Zwischen IT-Freelancern und Kunden

Strategien für IT-Personaldienstleister

07.11.2018
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Der Fachkräftemangel ist ein zweischneidiges Schwert: Er beflügelt das Geschäft der Personalberater und treibt gleichzeitig ihre Transformation voran. Die Sorge: Zwischen Algorithmen und Persönlichkeit bleibt in Zukunft nicht viel Platz.

Die Knappheit, die Verlässlichkeit, die Geschwindigkeit und die Planbarkeit sind vier "Grand Challenges" aller Personaldienstleister, die IT-Freiberufler an Unternehmen vermitteln. Zwar steigt die Nachfrage nach Freelancern scheinbar unaufhaltsam weiter, doch gehen damit auch schwierige Herausforderungen der Branche einher. Strategische Veränderungen sind die logische Folge des Drucks, um auf die Trends im Markt zu reagieren. Dabei gibt es zwei klare Tendenzen: näher ran an den Kunden oder näher ran an den Freiberufler. Im Idealfall klappt beides.

Im Rahmen einer Round-Table-Diskussion der COMPUTERWOCHE diskutierten Vertreter der Branche über Strategien, um die Anforderungen von Freiberuflern und Kunden unter einen Hut zu bringen. Ein Treiber sind Algorithmen und Plattformen, durch die viele manuelle Tätigkeiten kurz vor der Ablösung durch Künstliche Intelligenz (KI) stehen, etwa im Matching von Kandidaten und Anforderungen. "Software wird die Branche stark verändern", so der Tenor unter den Experten. Im Vordergrund der Diskussion standen daher Lösungsstrategien für die Markttrends.

1. Der richtige Leistungsmix

Das One-Trick-Pony tut sich als Personaldienstleister zunehmend schwer: "Unsere Antwort auf Veränderungen ist ein ausbalanciertes Angebot", sagt Kai Becker, Bereichsleiter Public Services IT-Contracting bei Hays. Zwar müsse man einige Skills mit der Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) besetzen, weil sie stark integriert und weisungsbezogen sind. Hierzu zählen etwa Administratoren oder Support-Mitarbeiter.

"Wenn man sich aber die Metatrends ansieht - längere Erwerbszeiten im Leben, größere Flexibilität, Digitalisierung -, wird es immer auf Freiberufler hinauslaufen", argumentiert Becker. Ein vorrangiges Ziel der mehrgleisigen Strategie sei es für Hays, den großen Markt der Freelancer zu sichern. "Das Freelancing ist schützenswert und ein wichtiger Zukunftsmarkt."

Kai Becker, Hays: "Wenn man sich aber die Metatrends ansieht - längere Erwerbszeiten im Leben, größere Flexibilität, Digitalisierung -, wird es immer auf Freiberufler hinauslaufen-"
Kai Becker, Hays: "Wenn man sich aber die Metatrends ansieht - längere Erwerbszeiten im Leben, größere Flexibilität, Digitalisierung -, wird es immer auf Freiberufler hinauslaufen-"
Foto: Michaela Handrek-Rehle

"Wenn alle Freiberufler die Arbeit einstellen, steht das Land still", ergänzt Attilio Berni, der bei Harvey Nash für das Geschäft mit Freiberuflern und Recruitment Solutions verantwortlich ist. Schließlich hätte sich sehr viel Know-how bei den Freelancern gebildet, umfassende Projekterfahrungen sowie die Flexibilität, sich schnell in neuen Umgebungen zurechtzufinden. "Ich gehe zwar auch davon aus", so Berni, "dass die AÜ zunehmen wird, aber den Contracting-Bereich wird sie nicht überholen." Hinzu kommt das Geschäft mit Workpackages, das sich allmählich entwickelt. "Wir haben Kunden und Kandidaten, die für Werkverträge offen sind, aber wir müssen dafür intensiv kommunizieren." Voraussetzung sei zudem ein sauber definiertes Workpackage. Auch dieses Modell werde laut Berni klassische Freiberufler nicht ersetzen, aber ergänzen: "Auf die Mischung kommt es an."

Seltene Kompetenzen werde man heute schwierig in die ÄÜ bekommen, argumentiert Experis-Geschäftsführerin Pierer: "Tagessätze zwischen 500 und 2.500 Euro zeigen den gewaltigen Spielraum im Markt auf. Es ist ein Umdenken von allen Seiten gefordert. Wir können auf Kunden- wie auf Freelancer-Seite gerne beratend zur Seite stehen."

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2. Enger an die Kunden heran

"Die Kunden sind heutzutage Kummer gewohnt, sie kommen auch mit einem Good Fit zurecht", berichtet Q_PERIOR-Manager Michael Girke. Er habe sogar schon Bestellungen bekommen, ohne dass Kunde und Kandidat ein Interview gemacht hätten. Matching als Commodity? "Die Tendenz ist erkennbar, aber die Algorithmen sind nach wie vor nicht gut genug für den Fit." Als Ergänzung zu diesen automatisierbaren Aufgaben versuchen Personaldienstleister, die Wertschöpfungskette hinaufzuklettern und ihre Kompetenzen als integrierte Berater für IT-Ressourcen zu stärken. Ein Modell: Q_PERIOR ist eine IT-Beratung, die das Staffing-Geschäft zuerst für die eigenen Projekte aufgezogen hat. "Allerdings ist nicht jeder geeignet, diesen Sprung zu machen", prognostiziert Girke, "denn es ist sehr selten, dass sich klassische Recruiter auch inhaltlich auf Augenhöhe mit dem Kunden unterhalten können."

Sonja Pierer, Experis; "Wir müssen als Personaldienstleister lernen, strategische Gespräche mit Kunden zu führen, um ihre langfristigen Anforderungen früh zu erfahren und proaktiv zu lösen."
Sonja Pierer, Experis; "Wir müssen als Personaldienstleister lernen, strategische Gespräche mit Kunden zu führen, um ihre langfristigen Anforderungen früh zu erfahren und proaktiv zu lösen."
Foto: Michaela Handrek-Rehle

Auch Sonja Pierer, Geschäftsführerin von Experis, will diesen Weg beschreiten - schließlich war die Informatikerin lange Zeit auf der anderen Seite tätig. "Wir müssen als Personaldienstleister lernen, strategische Gespräche mit Kunden zu führen, um ihre langfristigen Anforderungen früh zu erfahren und proaktiv zu lösen." Dadurch hätten Kunden und Freelancer eine langfristige Planung, und es könnte Tempo aus den heutigen Abläufen für die Besetzung herausgenommen werden. Zu dem Schritt zählt die Entscheidung, das Geschäft mit Werkverträgen und Beratungsleistungen zu intensivieren - sowohl in Bezug auf Personal als auch IT. "Was Accenture für Konzerne macht, müssten wir für KMUs auch hinkriegen." Allerdings ist sich Pierer ebenfalls bewusst, dass dies noch ein langer Weg ist. Im Großen und Ganzen, so der Tenor der Diskutanten, fehle den Personaldienstleistern derzeit noch der "Stallgeruch der IT".

3. Näher an die Experten heran

Früher war der Vertragsabschluss für ein Projekt das Ende der Wertschöpfungskette, einen Monat vor der Verlängerung hat man sich wieder beim Kandidaten gemeldet. "Die Beziehung vertiefen wir, um einen konstanten Dialog zu etablieren", sagt Kai Becker, Bereichsleiter Public Services IT-Contracting bei Hays. Der Konzern trennt inzwischen in Search, die Suche nach dem richtigen Kandidaten, und in Care, die Betreuung im Projekt und darüber hinaus. Bei anderen Dienstleistern heißt das Vorgehen "Engagement-Management" (Q_PERIOR) oder "Contractor Care" (Harvey Nash). Ziel ist es, den Kontakt zum Freiberufler zu vertiefen und die Beziehung verbindlicher zu gestalten.

Grundlage dieser Nähe zum Freelancer ist der persönliche Kontakt. "Das ist Headcount-intensiv, das kostet Geld", berichtet Becker. Zur Präsenz vor Ort zählt auch der Eiswagen vor einem Einsatzunternehmen als Goodie für die Freelancer. Dienstleister müssten sich etwas einfallen lassen, um das Netzwerk und den direkten Draht zu den Kandidaten zu knüpfen. Höhere Geschwindigkeit, sanftere Prozesse und "das Versprechen, ein Anschlussprojekt zu bekommen - das ist für Freelancer selbst in der aktuellen Marktsituation sehr wichtig".

4. Den Markt öffnen

Einhellige Meinung der Experten: "Die Knappheit könnte man lindern, indem man Englisch als Projektsprache wählt", sagt Attilio Berni von Harvey Nash. Schließlich gebe es viele sehr gute ausgebildete Kandidaten im Ausland. "Wenn die aber nicht Deutsch sprechen, haben sie keine Chance, einen Fuß in den Markt zu setzen." Und auch wenn die Projektsprache Englisch sei, würden viele Unternehmen immer noch Deutsch als Pflichtsprache von den Kandidaten fordern und sich so wertvolle Ressourcen verbauen. Daher fordert Michael Girke von Q_PERIOR ein Umdenken: "Als IT-Chef eines Unternehmens muss ich ernsthaft prüfen, ob ich meine Projekte auf Englisch umstellen kann, um mittelfristig lieferfähig zu sein."

Kai Becker von Hays, der viele Jahre in Skandinavien gearbeitet hat, hält indes den Ball flach: "Selbst in Nordeuropa, wo viele Fachkräfte ein hervorragendes Englisch sprechen, ist der Rückfall in die Muttersprache das gleiche Phänomen wie in Deutschland." Dabei sei Englisch als Weltsprache der kleinste gemeinsame Nenner. Der aktuelle Global Skill Index MINT von Hays zeige jedoch, dass die Kandidatenknappheit in Deutschland weiter stark zugenommen habe. Seine Vermutung: "Wir werden das Problem der fehlenden Ressourcen mit Ausbildungsmaßnahmen allein nicht lösen können."

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