Der Wandel, der in den nächsten Jahren auf die Technologieunternehmen zukommt, lässt sich anhand einiger Schlaglichter verdeutlichen, die die Resilienz der Industrie und Marktteilnehmer unterschiedlich beeinflussen werden: Nach Analysen von Gartner wird sich bis 2026 die Zahl der großen globalen Unternehmen mit Nettonull-Strategien bei den CO2-Emissionen und entsprechenden Finanzplänen verdoppeln. Allerdings werden dann immer noch 70 Prozent keine Strategien zu einer Umsetzung von NettoNull-Ansätzen haben.
Mangelnde Visibilität in der Lieferkette
Bis dahin wird es zudem für viele Unternehmen noch schwierig sein, effektive Maßnahmen zur Emissionsreduktion in der Lieferkette umzusetzen. Ein großes Problem sind die fehlenden oder mangelhaften Daten über den gesamten CO2-Fußabdruck und dessen Emissionsbereiche Scope 1, Scope 2 und Scope 3.
Darüber hinaus wird die Kreislaufwirtschaft weiter an Bedeutung zunehmen, prophezeien die Auguren. 80 Prozent der Hardware-Anbieter werden laut Gartner-Voraussagen bis 2030 ihr Portfolio mit einem Kreislaufwirtschaftsmodell verknüpfen - heute sind es erst 20 Prozent. Seit der letzen Klimakonferenz in Montreal steht auch die Biodiversität verstärkt im Vordergrund. Bis 2026 werden doppelt so viele FTSE 100-Unternehmen (Top 100 der Londoner Börse) ihre Prozesse und Wertschöpfungsketten auf Biodiversitätsrisiken überprüfen - etwa die Hälfte der FTSE 100.
Die Herausforderung, die sich daraus für die Tech-Unternehmen ergibt, lautet: Wie kann die Forderung nach nachhaltigem Umweltschutz bereits im Produktdesign berücksichtigt werden? Denn das ist es, was ihre Kunden brauchen, um ihre zukünftigen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Umweltgedanke verändert die Anforderungen
Doch was genau müssen die Technologien der Zukunft bieten, um ihren Kunden bei ihren Nachhaltigkeitszielen zu unterstützen? Es sind vor allem die folgenden Bereiche, die adressiert werden müssen:
Energieverbräuche zu steuern ist nach wie vor eines der gefragtesten Themen bei den Kunden von Gartner. Dieses Thema treibt auch die Nachfrage nach Technologien, die helfen, die Energieeffizienz zu steigern, Kosten zu senken, auf erneuerbare Energien umzusteigen und Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
Nachhaltige Geschäftsmodelle sind heute unverzichtbar. Einerseits gibt es einen starken Druck von Seiten der Stakeholder, andererseits bieten Konzepte wie Netto-Null-Emissionen und Kreislaufwirtschaft neue Chancen.
Der Klimawandel führt zu einer raschen Einführung von Steuerungs- und Management-Technologien. Dazu zählen zum Beispiel Klimarisikoanalyse-Tools, die Organisationen helfen, ihre Risiken zu reduzieren. Bereits 67 Prozent berücksichtigen das Klima in ihrer Risikoanalyse.
Die Kreislaufwirtschaft bietet Produktverantwortlichen die Möglichkeit, ihre Produkte zu differenzieren. Derzeit werden 17 Prozent des Produktportfolios eines Unternehmens unter den Bedingungen der Wiedergewinnung, Recycle-Fähigkeit und Wiederverwertung konzipiert.
Biodiversität und nachhaltige Landwirtschaft werden stärker in den Fokus rücken. Dies bietet Chancen für Technologie- und Dienstleistungsanbieter, die sich auf Transparenz in der Lieferkette konzentrieren. Betroffen sind Branchen wie Öl und Gas, Transport, Bau und Landwirtschaft.
Was also sollten die Produktverantwortlichen in den Tech-Unternehmen jetzt tun, um diesen Zukunftstrends gerecht zu werden? Der Gartner Emerging Tech Impact Radar (Download gegen Lead-Abgabe) versucht den Reifegrad, die Marktdynamik und den Einfluss der damit verbundenen Technologien und Trends zu analysieren. Hier einige Anhaltpunkte, in welche Richtung Tech-Hersteller jetzt denken sollten:
Kunden helfen, proaktiv zu werden: Energieintensive Unternehmen benötigen ein feineres Instrumentarium, um auf Ereignisse aus dem Marktumfeld reagieren zu können. Die Integration von Echtzeit-Sensorik hilft dabei. Deren Entwicklung sollte sich daher für Technologiehersteller jetzt lohnen.
Beispielsweise werden Umweltsensoren laut Emerging Tech Impact Radar in drei bis sechs Jahren ihren Höhepunkt des Reifegrads durch integriertes Datenmanagement erreichen. Umweltsensoren spielen eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Bewertung von Umweltparametern. Sie erfassen und analysieren Daten wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO2 und Schadgase, um deren Einfluss auf die Nachhaltigkeit zu bewerten. Diese Sensoren werden bereits in intelligenten Gebäuden, Smart Cities und verschiedenen Industrien eingesetzt.
Fortschritte bei den Sensorfähigkeiten und der Datenanalyse, einschließlich der Integration künstlicher Intelligenz, steigern die Effizienz von Umweltsensoren. Die weltweite Nachfrage wird aufgrund der verstärkten Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung der Nachhaltigkeit weiter steigen.
Weiter vorausschauen: Zweifellos sind Datenerhebung und Berichterstattung wichtig. Tech-Unternehmen sollten hier aber nicht stehen bleiben, sondern in Zukunft ihre Modellierungs- und Prognosefähigkeiten weiter ausbauen. Mit präzisen Vorhersagen und Planungen können sie ihre Kunden dabei unterstützen, ihre Klimaziele zu erreichen und beispielsweise Maßnahmen zur CO2-Reduktion zu optimieren.
Das Emerging Tech Impact Radar hat in diesem Bereich beispielsweise Werkzeuge zur Analyse klimabezogener Risiken untersucht. Mit diesen Werkzeugen, deren Einführung in einem Zeitraum von drei bis sechs Jahren einen Reifegrad erreicht, lassen sich etwa physische oder rechtliche Risiken modellieren und bewerten.
Die Tools haben eine transformative Wirkung auf Finanz-, Risiko- und Compliance-Bereiche, insbesondere in den Branchen Bankwesen, Vermögensverwaltung, Versicherungen und Rechtsdienstleistungen. Auch Lieferketten und der öffentliche Sektor werden davon betroffen sein. Die Werkzeug bieten dabei eine verbesserte Alternative zur herkömmlichen Katastrophenmodellierung und helfen, die Auswirkungen des Klimawandels auf Unternehmen und Volkswirtschaften zu verstehen.
In Kreisläufen denken: Neue Geschäftsmodelle auf Basis der Kreislaufwirtschaft sind gefragt. Beispielsweise erleichtern neue Dienstleistungskonzepte den Übergang vom Besitzmodell zur Sharing Economy, die wiederum die Ressourcennutzung optimiert und Abfälle minimiert.
Unternehmen mit Kreislaufwirtschaftstrategien sollten Innovationen vorantreiben und neue Geschäftsmodelle gestalten. Eine strategische Komponente ist eine branchenübergreifende Allianz mit Partnern, die in die Entwicklung neuer Materialien investieren und Anreize schaffen, um die Nutzung gebrauchter Geräte für Reparatur, Wiederverwendung oder Recycling zu erhöhen.
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Der Übergang zu vollständig kreislauforientierten Systemen braucht jedoch Zeit. Laut dem Emerging Tech Impact Radar wird es voraussichtlich drei bis sechs Jahre dauern, bis die Mehrheit der Unternehmen entsprechende Kreislaufwirtschaftsmodelle eingeführt hat. Dennoch wird sich der Trend aufgrund des zunehmenden regulativen Drucks in den Bereichen Klimaschutz, Biodiversität und Plastikmüll weiter verbreiten.
Insbesondere in der Bau- und Immobilienbranche gewinnt die Kreislaufwirtschaft an Bedeutung, da immer mehr Unternehmen und Regierungen Nachhaltigkeit bei ihren Infrastrukturprojekten fordern. Auch der Versicherungs- und Finanzsektor wird eine wichtige Rolle in der Kreislaufwirtschaft spielen. Technische Enabler für die Kreislaufwirtschaft sind unter anderem Software zur Produktverantwortung oder Umweltbewertung, Abfallmanagement-Plattformen sowie Online-Marktplätze für Abfälle und Wertstoffe.
Natürliche Ressourcen überwachen und schützen: Technologiehersteller können ihre Kunden bei der Erhaltung der Biodiversität unterstützen, indem sie neue Technologien wie Blockchain und bewährte Plattformen wie geografische Informationssysteme (GIS) nutzen.
Beispielsweise kann die Biodiversität mit Drohnen überwacht werden. Diese können Daten sammeln und dabei helfen, Artenvielfalt oder Einschnitte in die Biodiversität zu ermitteln. In Kombination mit Satelliten- und Drittanbieterinformationen lassen sich diese Daten nutzen, um trockene und feuchte Flächen oder Lebensräume und Wildtierpopulationen zu untersuchen.
Mit Hilfe von Analysen können auch die Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt ermittelt werden. Der breite Einsatz von Drohnen für die Bewertung von Auswirkungen auf die Biodiversität wird jedoch aufgrund verschiedener Hindernisse noch sechs bis acht Jahre dauern. Die Integration von Biodiversitätskarten und die Validierung von Luftbilddaten und Daten von Drittanbietern verzögern die Einführung.
Technologien, die Zukunft machen
Der Emerging Tech Impact Radar erfasst 29 Technologien und Trends, die in den nächsten ein bis sechs Jahren für die Nachhaltigkeit in verschiedenen Branchen wichtig werden. Naturgemäß beschäftigen sich viele davon mit disruptiven Techniken der Energieerzeugung und Energieeffizienz, wie zum Beispiel Energiegewinnung aus Vibration, Bewegung und Wärme, Batteriespeicher oder Wasserstoffzellen. Es geht aber vor allem auch um das Sammeln, Verwalten und Klassifizieren von Daten, also um klassische IT-Aufgaben.
In jedem Fall zeigen die verschiedenen Trends und Technologien, dass Partnerschaften - auch branchenübergreifend - sehr wichtig sein werden, um sie auf den Weg zu bringen. Dies verdeutlicht beispielsweise der Einsatz von Blockchain in der Landwirtschaft, der nur funktionieren kann, wenn verschiedene Akteure zusammenarbeiten.
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Der Emerging Tech Impact Radar veranschaulicht, dass das Spektrum an Lösungen für die mächtige Zukunftsanforderung der Nachhaltigkeit breiter wird. Das muss es auch, denn die Herausforderung ist gewaltig. Enorm sind aber auch die Chancen, die der Wandel für Tech-Unternehmen bietet, wenn sie sich frühzeitig darauf einstellen. (bw)