Wer dieses Jahr auf der Intersolar Europe war, wird den Begriff "Dunkelflaute" nicht nur einmal gehört haben. Wie "Rucksack" und "Kindergarten" hat es das Wort sogar in den englischen Sprachschatz geschafft. Gemeint sind damit die von allen Seiten gefürchteten längeren Phasen von geringer Wind- und Solarstromproduktion. An vielen Tagen wird durch Sonne und Wind ausreichend und teils sogar zu viel Strom produziert, an anderen Tagen jedoch zu wenig.
Das Problem liegt damit auf der Hand. Denn in der Industrie wie im Handel, aber auch in Rechenzentren - und nicht zuletzt im kuscheligen Eigenheim - wird durchgängig Energie benötigt, idealerweise zu günstigen Preisen. Eines der heißesten Themen auf der weltweit führenden Fachmesse für regenerative Energien war somit, wie sich die natürlichen Schwankungen von Solar- und Windenergie mit Hilfe von Energie-Zwischenspeichern neuerdings ausgleichen lassen.
Günstiger als Solarstrom geht nicht
Nicht zuletzt dank chinesischer Massenproduktion ist der Preis für Solarstrom in den letzten Jahren konkurrenzlos billig geworden. Lag der Erzeugerpreis für 1 kWh Solarstrom vor zehn Jahren noch bei rund 20 Cent, gibt es dieselbe Menge an Energie mittlerweile schon für 2 Cent. Ob Wind, Atom, Kohle oder Gas: Mit solchen Preisen kann keine andere stromerzeugende Technologie mithalten. Und so verwundert es nicht, dass der weltweite Solarstrom-Zubau in 2022 im Vergleich zum Vorjahr um satte 45 Prozent auf 239 Gigawatt gewachsen ist und bei der Gesamtleistung die Terawatt-Grenze geknackt wurde. Tendenz: rasant steigend. Taktgeber dieses Wachstums bleibt China, gefolgt von den USA. In Europa hat mittlerweile Spanien die Krone auf, wenn es um den größten Solarmarktes geht.
Die Wende von Kohle-, Gas- und Atom- hin zum Solarstrom hat auch ökologische Gründe, aber vor allem wirtschaftliche. Je schneller sich Deutschland die günstige Solarenergie zu eigen macht, desto mehr profitiert die heimische Wirtschaft von der Discount-Energie. Die größte Erfolgsbremse der Solarenergie ist allerdings weiterhin die hohe Volatilität. Die asynchronen Schwankungen der Energieproduktion und des Energieverbrauchs gilt es nun in den Griff zu bekommen. Wie sich nun auf der "The smarter E Europe" - zu der neben der Intersolar Europe noch drei weitere Fachmessen gehören - gezeigt hat, ist die Branche auf einem guten Weg.
Netzstabilität ohne Gas und Kohle
Die Gretchenfrage der Branche ist die Netzstabilität, also der Gleichklang von Energieerzeugung und Energieverbrauch, der sich nur langsam verringern oder verändern lässt. Eine Überproduktion führt teils zu negativen Preisen an der Strombörse oder zur Abschaltung von Anlagen. Um wiederum auch bei Dunkelflauten lieferfähig zu bleiben, setzen die meisten Betreiber von Wind- und Solarparks auf zusätzliche Gaskraftwerke.
Künftig sollen derartige Kraftwerke nun jedoch durch Speicher ersetzt werden. Die LEAG, größter Energieversoger der Lausitz, geht beispielsweise bereits diesen Weg bei ihren neuen Wind- und Solaranlagen. Mit Großspeichern zum Aufbau einer Speicherkapazität von 2 bis 3 Gigawattstunden (GWh) und einer 2GW-Wasserstoffproduktion will man hier den Ausgleich von Angebot und Nachfrage schaffen.
"Dunkelflauten werden bisher oft durch fossile Energieträger wie Gas- oder Kohlekraftwerke kompensiert", erklärt Alan Greenshilds, Europa-Chef des Batterieherstellers ESS Inc. Die LEAG ist nun der erste Energieversorger in Europa, der in dieser Größenordnung auf Langzeit-Energiespeicher (LDES) als Reserve-Energiespeicher setzt und zusätzlich grünen Wasserstoff produziert. "Gemeinsam bauen wir eine 50 MW/500 MWh Eisen-Redox-Flow-Batterie am Standort Boxberg, die bereits 2027 in Betrieb geht - und dabei auf günstigere und nachhaltigere Rohstoffe setzt als Lithium-Ionen-Speicher", so Greenshilds.
Die geringere Energiedichte und der damit größere Platzbedarf der Eisen-Flow-Speicher spiele bei diesem Vorzeigeprojekt keine Rolle. Auch Bromine-Flow, Natrium-Ionen und Zinkbatteriespeicher sollen zukünftig helfen, die Rohstoffknappheit bei Speichern zu verringern. Doch bis es soweit ist, führt für Solaranlagen in Eigenheimen, bei Mittelständlern oder Netzbetreibern kein Weg an konventionellen Lithium-Ionen-Speichern vorbei.
Neue Anbieter bringen Bewegung in den Markt
Matthias Mittelviefhaus, Geschäftsführer der Osnatech GmbH, eines auf Solarenergietechnik spezialisierten mittelständischen Unternehmens, kann von der gestiegenen Nachfrage ein Lied singen: "Die aktuelle Diskussion um Effizienz von Solarmodulen spielt für uns keine große Rolle mehr, denn ein kleiner Unterschied bei der Effizienz kann leicht mit etwas mehr Flächennutzung ausgeglichen werden", erklärt Mittelviefhaus.
"Einen deutlich größeren Unterschied machen die Wechselrichter und Speicher dahinter, und das wissen die Hersteller auch", so der Osnatech-Geschäftsführer weiter. "Die großen Speicheranbieter haben somit alle Trümpfe in der Hand und lassen uns das auch spüren. Nur wenige Hersteller, wie beispielsweise Sunman und Vestwoods, begegnen uns auf Augenhöhe und gehen auf unsere Wünsche und Anforderungen ein", berichtet Matthias Mittelviefhaus.
In Deutschland ist Vestwoods bislang noch eher ein unbeschriebenes Blatt. Der chinesische Spezialist für Photovoltaik-Speicher und Wechselrichter war dieses Jahr zum ersten Mal auf der Intersolar Europe, um unter anderem weitere Partner für den Marktstart in Deutschland zu finden. In anderen Märkten wie Südafrika, Indien, Japan und Korea ist der Hersteller von Speicherlösungen für den Heim-, Industrie- und Telekommunikationsbereich bereits eine bekannte Größe. Das liegt auch daran, dass Vestwoods die angebotenen Batterien, Wechselrichter und All-in-one-Lösungen selbst entwickelt und produziert.
"Dadurch können wir innerhalb weniger Wochen liefern und teils auch wie bei bekannten Netzbetreibern auf individuelle Anforderungen und Wünsche reagieren", erklärt Georg Steimel, der Vestwoods in Deutschland vertritt. Was in der Branche allerdings für mehr Furore sorgen dürfte, sind die Preise. Bei gleicher Qualität werden die Preise der zurzeit in Deutschland verfügbaren Solarspeicher deutlich unterboten. Entsprechend groß war das Interesse auf der Intersolar Europe an dem neuen Anbieter.
Investoren wittern Milliarden
Genaugenommen waren die Prognosen der Experten zur Nutzung und zum Ausbau der Solarenergie in den vergangenen zehn Jahren immer falsch. Denn letztlich wurde immer ein geringeres Wachstum vorausgesagt, als tatsächlich eintraf. Einrichtungen und Organisationen wie der europäische Verband der Solarindustrie, die SolarPower Europe, das Fraunhofer-Institut ISE, Eurelectric und die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH Aachen) bescheinigen der Solarindustrie nun einmal mehr unisono eine goldene Gegenwart und belegen dies auch mit aktuellen Studien wie dem Global Market Outlook for Solar Power.
So verwundert es nicht, dass zahlreiche Investoren an diesem Wachstum mitverdienen wollen und die kleinen und großen Projekte mit ausreichend Kapital versorgen. Einen passenden Geldgeber zu finden, ist einfacher denn je.
Beeindruckt vom allgemeinen Wachstum ist auch Markus Elsässer, Gründer und Geschäftsführer des Messeveranstalters Solar Promotion, der die Branche seit über 30 Jahren kennt. Als Veranstalter mahnt er jedoch auch eine ganzheitliche Betrachtung und Zusammenarbeit aller Akteure an - vom Hersteller über den Netzbetreiber bis hin zur Politik und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wie Dr. Herbert Diess, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Infineon Technologies AG und Gastredner auf der Auftaktpressekonferenz, hat auch Elsässer längst keine Zweifel mehr daran, dass sowohl die Verkehrs- als auch die Energiewende in Deutschland gelingt.
"Eine schnelle Digitalisierung und Flexibilisierung der Stromnetze und verbindliche, herstellerübergreifende Standards aller Markteilnehmer wären wünschenswert", betont Elsässer. Doch auch ohne Unterstützung der Politik lässt sich der Siegeszug der Solarbranche nicht mehr aufhalten. (mb)