Fehler im Recruiting-Prozess

So vergraulen Sie Fachkräfte

01.03.2024
Von 
Josef Günthner ist Mitgründer und Geschäftsführer von Paltron, einer auf die IT-Branche spezialisierten Personalberatung.
Im Recruiting-Prozess kann aus Unternehmenssicht einiges schieflaufen. Diese sieben Fehler sollten Sie vermeiden, um IT-Fachkräfte nicht abzuschrecken.
Unternehmen, die ihre Recruiting-Prozesse schwerfällig gestalten, stoßen bei Fachkräften schnell auf Ablehnung.
Unternehmen, die ihre Recruiting-Prozesse schwerfällig gestalten, stoßen bei Fachkräften schnell auf Ablehnung.
Foto: ViDI Studio - shutterstock.com

Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass zahlreiche IT-Stellen in Deutschland monatelang unbesetzt bleiben. Begibt man sich auf die Suche nach einem Talent und erhält vielleicht sogar seine Aufmerksamkeit, sollte man alles daran setzen, dass diese nicht wieder verschwindet. Fehler im Bewerbungsprozess können schnell dazu führen, dass die wertvolle Fachkraft das Interesse verliert und sich einem der zahlreichen anderen potenziellen Arbeitgeber zuwendet. Die folgenden sieben Fehler sollten Sie also unbedingt vermeiden.

1. Schwache Arbeitgebermarke

Den ersten Fehler machen Sie schon, bevor der eigentliche Bewerbungsprozess überhaupt beginnt: Sie sorgen sich nicht um Ihre Employer Brand, Ihre Arbeitgebermarke. Das geht häufig mit der Einstellung einher, dass das eigene Unternehmen ohnehin ein attraktiver Arbeitsplatz ist - ohne, dass dafür passende Bedingungen oder Anreize geschaffen werden müssen.

Wird dem Thema Employer Branding zu wenig oder gar keine Aufmerksamkeit geschenkt, kann dies zur Folge haben, dass die Bewerber:innen ganz ausbleiben. Denn vor der Bewerbung werden die Talente sämtliche Kanäle nutzen, um sich über den potentiellen neuen Arbeitgeber zu informieren. Dazu zählen beispielsweise die unternehmenseigene Karriereseite, Social-Media-Profile und Arbeitgeber-Bewertungsportale. Wirken diese Kanäle ungepflegt, veraltet, weisen Rechtschreibfehler auf oder ergeben kein stimmiges Gesamtbild, dann schwächt das die Arbeitgebermarke. Beim Employer Branding zählt der erste Eindruck. Deshalb sollten Sie es richtig machen - und dafür sorgen, dass Ihre Karriereseite und Ihre Social-Media-Profile überzeugen.

2. Schlechte Stellenanzeigen

Zugegebenermaßen ist die Bandbreite möglicher Fehler bei der Stellenanzeige ziemlich groß. Klar: Auch hier ist es eher unvorteilhaft, wenn sich Rechtschreibfehler häufen. Aber das ist nicht das einzige potentielle Ausschlusskriterium. Schlechte Stellenausschreibungen sind langweilig formuliert, unpräzise und lassen den Leser oder die Leserin im Unklaren darüber, ob die Stelle zu ihm oder ihr passen würde. Auch eine Stellenanzeige, die deutlich länger als eine Seite ist oder ein klares Ungleichgewicht zwischen Anforderungen an Bewerber:innen und angebotenen Benefits des Unternehmens aufweist, ist ein absolutes No-Go.

Bei der Wahl des Stellentitels werden ebenfalls häufig Fehler gemacht: Oft ist er zu kompliziert oder einfach abwegig. Viele Jobbörsen werden aber nach bestimmten Stichworten durchsucht; verwendet man diese beim Verfassen der Stellenausschreibung nicht, taucht die Anzeige nicht im Suchergebnis auf. Denken und fühlen Sie sich in Ihre Kandidat:innen hinein und überlegen Sie, nach welchen Informationen sie suchen, welche Ansprüche sie haben und wie Sie diese bestmöglich erfüllen können. Wenn Sie Ihre potentiellen Bewerber:innen ins Zentrum Ihrer Bemühungen rücken, werden Sie automatisch Vieles richtig machen.

3. Zu hohe Ansprüche

Sicher - für Ihre Firma wollen Sie nur das Beste und dazu gehören auch die besten Mitarbeitenden. Aber zeichnen sich diese tatsächlich durch zahlreiche Qualifikationen aus? Zu hohe Ansprüche im Recruiting können sich als großer Fehler erweisen, der den Einstellungsprozess verzögern oder sogar gänzlich aufhalten kann. Sie sollten schon beim Schreiben der Stellenausschreibung sorgfältig abwägen, welche Wünsche unverzichtbar und welche eher schwer realisierbar sind. Außerdem sollte der Zusammenhang zwischen beschriebenen Anforderungen und Aufgaben immer erkennbar sein - sonst könnten viele Kandidat:innen von Ihrem Stellenprofil abgeschreckt werden und auf eine Bewerbung verzichten.

Insbesondere bei der Suche nach IT-Expert:innen sollten Sie herausfinden, welche Voraussetzungen auf Seiten der Bewerbenden tatsächlich notwendig sind: Braucht es wirklich ein abgeschlossenes Informatikstudium, um die vakante Stelle zu besetzen? Oder reichen anderweitig erlernte Kenntnisse aus? Manche Fähigkeiten kann man sich auch im Job aneignen - was ein neues Teammitglied, das für Ihr Unternehmen brennt, sicherlich tun wird.

4. Aufwändige Bewerbungsprozesse

Bewerber:innen legen heute im Recruiting Wert auf einen schnell ablaufenden sowie gut organisierten Bewerbungsprozess, andernfalls sehen sie von einer Bewerbung ab. Deshalb sollten Sie gut überlegen, welche Bewerbungsformen sie zulassen und anbieten möchten. Auch Bewerbungsformulare, die Schwachstellen aufweisen, zu viele oder sogar die falschen Fragen stellen und das Verfahren somit zu kompliziert machen, sollten vermieden werden. Lange Ladezeiten oder technische Fehler ebenfalls.

Wollen Sie es Ihren Bewerber:innen so einfach wie möglich machen, ermöglichen Sie One-Klick-Bewerbungen. In diesem Fall können Interessent:innen zur Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle ihre Profildaten direkt von Karrierenetzwerken wie LinkedIn oder Xing an das Unternehmen übermitteln. Das bedeutet eine wesentliche Zeitersparnis.

5. Lahmes Feedback

Viele Unternehmen vergraulen ihre Kandidat:innen, weil sie insgesamt zu lange brauchen, um auf eingegangene Bewerbungen zu antworten, einen Termin zum Vorstellungsgespräch zu vereinbaren und im Anschluss an dieses eine Zu- oder Absage zu erteilen. Bedenken Sie: Die wenigsten Jobsuchenden bewerben sich ausschließlich auf eine Stelle. Kann ein anderes Unternehmen einen schnelleren und reibungsloseren Prozess bieten, gehen Sie höchstwahrscheinlich leer aus. In Sachen Tempo gilt die Faustregel: Länger als 48 Stunden sollten Sie für eine Rückmeldung nicht brauchen.

6. Mangelnde Wertschätzung

Viele Unternehmen gehen noch immer von einem Arbeitgebermarkt aus. Soll heißen: Sie erwarten, dass sie von Fachkräften umworben werden, die die vakante Stelle ergattern wollen. Was sie nicht sehen, ist, dass der Fachkräftemangel schon vor einiger Zeit für einen Umschwung gesorgt hat. Aus dem Arbeitgeber- ist ein Arbeitnehmermarkt geworden. Es ist also an den Unternehmen selbst, die wertvollen Talente zu umwerben und sie so für sich zu gewinnen. Ausschlaggebend ist dabei nicht selten die Wertschätzung, die Unternehmen Ihren Bewerbenden entgegenbringen.

Doch auch hier passieren häufig Fehler. Beispielsweise dann, wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin keine feste Ansprechperson hat, an die er oder sie sich wenden kann und die sich regelmäßig mit Updates meldet. Auch mangelndes Feedback und eine intransparente Gestaltung des Bewerbungsprozesses fallen negativ ins Gewicht - denn Ihre Kandidat:innen verdienen es, zu wissen, woran sie sind.

7. Onboarding unterschätzen

Das Talent hat zugesagt, der Vertrag ist unterschrieben. Recruiting beendet - oder? Nicht ganz, denn einer der wichtigsten Abschnitte beginnt erst jetzt: das Onboarding. Gutes und effizientes Onboarding heißt, einen Neuankömmling schnell und in die neue Arbeitswelt sowie Teamumgebung einzugliedern. Wird die Einarbeitung des neuen Teammitglieds unterschätzt, kann es sein, dass es sich schon nach wenigen Wochen oder Monaten wieder aus dem Unternehmen verabschiedet.

Strukturiertes Onboarding dient deshalb dazu, einer solchen negativen Entwicklung vorzubeugen. Ziel muss es sein, den individuellen Bedürfnissen neuer Arbeitskolleg:innen bestmöglich Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck ist es hilfreich, schon im Vorfeld Erkundigungen bei Bewerber:innen einzuziehen. Nach der Einstellung können Einzelgespräche dafür sorgen, gemeinsame Erwartungen und Ziele abzustimmen und durch die Einarbeitung sowie Hilfestellung geeigneter Teammitglieder die Mitarbeiterbindung sicherzustellen. (pg)