IT-Freiberufler-Verträge

Streng geheim: Vertraulichkeitsvereinbarung brisant

15.10.2014
Von 
Rechtsanwältin für IT-Verträge in Siegen.
IT-Freelancer-Verträge enthalten nicht selten umfangreiche Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitsvereinbarungen. Vorsicht bei Geheimhaltungsverpflichtung, meint Rechtsanwältin Julia Gertz.

"Vertrauliche Informationen sind heutzutage tatsächlich der Ursprung eines jeden großen Vermögens." Diesen Satz legte Oscar Wilde im Jahr 1894 seiner Figur Sir Robert Chiltern in den Mund und er gilt auch heute noch.Vertrauliche Informationen sind wertvoll und werden geschützt. Die meisten IT-Freelancer-Verträge enthalten aus diesem Grund auch umfangreiche Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitsvereinbarungen. Kein Problem,denken Sie jetzt vielleicht, natürlich halte ich Geheimes geheim. Ich verkaufe doch keine Kundendaten oder sonstige Betriebsgeheimnisse des Kunden! Solche offensichtlichen Verstöße - die übrigens auch strafbar wären - müssen es aber gar nicht sein, manchmal reichen schon Kleinigkeiten, um die Geheimhaltungsverpflichtung zu verletzen.

Einer meiner Mandanten war beispielsweise kürzlich mit folgender Situation konfrontiert: Er arbeitet über einen Vermittler bei einem großen Unternehmen. Der Vermittler zeichnet sich leider nicht durch übersteigerte Zahlungsmoral aus, die Rechnungen des Freelancers werden regelmäßig verspätet bezahlt. Da er aufgrund der bekannten Vermittlerpleiten Sorge hat, auf einem größeren Zahlungsausfall sitzen zu bleiben, denkt er daran, seine Leistung zurückzuhalten, bis die Rechnung bezahlt ist.

Natürlich will er seinen Kunden entsprechend warnen und entschließt sich, eine E-Mail an den Vermittler zu schicken, indem er auf den Zahlungsverzug hinweist. Die Projektverantwortlichen des Kunden setzt er in cc. Die Rechnung wird auch tatsächlich bezahlt, allerdings erhält der Freelancer postwendend zusätzlich ein geharnischtes Schreiben aus der Rechtsabteilung des Vermittlers, in dem ihm die Verletzung der Geheimhaltungsvereinbarung zur Last gelegt, eine Abmahnung mit Unterlassungserklärung sowie außerdem die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe von 25.000 Euro gefordert wird.

Verpflichtungen genau lesen

Viel Lärm um nichts? Nicht unbedingt. Grundsätzlich hat jeder Vertragspartner die Pflicht, Informationen der anderen Seite geheim zu halten, die dieser bei Bekanntwerden schaden könnte. Dazu wird keine gesonderte Geheimhaltungsvereinbarung benötigt, diese Pflicht besteht sowieso als so genannte vertragliche Nebenpflicht. Das betrifft im Kern natürlich Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Kundendaten usw. Darüber hinaus kann jedoch in einer Geheimhaltungsvereinbarung geregelt sein, dass Sie nicht über den Inhalt Ihres Vertrages oder den Inhalt Ihrer Tätigkeit beim Kunden sprechen dürfen.

Sie sind als Freelancer tätig? Dann sollten Sie genau wissen, welchen Verpflichtungen zur Geheimhaltung Sie unterliegen!
Sie sind als Freelancer tätig? Dann sollten Sie genau wissen, welchen Verpflichtungen zur Geheimhaltung Sie unterliegen!
Foto: thinglass - Fotolia.com

Diese Verpflichtungen sind meist stark verklausuliert, so dass Sie hier genau lesen sollten. Es kann sonst schnell passieren, dass Sie bereits Ihre vertraglichen Pflichten verletzen, indem Sie mit Ihren Kollegen über Ihre Stundensätze oder die Zahlungsziele sprechen, versehentlich eine E-Mail an den falschen Verteiler schicken oder nach Abschluss des Projekts Ihre Arbeit als Referenz zu detailliert auf XING oder einer anderen Akquiseplattform darstellen. Auch versehentlich irgendwo liegen gelassene Unterlagen oder Ihr Smartphone können zu einer Verletzung der Vertraulichkeit führen.

Haben Sie tatsächlich die vertragliche Geheimhaltungspflicht verletzt, hat Ihr Vertragspartner (Vermittler oder Kunde) grundsätzlich Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Das sind in erster Linie alle finanziellen Ansprüche, wie sie beispielsweise entstehen, falls der Kunde das Projekt vorzeitig kündigt und die Leistung dann teurer einkauft, Wettbewerbsnachteile des Kunden, Vertrauens- oder Imageverluste etc.

Außerdem ist eine solche Vertragspflichtverletzung abmahnfähig. Das bedeutet, Sie können eine Abmah nung erhalten und zur Abgabe einer "strafbewehrten Unterlassungserklärung" aufgefordert werden. Die Anwaltskosten dafür tragen ebenfalls Sie. Dies alles setzt keine absichtliche oder bewusste Verletzung der Geheimhaltung voraus, bloße Fahrlässigkeit reicht dafür aus. Haben Sie eine Vertragsstrafe für derartige Verstöße vereinbart, wird diese durch den bloßen Verstoß in voller Höhe fällig. Bei einer Vertragsstrafe kommt es gerade nicht mehr auf den tatsächlich entstandenen Schaden an.

Sensibilität und eine Betriebshaftpflicht

Wie können Sie sich vor einem solchen Horrorszenario schützen? Der beste Schutz ist eine gewisse Sensibilität gegenüber Handlungen, die bei Ihrem Vertragspartner als Vertragsverstoß angesehen werden könnte. Zusätzlich schadet eine Betriebshaftpflichtversicherung nicht, die allerdings nicht automatisch Verstöße gegen Vertraulichkeitsvereinbarungen abdeckt. Sehen Sie am besten gleicht einmal nach: Sind "vertragliche Nebenpflichten" oder explizit "Geheimhaltungsverstöße" mitversichert, sieht es beim Schadenersatz schon einmal gut aus. Vertragsstrafen hingegen sind in den allermeisten Versicherungen vom Versicherungsschutz ausgenommen. Sie können zusätzlich versichert werden. Das ist dann sinnvoll, wenn Sie in Ihren Verträgen hohe Vertragsstrafen akzeptieren müssen. Was die Referenzen angeht, sollten Sie sich bereits im Vertrag das Recht vorbehalten, in allgemeiner Form Ihr Projekt und die Tätigkeitsbeschreibung für die weitere Akquise nutzen zu können. Ansonsten fragen Sie im Zweifel bei Ihrem Vertragspartner nach, welche Angaben er als kritisch ansieht.

Und was wurde aus der Vertragsstrafe, mit der sich mein Mandant konfrontiert sah? Der Vermittler begnügte sich letztendlich mit einer schriftlichen Erklärung, die auch dem Kunden zugeleitet wurde, es habe Missverständnisse gegeben und der Freelancer bedaure, den Kunden in diese interne Angelegenheit involviert zu haben. Die Unterlassungserklärung wurde nicht mehr verlangt, auch die Vertragsstrafe musste nicht bezahlt werden. Oscar Wilde würde dazu sagen: "Ich habe gelernt, dass nicht was ich tue, falsch ist, sondern das, was infolge meines Handelns aus mir wird."

Der Text stammt aus dem IT-Freelancer-Magazin.