Chipkrieg zwischen USA und China

Supply Chains globaler Unternehmen geraten unter Druck

03.01.2023
Von 
Varun Aggarwal ist APAC-Redakteur für CIO, Computerworld, CSO, InfoWorld und Network World.
Das von der Biden-Regierung verhängte Ausfuhrverbot bestimmter Chiptechnologien nach China, unterbricht die Lieferketten von Unternehmen in aller Welt – auch wenn es primär auf die militärische und industrielle Nutzung Chinas abziel
Die Folgen des Chipkriegs zwischen den USA und China sind für immer mehr Wirtschaftszweige spürbar.
Die Folgen des Chipkriegs zwischen den USA und China sind für immer mehr Wirtschaftszweige spürbar.
Foto: William Potter - shutterstock.com

Während der Handelskrieg zwischen den USA und China eskaliert und die Regierung von US-Präsident Joe Biden weitreichende Beschränkungen für die Ausfuhr von Chiptechnologie erlässt, spüren in der Folge Unternehmen verschiedener Wirtschaftszweige weltweit die Auswirkungen des Konflikts. Zumal die neuen Handelsregeln nicht nur Computerausrüstung, sondern auch viele Konsumgüter betreffen, die auf entsprechender Halbleitertechnologie basieren. Für Experten signalisieren sie auch das Ende der Ära der immer weiter fortschreitenden Globalisierung.

Ende der Globalisierung?

So kommt Alex Capri, Research Fellow bei der Hinrich Foundation, einer Forschungsorganisation für globalen Handel, zu dem Schluss: "Die Zeiten einer vollständig rationalisierten globalen Wertschöpfungskette sind für alle strategischen Güter vorbei, nicht nur für Halbleiter, sondern für alles, was strategisch ist". Unternehmen aller Art müssten deshalb ihre Lieferketten analysieren, um festzustellen, inwieweit sie davon betroffen sein könnten.

Die US-Sanktionen

Anfang Oktober erließ die Biden-Administration neue Exportkontrollen, die es US-Unternehmen untersagen, fortschrittliche Halbleiter sowie die zu ihrer Herstellung verwendeten Anlagen an bestimmte chinesische Hersteller zu verkaufen, sofern diese keine Sondergenehmigung erhalten. Mitte Dezember weitete die Regierung die Beschränkungen aus, um 36 weiteren chinesischen Chipherstellern den Zugang zu US-Chiptechnologie zu verwehren, darunter auch die Yangtze Memory Technologies Corporation (YMTC), der weltweit größte Auftragsfertiger von Chips.

Wichtig dabei ist, dass die Exportkontrollen auch Beschränkungen für Halbleiter umfassen, die im Bereich der Künstlichen Intelligenz eingesetzt werden, etwa GPUs (Graphical Processing Units), TPUs (Tensor Processing Units) und andere fortschrittliche ASICs (Application Specific Integrated Circuits). Erklärtes Ziel der Beschränkungen ist es, China den Zugang zu fortschrittlicher Technologie für die militärische Modernisierung und weitere Einsatzgebiete zu verwehren.

US-Chip-Exportregeln zeigen bereits Wirkung

Die Beschränkungen treffen nicht nur US-Chiphersteller, sondern auch zahlreiche andere Unternehmen.
Die Beschränkungen treffen nicht nur US-Chiphersteller, sondern auch zahlreiche andere Unternehmen.
Foto: FabrikaSimf - shutterstock.com

die Exportbeschränkungen zeigen bereits Wirkung. So plante Apple beispielsweise für den Flash-Speicher des iPhone 14 mit YMTC zusammenzuarbeiten. Apple hatte bereits ein monatelanges Verfahren zur Zertifizierung des Unternehmens als Zulieferer abgeschlossen, bevor die Regierung Biden ihre Offensive gegen chinesische Chiphersteller startete. Auch andere großen Unternehmen, wie etwa Nvidia und AMD, die Grafikprozessoren herstellen und mit chinesischen Unternehmen zusammenarbeiten, sind unmittelbar von den Beschränkungen betroffen. Ebenso andere Chiphersteller, da die Vorschriften für eine Reihe von Halbleitern gelten, die bestimmte Leistungsspezifikationen überschreiten.

Auswirkungen auf Nicht-US-Unternehmen

Doch nicht nur die US-Chiphersteller sind direkt von den Beschränkungen betroffen. Die neuen Vorschriften verbieten US-Unternehmen auch den Handel mit Nicht-US-Unternehmen, sofern diese beschränkte Technologie nach China exportieren. So kann etwa der niederländische Halbleiterausrüster ASML einen seiner größten Märkte nicht mehr bedienen. Auch das britische Chipdesign-Unternehmen ARM hat kürzlich angekündigt, dass es seine Hochleistungs-Chiptechnologie nicht nach China verkaufen wird.

Auswirkungen auf China

Dies hat zur Folge, dass eine Reihe führender chinesischer Technologieanbieter wie der E-Commerce-Riese Alibaba, das Internet-Dienstleistungsunternehmen Baidu, das Netzausrüster Huawei und die KI-Firmen SenseTime und Megvii Schwierigkeiten haben werden, fortschrittliche Chips für ihre KI zu beschaffen, erklärtJosep Bori, Forschungsdirektor für thematische Intelligenz beim Analyse- und Beratungsunternehmen GlobalData. Laut Bori werden die Unternehmen nicht mehr in der Lage sein, entsprechende Chips von Nvidia oder AMD zu kaufen. Chinesische Anbieter von KI-Chips wie HiSilicon, Cambricon, Horizon Robotics oder Biren Technology könnten nicht in die Bresche springen und eigene KI-Chips herstellen, da Unternehmenwie Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) ebenfalls das US-Verbot befolgen würden und chinesische Chipbauer noch nicht in der Lage wären, kleinere Strukturen als 14 Nanometer herzustellen.

Rückzug aus China

In der Zwischenzeit haben nicht-chinesische Unternehmen damit begonnen, Fertigungskapazitäten aus China zu verlagern: TSMC hat Produktionsstätten in den USA und Europa errichtet, und der größte Apple-Zulieferer Foxconn versucht, seine iPhone-Fertigung in Indien zu erweitern. Der Bau solcher Fabriken dauert jedoch mehrere Jahre, und in der Zwischenzeit wird es nach Ansicht von Experten zu Unterbrechungen, Engpässen und Unsicherheiten in den globalen Lieferketten kommen.

So erwartet etwa Pareekh Jain, CEO von Pareekh Consulting, dass die Sanktionen dazu führen, langfristig die lokale Chipherstellung in Indien, Vietnam, Malaysia, Singapur und weiteren Ländern zu beschleunigen. Darüber hinaus würden andere Länder, darunter Indien, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Japan und sogar Australien, Anreize setzen, um Investitionen in die Halbleiterindustrie zu fördern. Insgesamt dürften die Handelsbeschränkungen zu langfristigen Veränderungen in der weltweiten Produktion und im Handel führen. Consultant Jain ist etwa überzeugt: "Diese Sanktionen werden mehr Investitionen in die Produktion von Telefonen, Autos, Elektronik, anderen Haushaltsgeräten, Maschinen, TK-Ausrüstung etc. außerhalb Chinas, einschließlich Indien, Vietnam und anderen Ländern, fördern."

CIOs müssen Lieferketten neu bewerten

Auch wenn die meisten Unternehmen nicht direkt mit chinesischen Unternehmen zu tun haben, die von dem Verbot betroffen sind, bedeutet der weite Geltungsbereich des Verbots, dass sie ihre gesamte Technologie-Lieferkette gründlich auf mögliche Verknüpfungen überprüfen müssen. So warnt Forschungsdirektor Bori von GlobalData: "Ich denke, ein CIO, dessen Unternehmen an KI-Projekten arbeitet - sei es, um Produktionslinien zu automatisieren oder um Kunden automatische Unterstützung zu bieten oder was auch immer - sollte seine Zulieferer sorgfältig prüfen." Komme ein Zulieferer aus China, so Bori weiter, könne es zu Störungen kommen. Das könne bereits der Fall sein, wenn etwa die die Alibaba-Cloud für KI-Trainings-Workloads genutzt werde, oder ein Unternehmen KI-Beschleunigerchips von Horizon Robotics beziehe.

Unabhängig davon, ob ein Unternehmen an entsprechenden KI-Projekten arbeitet oder diese plant, rät Foong King Yew, Analyst bei Third Eye Advisory in Singapur, angesichts der unbeständigen Liefersituation ein Programm zur Sicherung der Lieferkette zu erstellen. "CIOs müssen ihre Kriterien für die Auswahl von Anbietern unter dem Gesichtspunkt der Ausfallsicherheit der Lieferkette neu bewerten", so Foong weiter, "das heißt, sie müssen prüfen, inwieweit sie dem Problem der chinesischen Halbleiterchips ausgesetzt sind. Sie müssen potenzielle Schwachstellen in High-Tech-Projekten wie Enterprise High Performance Computing etc. identifizieren und die Fähigkeiten der Anbieter im Hinblick auf künftige Upgrades, Technologie-Roadmap und Support-Fähigkeiten bewerten." Dabei gelte es auch zu prüfen, inwieweit eine Verwendung älterer Chips durch den Zulieferer die technische Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens beeinträchtige.