Operativ intelligent oder einfach nur digital

Sprechen Sie schon IT/OT?

Kommentar  29.05.2019
Von 
Wafa Moussavi-Amin ist Analyst und Geschäftsführer bei IDC in Frankfurt. In seiner Funktion als Geschäftsführer verantwortet Wafa Moussavi-Amin seit Oktober 2004 die Strategie und Geschäftsentwicklung der International Data Corporation (IDC) in Deutschland und der Schweiz, seit 2013 zeichnet er zudem verantwortlich für die Region Benelux.
Warum IT/OT-Konvergenz viel mehr bedeutet als Technologieeinsatz und welche Rolle die traditionellen Anbieter dabei spielen, lesen Sie hier.

Digital-Ready-Technologien im weitesten Sinne haben in vielen Bereichen der Arbeitswelt und des Betriebsumfeldes enorm an Bedeutung gewonnen. Wenn Organisationen heute zögerlich sind und die Vorteile dieser Technologien nicht greifen können, dann liegt das vielleicht auch daran, dass die Kommunikation um den Wert der IT/OT-Integration es nicht vermag, die entsprechenden Handlungsimpulse zu geben. Auch wenn die Technologie bereits eingesetzt wird, könnte sie in vielen Fällen sicher deutlich wertschöpfender genutzt werden.

Ziel einer IT/OT-Konvergenz sollte es sein, unternehmerische Herausforderungen zu lösen, gleichzeitig aber auch die Digitalisierung voranzutreiben.
Ziel einer IT/OT-Konvergenz sollte es sein, unternehmerische Herausforderungen zu lösen, gleichzeitig aber auch die Digitalisierung voranzutreiben.
Foto: industryviews - shutterstock.com

"Top Floor versus Shop Floor" und andere Klischees

Betrachten wir das Ganze doch mal aus der Vogelperspektive und denken vielleicht über zwei Aspekte nach, die IDC als kritisch betrachtet.

1. Viele der traditionellen IT-Anbieter sind mit dafür verantwortlich, dass gewisse „IT/OT-Klischees“ weiterhin kultiviert werden

Dieser Umstand wirkt sich direkt auf die Digitalisierungs-(DX)-Bemühungen im Zusammenhang mit der "physischen Seite" des Unternehmens aus. Interessanterweise sind es aber oftmals auch genau diese Anbieter, die am lautesten den messbaren Nutzen der IT/OT-Konvergenz predigen. Selbstverständlich spreche ich hier nicht von allen traditionellen IT-Anbietern. Einige wenige haben ein sehr klares Verständnis davon, worum es geht, und nein, ich werde hier keine Namen nennen. Alle IT-Anbieter sehen sich zudem verstärkt einem Wettbewerb ausgesetzt. Denn auch die klassischen Engineering-Dienstleister besetzten das Thema IT/OT-Konvergenz. Aus der anderen Richtung, sozusagen.

Die hier angesprochenen Klischees betreffen u.a. "Top Floor versus Shop Floor", was oft zu undifferenziert ist und der komplexen Realität der IT/OT-Konvergenz nicht gerecht wird. Ein anderes Beispiel wäre, dass OT in dieser digitalen Welt weder sicher noch zu vernetzen ist, was ebenfalls immer weniger der Realität entspricht. Tatsächlich betrachtet sich die OT-Organisation in der Eigenwahrnehmung häufig als verantwortlich für die digitale Transformation des Unternehmens.

Für IT-Organisationen ist es einfacher geworden, sich auf betriebsbezogene Lösungen zu fokussieren. Dies hat zu einem schnell wachsenden Markt für digital einsatzbereite OT-Lösungen geführt. Dieses Szenario bringt eine ganz neue Art von Herausforderungen mit sich, die adressiert werden müssen, um dem Anspruch eines wirklich konvergenten Ansatzes für IT und OT gerecht zu werden.

2. IT/OT-Konvergenz ist nicht nur ein Technologiethema, sondern betrifft den gesamten Geschäftsbetrieb einer Organisation

Das bedeutet, dass Sie - egal ob Ihre Funktion nun in der traditionellen IT-, OT- oder sogar in einer kürzlich geschaffenen IT/OT-Funktion besteht - die Technologielandschaft unter dem Aspekt der kontinuierlichen Verbesserung des Business betrachten müssen. Es reicht nicht aus, über Technologien in Form von Anwendungen oder Anwendungsfällen nachzudenken. IT/OT-Konvergenz bedeutet viel mehr als den Einsatz von Technologie innerhalb des Betriebs. Vielmehr sollte das Ziel sein, dass unternehmerische Herausforderungen gelöst werden, gleichzeitig aber die DX-Initiativen beflügelt werden. Tatsächlich muss die IT/OT-Konvergenz eine dynamische Strategie bleiben, die darauf abzielt, den gesamten Betrieb durch die effektive Abstimmung der traditionellen IT-Kapazitäten auf die wertschöpfenden Elemente im operativen Bereich zusammenzuführen.

Ein kleiner Ausblick

Während Unternehmen weiterhin intelligente und vernetzte Produkte und/oder Dienstleistungen entwickeln, projektieren und bereitstellen, wachsen die verfügbaren Daten über die Nutzung, den Service und das Design dieser Produkte exponentiell weiter. Die Masse von Daten über Produkte und Dienstleistungen schafft die Möglichkeit im Unternehmen, den Nutzen auf neue Geschäftsfelder zu übertragen.

Beispielsweise können Kennzahlen über Kundeninteraktionen, die typischerweise in der CRM-Anwendung gespeichert sind, einen Mehrwert für das Unternehmen abseits von Vertrieb und Marketing hinaus schaffen. Die neue Datenarchitektur, die sich an der Customer Experience orientiert, kann sich beispielsweise auf die Lieferkette, den Betrieb und die Produktentwicklung erstrecken. Führende Unternehmen sind heute in der Lage, einen digital intelligenten Betrieb zu realisieren, der auf der Grundlage von Kunden- und Produktdaten aufgebaut ist.

Für Unternehmen mit hohem Betriebsaufwand können die Auswirkungen der Kundenorientierung tatsächlich operative Verbesserungen bewirken, indem sie Vorgänge in der realen Betriebsumgebung erfassen und darauf reagieren. Das bedeutet, dass eine ganze Reihe neuer Informationen erfasst, verwaltet und sicher verarbeitetet werden. Während einige dieser Informationen vielleicht bereits lokal erfasst wurden, steht hier im Fokus, die Daten in einem Ökosystem verfügbar zu machen.

Es geht bei der digitalen Transformation auch immer auch um die materielle, die physische Seite des Unternehmens – und das wird vielerorts noch nicht gesehen. Dabei ist dieser Ansatz weitaus nutzbringender als die reine Verknüpfung von Assets um ihrer selbst willen. Es geht ganz klar darum, das Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes zu vernetzen und mit diesem digitalen Ansatz operative Spitzenleistungen zu erbringen. Es ist ganz allein die Zusammenführung von Daten aus der "realen“ und der "virtuellen" Welt, die eine Organisation erst wirklich operativ intelligent macht. (mb)