Über vier Milliarden Sportfans aus aller Welt haben die ersten Olympischen Spiele in Südamerika verfolgt. Mehr als je zuvor schauten über digitale Kanäle wie Livestreams oder Mobilgeräte zu. Gleichzeitig wurden die Ergebnisse sämtlicher olympischer Wettkämpfe mit lediglich einer halben Sekunde Verzögerung übertragen, hunderttausende Athleten, Freiwillige und Mitarbeiter organisiert und Millionen von Meldungen an internationale Medien verschickt. Wer steht hinter dieser Herkulesaufgabe? Die mittlerweile wohlbekannte Digitalisierung.
- Smartes für Cyclisten
Bei olympischen Radrenn-Veranstaltungen sind einige Athleten 2016 mit diesem leicht klobigen Gesichts-Accessoire unterwegs. Die smarte Sportbrille von Solos ist so etwas wie Google Glass für Sportler und projiziert Daten zu Herzfrequenz, Geschwindigkeit, Distanz oder Rhythmus direkt ins Sichtfeld der Olympioniken. In Echtzeit versteht sich. Außerdem hat die schlaue Augmented-Reality-Sportlerbrille auch noch integrierte Kopfhörer zu bieten. - Technik für die Muskulatur
Die US-Turner in Rio setzen ein smartes Fitness-Wearable von Lumiwave ein, um Muskel- und Gelenkschmerzen effektiv zu behandeln. Jedes der acht kleinen Devices schickt Infrarot-Strahlen ins Gewebe, sorgt so für erhöhten Blutfluss und wirkt hierdurch dem Schmerz entgegen. In den USA steht dieses Gesundheits-Wearable demnächst auch den Konsumenten zur Verfügung – zum Preis von knapp 450 Dollar. - Disco-Patriotismus
Klar, Nike stellt das Gros der US-Sportler-Kleidung bei Olympia 2016 in Rio. Die US-Jacken (die es beispielsweise bei der Eröffnungsfeier zu sehen gab) stammen allerdings aus dem Hause Ralph Lauren und sind mit "electroluminescent panels" ausgestattet. Die sollen "dem Team der US-Athleten den Weg weisen." Wohin? Zurück ins olympische Dorf? Immerhin: Die US-Olympioniken können die Ralph-Lauren-Leuchtjäckchen auf den standesgemäßen Olympia-Partys gleich anlassen. Warum wir Ihnen nicht die deutschen Olympia-Klamotten vorstellen? Zitat der "Welt": "Und Deutschland? Enttäuscht mit Provinz-Sportkleidung." - Jump-Analytics
Der tragbare Sprung-Monitor von VERT wird einfach an die Kleidung geklammert, schon zeigt er Höhe und Weite des Sprungs an. Die Daten werden an eine App gesendet, die dem Trainer dabei hilft, das Risiko einer Überanstrengung – und damit das Verletzungsrisiko – seiner Schützlinge zu minimieren. In Rio sind die Wearables zum Beispiel beim US-Damen-Volleyball-Team im Einsatz. - Zahlende Ringe
Im Vorfeld von Olympia in Rio wurden vielfach Sicherheitsbedenken geäußert – nicht nur wegen der hohen Kriminalitätsrate. Einige Olympia-Teilnehmer wurden Medienberichten zufolge auch prompt ausgeraubt. Um der allgegenwärtigen Angst vor Raub und Diebstahl zu begegnen, bietet Visa den von ihnen gesponserten Teams und Athleten einen Ring an, mit dem sie bargeldlos bezahlen können. Dazu wird das Teil lediglich an ein Bezahlterminal gehalten. Visa kümmert sich außerdem auch darum, Prepaid-Kreditkarten mit anderen Wearables wie Bands oder Smartwatches zu koppeln. - Olympic VR Games
Sind Sie auch gelangweilt von schnöden, herkömmlichen, veralteten 2D-Inhalten? Sehr gut. Denn Olympia 2016 können Sie auch in der virtuellen Realität mitverfolgen. Alles, was Sie dazu brauchen ist eine VR-Brille, beispielsweise Samsungs Gear VR, und die passende App fürs Smartphone. Das ZDF bietet beispielsweise die App "Olympia 360°" (iOS, Android) an, mit der Sie "ausgewählte Wettbewerbe in neuer, innovativer Art und Weise" erleben dürfen. - Smartes gegen Seuchen
Neben Kriminalität und Hackern war auch der Zika-Virus ein großes Negativ-Thema im Vorfeld von Olympia. Kinsa, Hersteller von smarten Thermometern, hat diese Gelegenheit für PR-Zwecke genutzt und US-Athleten ein Gratisexemplar seines Produkts angeboten. Das zeichnet im Zusammenspiel mit einer Smartphone-App die Körpertemperatur des Nutzers auf und checkt die Körperdaten außerdem regelmäßig auf weitere Zika-Symptome. Die Social-Networking-Komponente sorgt dafür, dass die Olympioniken auch immer über den Infektionsstatus ihrer Teamkollegen informiert sind. - Kleider machen smart
Nicht nur die Olympioniken in Rio nutzen die smarten Shirts von Hexoskin: Auch in der NBA bei den Brooklyn Nets und beim Handball-Team von Paris St. Germain kommen die Hexoskin-Produkte bereits zum Einsatz. Die smarten Shirts gibt's in verschiedenen Ausführungen und Größen. Sie sind nicht nur in der Lage, Herzfrequenz, Atmung und Schlafgewohnheiten zu erfassen, sondern messen auch die Herzfrequenz über ein EKG. Die Daten werden anschließend per Smartphone, Tablet oder Smartwatch aufbereitet und lassen sich zu Leistungsdaten in Bezug setzen, wodurch Coaches ihre Trainingspläne effizienter gestalten können.
Denn nicht nur der südliche Teil des amerikanischen Doppelkontinents feierte zu den diesjährigen Sommerspielen seine Premiere als Gastgeber für die Olympischen Spiele. Auch hinter den Kulissen, in der IT-Infrastruktur, gab es ein Debüt: Erstmals kam Cloud-Technologie prominent zum Einsatz.
Angesichts der exponentiell zunehmenden Datenmenge ist die Cloud eine willkommene und mittlerweile unabdingbare Alternative zu traditioneller Serverinfrastruktur. So wurden beispielsweise die über 300.000 Akkreditierungen komplett in der Cloud erfasst und verwaltet. Auch bei der Koordination der mehr als 70.000 Freiwilligen und Mitarbeitern hat sich diese Technologie in Rio bewährt. Besonders für ein globales Großevent wie die Olympischen Spiele ist die ortsungebundene IT natürlich Gold wert – „IT to go“ sozusagen.
Denn ein digital vernetztes Milliardenpublikum aus aller Welt benötigt vor allem zwei Dinge: Stabile Datenverbindungen für störungsfreie Live-Streams in hoher Qualität und umfassenden und unmittelbaren Zugriff auf Informationen und Datenbanken. Gerade letzteres spielt auch für die Medien eine immer größere Rolle, da immer längere Sendezeiten mit Content gefüllt werden wollen. Hier springt das Commentator Information System (CIS) ein, mit dem die Kommentatoren und Journalisten ständig mit den neuesten Wettkampfergebnisse und Hintergrundinformationen in Echtzeit direkt auf ihrem Laptop versorgt wurden.
Eventualitäten-erprobt
Um sicherzustellen, dass alle Systemkomponenten diesem 24/7-Ansturm in den 17 Tagen der Spiele gewachsen waren, mussten sie zuvor ein rigoroses Testprogramm absolvieren. In den zwei Jahren zwischen dem WM-Titel der deutschen Nationalmannschaft und der Eröffnungszeremonie im Maracanã Stadion wurden mehrere 100.000 Stunden in Testläufe und Krisensimulationen investiert, um die Reliabilität sämtlicher Netzwerke und Verbindungen zu gewährleisten. Anwendungs- und Prozessspezialisten simulierten auch Katastrophenszenarien wie Hochwasser oder weitflächige Stromausfälle und Verbindungsfehler, um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein.
Erfolgreiche erste Etappe
Die Olympischen Sommerspiele 2016 veranschaulichen die Trends, von denen die IT vergleichbarer Großveranstaltungen in Zukunft geprägt sein wird. Zum einen die Entwicklung hin zu einer dezentralisierten Infrastruktur durch den Einsatz von Cloud- und Mobiltechnologie. Der Wegfall klobiger Server und das damit gewonnene Plus an Effizienz und Flexibilität zu geringeren Kosten sind genau das, was Unternehmen in Zeiten allgegenwärtiger Datenfluten benötigen. Denn egal ob Cyber-Security, Organisation oder Content, die Menge der zu erfassenden und verarbeitenden Daten wird weiter wachsen. Auf den diesjährigen Spielen wurden circa 400 IT Sicherheitsvorfälle pro Sekunde registriert – gegenüber den Spielen in London vier Jahre zuvor bereits ein 100-prozentiger Anstieg. Angesichts solcher Datenmengen werden die althergebrachten Strukturen in wenigen Jahren vollkommen obsolet sein.
Gleichzeitig haben neue technische Möglichkeiten wie Livestreams, Social Media und mobiler Internetzugang die Sehgewohnheiten und Erwartungshaltung des internationalen Publikums insoweit verändert, dass die Zuschauer nach einem unmittelbarem und immer verfügbarem Sporterlebnis verlangen. Rio de Janeiro stellt einen wichtigen ersten Schritt in diese Zukunft dar, doch die digitale Entwicklung der Olympischen Spiele hat gerade erst begonnen.