Collaboration und Co.

Social ist tot – lang lebe die digitale Transformation

16.03.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Auf die Frage nach Collaboration und Social Business zucken viele IT-Verantwortliche mit den Schultern. Das liegt möglicherweise aber nur am Begriff. Denn eigentlich ist die soziale Komponente ein wichtiger Bestandteil der digitalen Transformation. In ihrer derzeitigen Form sind die Systeme jedoch zu kompliziert.

Es war die IBM, die den Begriff "Social Business" ursprünglich geprägt hat. Das will auch deren Marketing Leader Mobile and Social Solutions, Stephan Pfeiffer, nicht in Abrede stellen. Aber diesen Namen könne man heute ebenso "zu Grabe tragen" wie Web 2.0 oder Enterprise 2.0., so beteuerte Pfeiffer anlässlich einer Podiumsdiskussion in der Social Business Arena (Halle 4). Es drohe nämlich Verwechslungsgefahr: Das Thema sei nicht, Facebook oder ein Look­alike in den Unternehmen einzuführungen, sondern "soziale" Techniken und Verhaltungsweisen für die digitale Transformation der Unternehmen zu nutzen.

Beerdigung oder Frischzellenkur? – Die Zukunft der "sozialen" Systeme diskutierten Stephan Pfeiffer, IBM (rechts) und Siegfried Lautenbacher, Beck et al.
Beerdigung oder Frischzellenkur? – Die Zukunft der "sozialen" Systeme diskutierten Stephan Pfeiffer, IBM (rechts) und Siegfried Lautenbacher, Beck et al.

Wie Siegfried Lautenbacher, Geschäftsführer bei Beck et al, ergänzte, ist es aber nur der Begriff, der das Zeitliche gesegnet habe: "Social ist erst tot, wenn es kein Business mehr gibt." Die Sache an sich werde im Gegenteil immer wichtiger: Kooperation und Collaboration der Mitarbeiter sowie der Firmen untereinander sei die Voraussetzung für die viel beschworene digitale Transfomation.

Das Wissen vom Fließband nutzen

Wer heute von Social Collaboration spricht, denkt meist an die Mitarbeiter am Schreibtisch. Lautenbacher machte hingegen deutlich, dass der Wissenstausch das ganze Unternehmen einbeziehen müsse. Es gelte, auch das Know-how der Mitarbeiter an den Fertigungsstraßen anzuzapfen, um beispielsweise Absatzprognosen mit validen Informationen füttern zu können.

Dafür seien die heutigen Collaboration-Tools aber nicht ausgelegt, verriet Lautenbacher im Vieraugengespräch. Microsoft Sharepoint beispielsweise sei so kompliziert, dass der Anwender eine ganze Zeit brauche, bevor er wirklich Spaß an der Arbeit habe. Deshalb setze Beck et al bei seinen Beratungskunden häufig Werkzeuge kleinerer Anbieter ein.

Keine Calloboration zwischen Tools

Ein anderes Hindernis für kollaboratives Arbeiten ist nach Lautenbachers Erfahrung der Mangel an Tool-übergreifenden Standards: Zwischen den Werkzeugen unterschiedlicher Anbieter sei der Informationsaustausch eingeschränkt, und selbst, wenn zwei Unternehmen dasselbe Tool nutzten, komme es immer noch auf die Version und die jeweilige Implentierung an.

Eine andere Hürde für den Erfolg von Collaboration-Systemen ist aus Lautenbachers Sicht die Einführung in "Silos". Oft werde das Projekt von einer einzigen Abteilung getrieben - entweder der internen Kommunikation oder der IT oder auch dem Personalbereich. Sinnvollerweise müssten solche Systeme aber "interdisziplinär" geplant und umgesetzt werden.

Last, but not least werde zu wenig Wert darauf gelegt, "das Thema zu den Mitar-beitern zu bringen", konstatierte Lauten-bacher: "Man muss die Leute ganz banal befähigen, damit umzugehen." Und das gehe nur, indem man in Schulung und Training investiere.

Trotz allem hätten die deutschen Unternehmen im Vergleich zu den USA schon sehr viel auf die Beine gestellt in Sachen Social und Collaboration, gab IBM-Marketier Pfeiffer zu bedenken. Schließlich sei die Botschaft von der radikalen Änderung der Geschäftsmodelle auch in den Chefetagen angekommen: "Durch Beispiele wie Uber ist dort die Bereitschaft zur digitalen Transformation so hoch wie nie. Das müssen wir nutzen."

Auch der oft gescholtene Mittelstand tue in dieser Hinsicht schon mehr, als man gemeinhin annehme, hat Lautenbacher festgestellt: "Die Mittelständler nutzen dafür aber kein Schlagwort, sondern machen einfach ihr Geschäft." Tatsächlich würden Collaboration-Projekte häufig mit anderen Begriffen bezeichnet, beispielsweise Optimierung des Projekt-Managements.

Kompass als digitales Reifezeugnis

Für kleinere Unternehmen, die wissen wollen, inwieweit die Zusammenabeit ihrer Mitarbeiter schon den Erfordernissen des digitalen Business entspricht, bietet Beck et al den "Social Scout" an. In einem zweitägigen Workshop erstellen die involvierten Unternehmensbereiche gemeinsam mit den Beratern ihr "digitales Reifezeugnis". Das Ergebnis ist eine Art Kompass, der anzeigt, wo der Betrieb steht und in welche Richtung noch Verbesserungsbedarf besteht. Ganz individuell, wie Lautenbacher sagt: "Eine Expedition in die digitale Welt ist schließlich kein Pauschalurlaub."