen Player angeboten und betrieben. Und so setzt sich ein Trend der letzten Jahre im deutschen IT-Channel fort, nämlich das rasante Sterben kleinerer Häuser bei gleichzeitig schnell wachsenden großen Anbietern.
Auf der anderen Seite nimmt die Debatte rund um das Thema Datenschutz und Sicherheit gerade so richtig Fahrt auf. Die Unternehmen in Deutschland sind offensichtlich nur in ganz speziellen Fällen bereit, auf die Angebote der großen US Cloud-Anbieter zu setzen. Für Anbieter wie Cancom ist dies eine große Chance, die allerdings auch genutzt werden will.
So zeigt sich, dass Cancom zwar viel gezahlt hat für die Übernahme, aber dennoch eine günstige Gelegenheit genutzt hat. (jha)