Die digitale Welle rollt, kaum ein Geschäftsprozess ist mehr vor ihr sicher. Und trotzdem tun sich Google, Microsoft, Force.com und Co. in Deutschland nach wie vor sehr schwer, ihre Plattform-Services an Softwarehäuser zu verkaufen, damit diese darauf die nächste Generation ihrer Software-Lösungen entwickeln und betreiben. Das hat vielschichtige Gründe. Diese liegen einerseits bei den Softwarehäusern selbst. Bis heute haben es die meisten Softwareanbieter nicht gewagt, ihre Lösungen auf ein echtes SaaS-Modell umzustellen. Und das sei hier auch noch einmal betont. Echt heißt multimandantenfähig auf einer shared Plattform, denn nur dann kann der Kunde auch wirklich von den Vorteilen (kurze Release-Zyklen, Skalenvorteile, etc.) profitieren.
In der Regel sprechen wir hier von klassisch mittelständisch geprägten Softwarehäusern (Zwei Millionen bis 30 Millionen Euro Lizenzumsatz pro Jahr). Für diese bedeutet die Umstellung, und damit meist Neuentwicklung, eine enorme Investition und auch ein großes Risiko. Sie haben meist nur einen Schuss, und der muss sitzen. Und dennoch, den Meisten wird nichts anderes bleiben, als genau dieses Risiko einzugehen. Denn der Druck wächst täglich, und zwar mit jedem Geschäftsprozess, der digitalisiert wird. Stand heute sind nur wenige Kernprozesse, beziehungsweise Applikationen von diesem Trend verschont.
ERP wäre hier ein solches Beispiel, hier sind die Kunden heute nicht bereit ihre Prozesse über einen Standard abzubilden, von wenigen Spezialfällen und sehr kleinen Firmen mal abgesehen. Das hat auch SAP schmerzlich erfahren müssen und hat angekündigt Ihre SaaS-Suite Business ByDesign quasi nicht mehr weiter zu entwickeln. Ein "normales" Softwarehaus kann sich einen solchen Fehltritt aber nicht leisten.
Neben diesen strategischen Hindernissen gibt es aber noch eine Vielzahl weiterer Herausforderungen bei der Transformation in das SaaS-Zeitalter. Wie sieht das zukünftige Business-Modell aus? Wie gestalte ich den Vertrieb? Wenn uns die letzten Jahre SaaS-Historie eines gezeigt hat, dann dass es eben nicht so ist, dass sich solche Services einfach über das Netz und mit deutlich geringerem Vertriebsaufwand verkaufen lassen.
Es ist also zugegebenermaßen für einen ISV alles andere als leicht, sein Modell der neuen Zeit anzupassen. Eine Erkenntnis, die allerdings auch nicht weiter hilft, und schon lange nicht davor schützt, den Weg trotzdem gehen zu müssen. Denn junge Start-Ups und Entwicklerteams warten nur darauf etablierte Märkte "aufzubrechen", wie beispielsweise das durch Target Partners finanzierte Unternehmen Hetras, dass Cloud-basierte Hotel-Management Lösungen bietet. Andere Märkte wie der für Apothekensoftware warten noch darauf, dass das bestehende Duopol zweier Anbieter (Pharmatechnik, Lauer-Fischer) geknackt wird und somit der Markt wieder mit echten Innovationen versorgt wird.
Paas als Technologie-Stack
Ein weiterer Grund dafür, warum das Thema PaaS außerhalb der Gruppe der Einzelentwickler immer noch ein Nischendasein fristet, ist das fehlende Vertrauen der mittelständischen und großen Kunden in die Public-Plattformen der US-Majors. Unter den derzeitigen Voraussetzungen ist es einem ISV eigentlich nicht zuzumuten, seinen Kunden Enterprise-Software-Services anzubieten, die auf einer solchen Plattform gehostet werden.
Weil dem so ist, trägt der Markt diesen Tatsachen jetzt nach und nach Rechnung. Bis vor kurzem war PaaS ausschließlich als Service von Public-Plattformen verfügbar. Das hat sich mittlerweile geändert. Seit letztem Jahr ist beispielsweise der Cloud-Foundry-PaaS-Stack verfügbar. Nach der Ausgliederung der Cloud Foundry PaaS in das VMware- und EMC-Spin-Off Pivotal Ende 2012, in dem auch andere Technologien wie das Spring Framework, Grails, vFabric und die Big-Data-Plattform Cetas ihr neues Zuhause gefunden haben, und dem gerade erfolgten Back-Up durch IBM, ist der Cloud-Stack eine Evaluation wert und als Open-Source-Framework verfügbar.
Auch Red Hat stellt mit Open Shift Enterprise seit Ende 2012 einen Software-Stack zur Verfügung, um Private-PaaS-Umgebungen aufzubauen. Ebenfalls eine ernstzunehmende Technologie-Plattform für Web- und Unternehmenssoftware.
Local Azure
Worauf allerdings viele lokale Provider und auch ISVs gewartet haben, ist dass Microsoft seinen Azure-Stack für Partner und Unternehmen verfügbar macht, damit sie auf dieser Technologie lokale PaaS-Angebote einrichten können. Eigentlich ein logischer Schritt. Die meisten ISVs haben ihre Strategie in den letzten zwei Jahrzehnten auf die Technologie von Microsoft ausgerichtet. Dementsprechend sieht auch deren Skill-Landschaft aus. Wenn man dann noch bedenkt, wie weitverbreitet die Architekturen und Lösungen von Microsoft in den Unternehmen sind, dann ist es naheliegend, dass diese ISVs ihre zukünftigen SaaS-Lösungen auch auf dieser Architektur aufbauen. Daran gehindert hat sie bisher, dass Azure ausschließlich als Public-PaaS direkt durch Microsoft angeboten wurde. Dieses Modell eignet sich allerdings nur für ganz spezielle Anwendungsszenarien, auch wenn die Anbieter dies vehement bestreiten würden. Um einem deutschen Mittelständler Software-Services anzubieten, die kritische Kernprozesse abbildet, ist dieses Modell ungeeignet. Dass belegen auch die Marktzahlen und die spärlich verfügbaren lokalen Referenzen.
Es ist also der richtige und konsequente Schritt von Microsoft, sich mit ausgewählten strategischen Partnern zusammenzutun und den Azure Stack somit lokal gehostet anzubieten. Jetzt gibt es also echte Wahlfreiheit und hybride Cloud-Umgebungen lassen sich so über einen einheitlichen Technologie-Stack realisieren. Für PaaS ist das jetzt die zweite Chance im deutschen Markt und Crisp Research geht davon aus, dass das Thema 2014 deutlich an Fahrt gewinnen wird. Crisp Research geht von einem Marktwachstum von über 70 Prozent auf dann rund 140 Millionen Euro aus.
Pironet als PaaS-Pionier
Das Kölner Hosting-Unternehmen Pironet , das gerade erst durch Cancom übernommen wurde, wird als einer der ersten in Europa strategischer Partner für die Umsetzung von Microsofts PaaS-Strategie. Pironet ist, wie sollte es anders sein, zum einen ein Microsoft-Spezialist und zum anderen Cloud-erfahren.
Der Erfolg sollte also nicht allzu lange auf sich warten lassen, denn mit dem Angebot, die Azure-Technologie lokal zu hosten hat der ISV jetzt alles was er braucht. Eine erprobte, weitverbreitete Technologie und Architektur und einen lokalen Partner, der echten Service und Support bietet und über ein deutsches Rechenzentrum verfügt. Was vielen ISVs in Zukunft damit fehlen wird ist eine Ausrede sich der Herausforderung zu stellen.
Für deutsche Softwarehäuser, die immer noch ausschließlich On-Premise anbieten, heißt es jetzt also zügig Fahrt aufzunehmen: Wer bei der nächsten Welle der Digitalisierung nicht mitschwimmen kann, der wird schneller von dieser Welle weggespült sein, als er PaaS buchstabieren kann. (jha)