Trotz der jüngsten Erfolge in Sachen Quantum-Computing - IBM und Atom Computing knackten mit ihren Quantenprozessoren die 1000-Qubit-Marke - steckt die Quanteninformatik noch immer in den Kinderschuhen. Denn bislang fehlt eine entsprechende Fehlerkorrektur, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Berechnungen zu gewährleisten. Denn Qubits sind empfindlicher als die klassischen Bits in Siliziumchips.
Anwender experimentieren noch
Deshalb, so Yoram Avidan, CTO des Innovation Lab der Citigroup und globaler Leiter des Citi Accelerator. "ist die Fehlerkorrektur für Unternehmensanwender von Quantencomputern unerlässlich, um die Genauigkeit der Quantenberechnungen zu gewährleisten". Fähigkeiten zur Fehlerkorrektur seien entscheidend, um stabile, vorhersagbare und genaue quantenbasierte Lösungen zu ermöglichen, insbesondere im Zusammenhang mit den Finanzanwendungen einer Bank, ergänzt Avidan.
D-Day für das Quanten-Computing
Solange dies noch nicht der Fall ist, experimentiert die Citigroup wie zahlreiche andere Unternehmen nur mit den vorhandenen Quantencomputern und nutzt Quantensimulatoren, um auf den Tag X vorbereitet zu sein. Und dieser Tag könnte näher sein als erwartet, da in den letzten Monaten mehrere Durchbrüche bei der Fehlerkorrektur erzielt wurden. Einige davon stehen sogar kurz vor der Markteinführung.
So hat etwa das kanadische Startup Nord Quantique einen Weg gefunden, die Zuverlässigkeit eines einzelnen physikalischen Qubits um 14 Prozent verbessern. Damit verringert sich die Anzahl der für ein logisches Qubit erforderlichen Gesamt-Qubits. In zwei Jahren will Julien Camirand Lemyre, Präsident und CTO des Unternehmens, ein komplettes Quantencomputersystem bauen. 2028 soll dann ein Produkt zur Verfügung stehen, das Kunden kaufen können.
100 logische Qubits
Laut Lemyre wird der Quantencomputer von Nord Quantique bei seiner Markteinführung mindestens 100 logische Qubits haben. Normalerweise braucht man 1.000 physische Qubits oder mehr, um ein einziges nutzbares logisches Qubit zu erhalten. Hier sei zum Vergleich nochmal an IBMs QPU Condorerinnert, die 1.121 physikalische Qubits besitzt. Zudem experimentiert IBM an einem eigenen Ansatz zur Fehlerkorrektur.
Allerdings behauptet Nord Quantique, dass die eigene Fehlerkorrektur effektiver sei als einige der Konkurrenz. Zudem arbeite das System mit Taktfrequenzen im Megahertz-Bereich und sei so 100 bis 1.000 Mal schneller als einige Konkurrenzsysteme.
Photonen treffen Qubit
Die von Nord Quantique verwendete Korrekturmethode basiert darauf, dass Photonen mit einem physischen Qubit verknüpft werden und so für Redundanz sorgen - also zu einer besseren Fehlerkorrektur führen. Ein Ansatz, der besonders gut zu Quantencomputern passt, die auf supraleitenden Schaltkreisen basieren. Theoretisch kann er aber auch auf andere Arten von Quantencomputern angewendet werden.
Einen dieser anderen Quantencomputer baut QuEra. Dort verwendet man neutrale Atome anstelle von supraleitenden Schaltkreisen. Und will kürzlich ebenfalls einen Durchbruch in Sachen Fehlerkorrektur erreicht haben. "Bei einigen unserer Experimente brauchten wir nur acht physikalische Qubits, um ein logisches Qubit zu erzeugen", verkündet Yuval Boger, der CMO des Unternehmens.
Transversale Gatter
Noch in diesem Jahr will die Company einen kommerziellen Quantencomputer mit zehn logischen Qubits anbieten, der einen neuen Fehlerkorrekturmechanismus nutzt. Dieser basiere auf transversalen Gattern, die die Fehlerfortpflanzung zwischen den Qubits verhinderen sollen. Auf diese Weise lasse sich die Fehlerrate reduzieren.
Bereits 2025 geht QuEra mit einem weiteren neuen Fehlerkorrekturmechanismus an den Start: die magische Zustandsdestillation. Mit ihrer Hilfe soll ein Quantencomputer mit 30 logischen Qubits entstehen.
Dabei ermöglicht die magische Zustandsdestillation eine größere Vielfalt an Gattern. Dies gilt als entscheidender Schritt zum Bau universeller Quantencomputer anstelle der heutigen Spezialcomputer.
Quanten-Überlegenheit 2026?
Für 2026 zeigt die Roadmap des Unternehmens einen Computer mit 100 logischen Qubits. Damit wäre er leistungsfähiger als klassische Computer - das Stadium der Quantum Supremacy wäre erreicht.
Mit Alice & Bob kündigte Anfang des Jahres ein weiteres Quantencomputer-Startup eine neue Architektur zur Fehlerkorrektur an. Wie bei Nord Quantique werden hierzu Photonen genutzt.
Zudem kommt Software zum Einsatz, nämlich ein Paritätsprüfungscode niedriger Dichte. IBM experimentiert ebenfalls mit diesem Ansatz in seinen Quantencomputern, ebenso andere Unternehmen.
Katzen-Qubits
Der Clou des Korrekturverfahrens von Alice & Bob sind jedoch die Katzen-Qubits. Benannt nach der Schrödinger-Katze sollen sie die Anzahl der Dimensionen reduzieren, aus denen das Rauschen kommt.
Normalerweise, so Théau Peronnin, CEO von Alice &Bob, können Qubits - wie normale Bits - von Null auf Eins umschalten, auch wenn sie das nicht sollen. Sie können auch ihre Phase verschieben. Die Fehlerkorrekturtechnik für Katzen-Qubits von Alice und Bob schließt die Möglichkeit des Wechsels von einer Null zu einer Eins fast vollständig aus. "Dadurch verschlechtern wir die Leistung bei der Phasenverschiebung, aber nur geringfügig", erklärt Peronnin die Details.
200mal effizienter
Unter dem Strich sei dieser Ansatz schneller als die QuEra-Methode. Gleichzeitig habe man die Gesamtzahl der physischen Qubits, die für ein logisches Qubit erforderlich sind, um den Faktor 200 verringern können. So bräuchte Googles Quantencomputer etwa 20 Millionen Qubits, um den verschlüsselungsbrechenden Shor-Algorithmus auszuführen "Wir dagegen würden etwas weniger als 100.000 Quantenbits benötigen", betont Peronnin die Leistungsfähigkeit des eigenen Konzepts.
Noch ist dies allerdings graue Theorie, denn einen kommerziell erhältlichen Computer gibt es noch nicht. Aber er soll in den nächsten Monaten bei einem der drei großen Cloud-Anbieter verfügbar sein.