Open Source ist nicht nur Code

So tragen auch Nicht-Programmierer zu Open Source bei

20.04.2023
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Mark Lubkowitz ist Lead IT Consultant bei msg. Als Software-Entwickler sowie Journalist ist er ausgewiesener Experte für die Themen Digitale Souveränität, Open Source, Webtechnologien und Digitale Transformation. Er setzt sich kritisch mit Konzepten, Methoden und Technologien auseinander, um Fakten von Fiktion zu trennen.
Open Source lebt von Zusammenarbeit. Dabei sind nicht nur Programmierer relevant, sondern auch Grafiker und Analysten, Texter und Projektmanager, Anwender und Trainer. Hier einige Ideen und Anreize, wie jeder OSS unterstützen kann.
Um zur Entwicklung und Pflege von Open-Source-Lösungen beizutragen, muss man nicht unbedingt selbst Programmierkenntnisse besitzen.
Um zur Entwicklung und Pflege von Open-Source-Lösungen beizutragen, muss man nicht unbedingt selbst Programmierkenntnisse besitzen.
Foto: Sarawut Aiemsinsuk - shutterstock.com

Der Kern von Open Source Software ist der offengelegte Quellcode, der von allen eingesehen, modifiziert und verteilt werden darf. Entsprechend steht dieser im Vordergrund, sobald es um die Entwicklung von Pflege von Open-Source-Lösungen geht. Dabei ist nicht nur der Code entscheidend; auch die Gestaltung von Bedienoberflächen, die Qualität der Dokumentation und der Umgang mit Fehlermeldungen spielen eine wichtige Rolle. Wer nicht programmieren kann, findet hier Tipps und Anregungen, um das eigene Können und Wissen einzubringen.

Open-Source-Ticket-System pflegen

Klassisches Arbeitsmittel in der modernen Softwareentwicklung sind Ticket-Systeme. In diese tragen Anwender und Entwickler eventuell entdeckte Fehler ein, nehmen Verbesserungsvorschläge vor, stellen Verständnisfragen oder diskutieren Probleme. Populäre Plattformen wie Github, auf denen nahezu alle Open-Source-Lösungen abgelegt sind, bietet solche Open-Source-Ticket-Systeme direkt mit an.

  • Fehler analysieren: Sollten Sie also entweder keinen Programmcode schreiben können oder dürfen, dann unterstützen Sie bei der Pflege des Open-Source-Ticket- Systems. Schauen Sie sich eingegangene Fehlermeldungen an und versuchen Sie herauszufinden, ob es sich tatsächlich um einen Fehler in der Open-Source-Lösung oder eventuell einen Bedienfehler handelt. Oder melden Sie selbst einen Fehler, falls Sie einen gefunden haben sollten.

  • Verbesserungsidee eintragen: Fällt Ihnen hingegen eine Verbesserungsidee ein, dann tragen Sie auch diese ein. Jede Idee aus der Community ist hilfreich, auch wenn sie schlussendlich nicht immer haargenau umgesetzt wird.

  • Probleme melden: Darüber hinaus können Sie stets anderen bei deren Problemen helfen, indem Sie die eingereichten Problemmeldungen lesen, nachvollziehen und entweder als allgemeinen Fehler in der Open-Source-Lösung bestätigen oder als Bedienfehler identifizieren.

Wer nicht programmieren kann, wirft einen Blick in den Open Source Issue Tracker des Repositories und hilft anderen, bei deren Problemlösung.
Wer nicht programmieren kann, wirft einen Blick in den Open Source Issue Tracker des Repositories und hilft anderen, bei deren Problemlösung.
Foto: Mark Lubkowitz

Open-Source-Dokumentation verbessern

Um ein Klischee aufzugreifen: Entwickler schreiben gerne Programmcode, aber die meisten dokumentieren nicht gerne. Entsprechend fällt die Dokumentation von Open-Source-Lösungen, insbesondere bei kleineren, weniger populären, meist gering oder unvollständig aus. Das führt wiederum dazu, dass Anwender und andere Entwickler eventuell nicht den richtigen Einstieg finden. Eine gute Dokumentation ist somit ein wertvoller Bestandteil jeder Open-Source-Lösung.

  • Tipps geben: Tipps, die auf eigenen Erfahrungen basieren, sind eine Bereicherung für jede Dokumentation. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tipps in Form von Kommentaren erfolgen oder als Change Request über die Versionsverwaltung direkt in die Dokumentationsdateien Eingang finden. Achten Sie allerdings darauf, ob es eine eigenständige Dokumentation gibt oder die Dokumentation in Form einer einfachen Datei wie "README.md" oder "DOCUMENTATION.md" erfolgt.

  • Übersetzung vornehmen: In je mehr Sprachen die Dokumentation zur Verfügung steht, desto mehr Anwender können darauf zurückgreifen, sich einarbeiten und die Lösung dann entsprechend einsetzen. Wenn Sie Multilinguist sind, dann könnten Sie sich um die Übersetzung in andere wichtige Sprachen kümmern.

  • Tippfehler bereinigen: Auch wenn Rechthaber gerne kritisiert werden, sind Rechtschreibung und Grammatik essenziell für das Verständnis einer Dokumentation. Scheuen Sie sich nicht, diese zu korrigieren, wenn Ihnen entsprechende Fehler in der Dokumentation auffallen. Mitunter können einfache Tippfehler zu gravierenden Problemen führen, etwa falls ein Befehl oder Parameter falsch geschrieben sind.

Veröffentlichungen erarbeiten

Vielen, wirklich hervorragenden Open-Source-Lösungen fehlt es an Aufmerksamkeit. Sie fristen Ihr Dasein in einem Repository und hoffen, dass sie von irgendwem entdeckt, eingesetzt und für gut befunden werden. Aber woher solle die Aufmerksamkeit kommen, wenn niemand über die Lösung spricht oder sie jemandem weiterempfiehlt?

  • Artikel verfassen: Wenn Sie ein Weblog oder eine Webseite betreiben und eine gute Open-Source-Lösung entdeckt haben, dann schreiben Sie darüber. Erklären Sie, warum Sie diese Lösung eingesetzt haben, welche Vorteile sich daraus für Sie ergeben haben oder warum diese Lösung eine Alternative zu anderen Lösungen sein könnte. Die Lösung bekommt Aufmerksamkeit, andere greifen sie auf und schreiben im Idealfall ebenfalls darüber.

  • Tutorial erarbeiten: Selbstredend sind auch Tutorials hilfreich, auch auf medialen oder sozialen Kanälen wie Twitter und Youtube, Instagram und Linkedin. Die Hürde des Teilens und Weitersagens ist dort deutlich geringer, so mitunter sehr schnell eine sehr große Verbreitung erreicht werden kann.

  • Vortrag halten: Und wenn Sie erfahrener Sprecher sind, gerne zu Fachkonferenzen gehen und eine Open-Source-Lösung für passend erachten: Reichen Sie einen Vortragsvorschlag zu der Lösung ein oder nennen Sie sie im Rahmen einer Ihrer anderen Vorträge - falls passend.

In einem Youtube Short fasst ein Entwickler die wichtigstens Informationen zu Svelte (svelte.dev) zusammen und schafft so Aufmerksamkeit für das Framework.
In einem Youtube Short fasst ein Entwickler die wichtigstens Informationen zu Svelte (svelte.dev) zusammen und schafft so Aufmerksamkeit für das Framework.
Foto: Mark Lubkowitz

Grafiken anfertigen

Die Optik und die Ästhetik spielen heutzutage eine wichtige Rolle. Viele Open-Source-Lösungen weisen eine hohe Qualität in Funktion und Technik auf, bei der Verpackung hapert's dann aber mitunter. So fehlt ein passendes Erscheinungsbild oder die Bedienoberfläche ist schlecht konzipiert.

  • Identität schaffen: Als Grafiker oder UI-Designer könnten Sie an eben solchen Punkten ansetzen. Entwerfen Sie ein Logo, stellen Sie Farbpaletten zusammen oder optimieren Sie grafische Darstellungen, auch mit Blick auf Barrierefreiheit und Zugänglichkeit.

  • Bedienerführung verbessern: Dann gilt es stets auch auf eine gute Bedienerführung zu achten. Selbst die fachlich und technisch besten Open-Source-Lösungen sind mitunter nicht bedienbar und schrecken daher viele potenzielle Anwender ab. Eine optimierte oder von Grund auf neu erarbeitete Bedienerführung könnte so manche Lösung zum entscheidenden Durchbruch verhelfen. Nicht ohne Grund sind im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche unterschiedliche Desktop Manager für Linux entstanden.

  • Bildmaterial bereitstellen: Mitunter mangelt es auch an einfach Dingen, etwa Fotos und Screenshots, Videos und Screencasts. Falls Ihnen solche Arbeiten gut von der Hand gehen, dann unterstützen Sie doch damit. Hier ein Screenshot, der die Dokumentation bereichert, dort ein Foto, das als Beispiel dienen kann, hier ein Symbol, das in die Bedienoberfläche eingebaut werden darf. Oder Sie gestalten Diagramme und Illustration für unterschiedliche Zwecke.

Und darüber hinaus

Das ist nur ein grober Einstieg in die möglichen Tätigkeiten, die eine Open-Source-Lösung bereichern würden.

Weitere Möglichkeiten: Wenn Sie Organisationstalent haben oder regelmäßig eine größere Gruppe zu bestimmten Themen treffen, dann halten Sie doch ein Meetup oder eine Einführungsrunde ab, entweder innerhalb Ihres Unternehmens, außerhalb in Anwendergruppen oder bei Community-Treffen. Liegt Ihnen das Projektmanagement, dann unterstützen Sie das Entwicklerteam bei der Planung der nächsten Arbeitsschritte oder akquirieren Sie Ressourcen, mit denen die Weiterentwicklung der Open-Source-Lösung möglich wird.

Stellen Sie Testdaten bereit, auf Basis derer automatisierte Tests möglich werden. Auch Erfahrungswerte, dass eine Lösung in bestimmten Kontexten und Konstellationen unerwartete Ergebnisse liefern, sind hilfreich. Denn nicht immer lassen sich alle möglichen Variationen bei der Entwicklung einplanen. Ergänzen Sie den Datenbestand, falls die Open-Source-Lösung auf Daten angewiesen ist.

Wer über Organisationstalent, Räumlichkeiten oder Kontakte verfügt, kann firmeninterne, private oder öffentliche Meetups organisieren und so Open-Source-Projekte ebenfalls unterstützen.
Wer über Organisationstalent, Räumlichkeiten oder Kontakte verfügt, kann firmeninterne, private oder öffentliche Meetups organisieren und so Open-Source-Projekte ebenfalls unterstützen.
Foto: Mark Lubkowitz

Selbst wenn Sie nicht programmieren und somit keinen Programmcode zu einer Open-Source-Lösung beitragen können, ist Unterstützung in vielfältigster Form möglich. Überlegen Sie einfach, worin Sie selbst gut sind, sowohl beruflich als auch privat. Und dann scheuen Sie sich nicht, diese Hilfe anzubieten.

Beachten Sie dabei, dass auch einige Open-Source-Entwickler nur den Programmcode sehen und ihnen andere Aspekte bislang vielleicht gar nicht aufgefallen sind. Mitunter ist es daher auch angebracht, sehr feinfühlig vorzugehen, um den Entwicklern nicht vor den Kopf zu stoßen. (mb)