Sie sind durchaus Idealisten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von doubleSlash. Die Idee, eine Gemeinwohlbilanz für das eigene Unternehmen zu erstellen, kam denn auch mitten aus der Belegschaft und nicht etwa vom Management oder aus der Marketing-Abteilung.
Findan Eisenhut, Senior Business Consultant in der Münchner doubleSlash-Niederlassung hatte sie auf der Innovationsplattform des Unternehmens ins Gespräch gebracht. Und rannte damit offene Türen ein: Auf der Plattform können die Beschäftigten für Themen, die das Unternehmen finanzieren und treiben soll, stimmen - oder eben nicht. Vollständig transparent. Das Thema "Gemeinwohl" genießt offenbar hohe Zustimmung unter der Belegschaft - es bekam sehr viele Stimmen.
Der Initiator selbst richtet sein persönliches Handeln seit langem sehr bewusst an Nachhaltigkeit und Menschenwürde aus. Jetzt wollte er auch dort, wo er viele Stunden seines Tages verbringt, die Dinge in diese Richtung vorantreiben: "Es geht mir darum, unser Bewusstsein für die Thematik zu schärfen. Und gemeinsam herauszufinden, was wir konkret tun können, um unserer Verantwortung gegenüber Natur und Gesellschaft gerecht zu werden."
Auch die Führungsriege unterstützte das Projekt uneingeschränkt. doubleSlash Gründer und Geschäftsführer Konrad Krafft: "Die gesellschaftliche Debatte über Nachhaltigkeit und Gemeinwohl schwappt natürlich auch in unser Unternehmen. Und es herrscht allgemeiner Konsens, dass wir als Unternehmen eine wichtige Rolle in diesem Kontext spielen. Gute, nachhaltige Software zu programmieren reicht da nicht."
Externes Audit zur Gemeinwohl-Ökonomie
Also hat sich doubleSlash einem ausführlichen externen Audit zur Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) unterzogen. Untersucht werden dabei nicht nur die ökologische Qualität der Investitionen, die Unterstützung sozial-ökologischer Projekte und wie umweltfreundlich doubleSlash seinen Energiebedarf deckt. Auch das soziale und ethische Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Geschäftspartnern und der Gesellschaft spielen eine gewichtige Rolle.
Dabei geht es unter anderem um die Eigentumsstruktur, um Mitarbeiterbeteiligung, interne Mitentscheidung und Transparenz. Aspekte zur Menschenwürde am Arbeitsplatz fließen ebenso in die Gemeinwohlbilanz ein wie die Fluktuationsrate. Der organisatorische Umgang mit Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz ebenso wie Diversität, Chancengleichheit und vieles mehr. Belegschaft und Unternehmensführung verbinden mit ihrer Gemeinwohlbilanz mehrere Ziele. Zum einen wollen sie für sich selbst definieren, was nachhaltiges, dem Gemeinwohl verpflichtetes Handeln konkret heißt. Zum anderen soll transparent werden, wie gut das Unternehmen in dieser Hinsicht bereits ist und wo Verbesserungspotenzial liegt. Und natürlich soll die Beschäftigung mit dem Thema den Gedanken der Gemeinwohl-Ökonomie noch stärker im Unternehmen verankern.
Außerdem - auch das ist ein erklärtes Ziel des Projekts - wollen die Beteiligten über ihre Unternehmensgrenzen hinaus einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und zur Entwicklung einer Gemeinwohl-Ökonomie leisten. Konrad Krafft: "Ein Wirtschaftsmodell mit Zukunft darf nach unserer Überzeugung nicht nur dem Profit dienen. Es muss auch Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit im Blick haben, ökologisch nachhaltig und transparent sein und die Mitwirkung aller fördern."
Mehr als 150 Seiten lang ist der Fragenkatalog, den doubleSlash im Vorfeld des Audits zu beantworten hatte. Zusätzlich prüften die Auditoren vor Ort, wie das Unternehmen auf den abgefragten Handlungsfeldern agiert. "Intern haben wir dafür rund 300 Arbeitsstunden investiert", erklärt Krafft. "Zuzüglich der Kosten für einen externen Berater, der uns bei der Vorbereitung unterstützt hat, und für das Audit selbst - insgesamt waren das nochmal rund 15.000 Euro."
Transparenter Prozess
Der gesamte Prozess war im internen Kommunikationssystem ständig für alle Mitarbeiter detailliert einsehbar und transparent. Wer wollte, konnte jederzeit Ideen oder Einwände einbringen. Für das Ausfüllen des Fragebogens und die Aufbereitung der firmenspezifischen Inhalte waren jeweils die betroffenen Stellen wie Einkauf, Finanz- oder Personalabteilung verantwortlich. Rund neun Monate dauerte der ganze Prozess. Das Ergebnis liegt inzwischen vor und ist in einem knapp 170 Seiten starken "Gemeinwohl-Ökonomiebericht für das Geschäftsjahr 2020" dokumentiert. Auf einer Skala von -3.600 bis +1.000 erreichte doubleSlash eine Bilanzsumme von 324 Punkten. Und bekam Antworten und Handlungsoptionen an die Hand, die jetzt eingehend analysiert und dann in konkrete Maßnahmen zu überführen sind.
Besonders positiv bewertet haben die Auditoren die soziale Haltung zum Beispiel im Umgang mit Geldmitteln. Dazu gehört, dass die Rücklagen bei doubleSlash ausreichen, um auch in Krisenzeiten über einen längeren Zeitraum alle Gehälter bezahlen zu können. Auch das innerbetriebliche Innovationsmanagement oder die finanzielle Beteiligung und gestalterische Mitwirkung der Mitarbeiter am Unternehmen brachten Pluspunkte.
Außerdem bescheinigen die Auditoren doubleSlash ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft, Solidarität und Transparenz - intern wie im Zusammenwirken mit Kunden, Geschäftspartnern und Zulieferern. Das ist unter anderem hilfreich, wenn es darum geht, dem künftigen Lieferkettengesetz gerecht zu werden.
"Man merkt, dass bei doubleSlash eine Unternehmenskultur besteht, die von Wertschätzung und Offenheit geprägt ist und auch externe Beschäftigte inkludiert. Faire Arbeitsbedingungen sind in derart dynamischen Branchen keine Selbstverständlichkeit", freut sich Auditor Manfred Kofranek.
Verbesserungspotenziale identifiziert
Natürlich sehen die Prüfer auch Verbesserungspotenziale. So etwa beim Einsatz digitaler Werkzeuge, um den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern - eine Aufgabe, die doubleSlash bereits angeht. So ist das Unternehmen seit kurzem an der Non-Profit-Organisation Sciara beteiligt. Deren Software simuliert Wechselwirkungen zwischen Klimaveränderungen, Klimaschutzmaßnahmen und dem tatsächlichen menschlichen Verhalten. "Damit lässt sich beeindruckend klar zeigen, wie sich unser Handeln auf unser Klima auswirkt", so Firmengründer Krafft.
Oder, ganz klassisch, bei der Fahrzeugflotte. Sie bestand während des GWÖ-Audits noch zu hundert Prozent aus Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Inzwischen jedoch hat die Umstellung begonnen: Aktuell gibt es bei doubleSlash ein vollelektrisches Auto mit 500 Kilometern Reichweite und mehreren Ladekarten, das komplett mit Ökostrom geladen wird. Weitere E-Fahrzeuge sind bestellt, sie werden Anfang 2022 in die Flotte aufgenommen.
Ideengeber Findan Eisenhut lobt an der Gemeinwohlbilanz vor allem "die Verbindung von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit, und dass sie für Transparenz und Partizipation sorgt." Für Konrad Krafft steht im Vordergrund, "dass wir jetzt ein Werkzeug haben, mit dem wir Nachhaltigkeit messen können. Damit können wir ein Nachhaltigkeits-Managementsystem aufbauen und unseren Kunden und Lieferanten zeigen, was sie in dieser Hinsicht von uns erwarten können. Und das können wir dann auch belegen."
Allzu oft werde das Thema Gemeinwohl als naiv oder ideologisch motiviert abgetan. "Dem widerspreche ich. Natürlich kann man die damit verbundenen Zielvorstellungen als idealistisch bezeichnen. Es lohnt sich jedoch meines Erachtens darüber nachzudenken, wie wir unser Zusammenleben und Arbeiten künftig im Sinne des Gemeinwohls gestalten können", postuliert der doubleSlash-Chef.
Lohnende Bilanz
Das Audit zur Gemeinwohl-Ökonomie bei doubleSlash hat die "International Federation for the Economy for the Common Good" durchgeführt. Untersucht wurden dabei vier Bereiche, in denen unternehmerisches Handeln wirkt:
Menschenwürde
Solidarität und Gerechtigkeit
Ökologische Nachhaltigkeit
Transparenz und Mitentscheidung
Diese Bereiche werden entsprechend gewichtet, je nachdem wie stark das Unternehmen in ihnen wirkt. Die erreichbare Gesamtsumme der GWÖ-Bilanz bleibt in jedem Fall gleich.
Für die Bearbeitung des mehr als 150 Seiten starken Fragenkatalogs und das Audit vor Ort hat das Unternehmen rund 300 Arbeitsstunden investiert.
Die sonstigen Kosten belaufen sich auf rund 15.000 Euro.
doubleSlash erreichte auf einer Skala von -3.600 bis +1.000 eine Bilanzsumme von 324 Punkten.
Fazit: Der Zugewinn an Transparenz und Erkenntnissen, wie sich die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie in konkretes Handeln übersetzen lässt, gilt unternehmensintern als ausgesprochen hoch. Die Gemeinwohlbilanz, so die Einschätzung von Belegschaft und Management, hat sich gelohnt. (hk)