Seit Jahren wiederholen Analysten und Marktbeobachter gebetsmühlenartig ihre Warnungen an die klassischen IT-Provider und Soft- und Hardwarehersteller, Cloud Computing werde die gesamte IT-Landschaft umpflügen und neu vermessen. Für viele war dieser Wandel bisher nur kaum wahrnehmbar und betraf vor allem die großen IT-Majors in den USA. Wir treten allerdings gerade in eine neue Phase der Transformation ein, genauer gesagt Phase 3 des Umbruchs.
Phase 1 - Die Neuen
Phase 1 haben wir bereits lange hinter uns. Neue Anbieter wie Amazon AWS oder Salesforce haben ihren Siegeszug angetreten und der Welt gezeigt welches Potenzial hinter dem neuen Delivery- und Deployment-Modell steckt. Mit Staunen beobachtete die IT-Welt wie schnell diese Firmen wuchsen und in ihren Segmenten für Veränderungen sorgten. Allerdings erschien den meisten diese Bedrohung fern und unkonkret.
Phase 2 - Auf- und Umbruch der Großen
In Phase 2 haben die großen altangestammten Platzhirsche wie Microsoft und IBM begonnen ihre eigene Transformation einzuleiten. Diese dauert bis heute an, ist also noch lange nicht abgeschlossen. Nur mühsam stellen die Schwergewichte nach und nach ihre Portfolios um. Und sie haben mittlerweile enormen Druck! Die Umsätze der Kerngeschäftsfelder erodieren mit hoher Geschwindigkeit, teilweise geradezu schwindelerregend schnell. Allerdings zeigen sich nach vielen Quartalen der Bemühungen auch endlich Erfolge, die neuen Cloud-basierten Produkt- und Servicefelder wachsen bei vielen Anbietern mit großer Geschwindigkeit. Bei manchen nicht schnell genug um das Wegbrechen im klassischen Geschäft zu kompensieren, aber sie wachsen immerhin. Das macht Hoffnung für viele dieser Anbieter, aber längst nicht für alle.
Phase 3 - Die Welle erreicht das Hinterland
In Phase 3 nun erreicht der Umbruch die zweite Reihe und die eher regional fokussierten Anbieter, also die nationalen Champions wie T-Systems. Die klassischen Outsourcing-Deals werden immer unrentabler und die Kunden fordern immer flexiblere Angebote im Cloud-Style, allerdings zu Kosten, die nur noch von Anbietern aus Indien und ähnlichen Ländern profitabel anzubieten sind. Hinzu kommt, dass Geschäftsmodelle wie reines Reselling von Cloud-Lösungen a lá Office 365 oder Salesforce ohne zusätzlichen Mehrwert keinerlei Differenzierung bietet. In diesen Modellen können diese Anbieter ihre eigentlichen Stärken nicht ausspielen.
So wie diese IT-Provider derzeit aufgestellt sind sieht es langfristig nicht gut für sie aus. Ein weiter so kann es nicht geben, ansonsten ist der Untergang vorprogrammiert. Es wird also Zeit zu handeln. Und die ersten tun dies jetzt auch.
T-Systems hat für die nächsten zwei Jahre einen umfangreichen Personalumbau angekündigt. Rund 4.900 der 29.000 Stellen in Deutschland sollen sozialverträglich abgebaut werden, gleichzeitig gibt es aber auch Einstellungen in den Zunkunftsfeldern. Das ist ein absolut richtiger Schritt, zumindest im Kontext dessen, was als Umbau noch ansteht. Denn gleichzeitig hat T-Systems verkündet, sich nicht mehr um Ausschreibungen zu bewerben, bei denen das Erzielen einer Marge quasi ausgeschlossen ist, weil es sich um den bloßen Betrieb von Infrastruktur handelt. Dass die Führungsmannschaft um Reinhard Clemens ernst damit macht, haben die letzten Auftragseingänge gezeigt, diese lagen um fast 30 Prozent unterhalb des Vergleichsquartals des Vorjahres. Zusätzlich trennt sich T-Systems von Geschäftsfeldern, beispielsweise jüngst durch den Verkauf der Individual Desktop Services GmbH. Und auch in einigen Regionen stehen sie Zeichen auf Veränderung - die Landesgesellschaft Italien und Teile des Geschäfts in Frankreich sind bereits verkauft. Der Umbau im klassischen Geschäft ist also im vollen Gange und das mit hoher Geschwindigkeit. Das alleine reicht allerdings nicht, sonst besteht die Gefahr, dass T-Systems sich lediglich gesundschrumpft.
Aber wie kann T-Systems im derzeitigen Marktumfeld reüssieren? Indem man die Trümpfe ausspielt, die man auf der Hand hat! Oder umgekehrt gedacht, T-Systems sollte die Finger von Dingen lassen die andere besser können! Also weniger Geschäft, das personalintensiv ist wie beispielsweise Field Services, oder klassisches Outsourcing. Hier sind Anbieter wie Infosys, Wipro und Co. klar im Kostenvorteil. Dies gilt im Übrigen auch für kleinere lokale Anbieter.
Phase 4 - Broker und Aggregatoren
T-Systems muss es schaffen in den sich neu formierenden Märkten Funktionen wie Aggregation und Orchestrierung zu übernehmen. T-System verfügt über eine leistungs- und skalierungsfähige IT-Infrastruktur und als Teil der Deutschen Telekom über eine hervorragende Netzinfrastruktur. Damit kann T-Systems aus Gutem Besseres machen. Der zur CeBIT im März angekündigte Deal mit Salesforce wird zeigen wo die Reise hingeht. T-Systems will noch mehr solcher Partnerschaften eingehen und die Cloud-Services der großen Anbieter auf einer Plattform zusammenführen. Dann bekommen Anwender die Möglichkeit der Wahlfreiheit: Kauf und Betrieb direkt beim (US-)Anbieter oder bei T-Systems im Rechenzentrum. Diese Entscheidung dürft vielen nicht schwer fallen und es ist davon auszugehen, dass diese Art von Angeboten die Nachfrage nach Cloud Computing in Deutschland nachhaltig fördern wird.
Auch die Fokussierung auf andere Wachstumsfelder wie M2M, Big Data und Security macht Sinn, allerdings unter der Voraussetzung, dass T-Systems dazu übergeht mehr Automation und Standardisierung umzusetzen. Nur so kann das Geschäft nachhaltig profitabel sein.
Das zukünftige Geschäft von T-Systems lässt sich also folgendermaßen charakterisieren:
Automation;
Standardisierung
Integration und Transformation
Weniger personalintensiv
Geringere Fertigungstiefe
Mehr indirekter Vertrieb
Die Achillesferse von T-Systems
Um das oben beschriebene Szenario umzusetzen bedarf es allerdings auch einer gewaltigen Kraftanstrengung. Der Ab- und Aufbau neuer Geschäftsfelder ist das eine, das ist allerdings "lediglich" eine Frage guten Managements, Investitionen und Rückhalt im Konzern. An Beidem sollte es nicht mangeln. Die notwendigen Produkt-Innovationen besorgen zum Großteil die Technologiepartner wie Salesforce, SAP, Cisco und andere. Der Markt hat gezeigt, dass diese alleine allerdings nicht hinreichend sind. Deshalb obliegt der T-Systems die Verantwortung für die Innovation im Bereich des Geschäftsmodells und der Customer Experience. Denn es ist offensichtlich, dass die US-Anbieter mit Ihrem "One-fits-all" Modell an ihre Grenzen gestoßen sind.
Die wirkliche Herausforderung liegt auf der Vertriebsseite. Denn die neue Rolle als Plattformanbieter und Aggregator bringt einen neuen Vertriebsansatz mit sich: den indirekten Vertrieb. Der Aufbau eines gut funktionierenden Channels aus dem Nichts ist eine Herkulesaufgabe, zumal der Zeitdruck groß ist und alle Anbieter ihre Partner als wichtigste Waffe im Kampf um den Cloud-Kunden wiederendeckt haben. Hier darf T-Systems jetzt keine Fehler machen und muss dem Projekt allergrößte Aufmerksamkeit widmen.
Resümee
T-Systems hat mit dem radikalen Umbau den richtigen Weg eingeschlagen und nimmt eine Vorreiterrolle unter den IT-Providern in Europa ein. Jetzt kommt es voll und ganz auf die Exekution an. Geschwindigkeit und Konsequenz bei der Umsetzung sind die Erfolgsfaktoren. Für viele wird diese Transformation noch schmerzhaft und es wird (ähnlich wie bei anderen) noch eine längere Zeit dauern, bis die Anstrengungen sich auszahlen. Allerdings ist der mögliche Gewinn riesig, T-Systems hat die Chance einen festen Platz in der neuen Cloud-Welt und Wertschöpfungskette einzunehmen. Das werden viele andere zukünftig von sich nicht behaupten können. (jha)