Zwei von drei Verbrauchern haben während der Covid-Krise angefangen, Berufs- und Privatleben klarer voneinander zu trennen, schreiben die Analysten, die im Oktober 2021 insgesamt 1752 Konsumenten in aller Welt befragt haben. Gartners Ziel war es, die wichtigsten Trends im Verbraucherverhalten für das Jahr 2022 zu identifizieren, auf die sich Marketing-Verantwortliche und ihre Organisationen einstellen sollten.
"Vermarkter, die für strategische Planung, Targeting, Positionierung, Messaging und Corporate-Responsibility-Initiativen verantwortlich sind, können unsere Beobachtungen nutzen, um ihre Initiativen besser auf kulturelle Veränderungen im Verhalten und in den Einstellungen der Verbraucher auszurichten", sagt Kate Muhl, Vice President Analyst im Bereich Marketing bei Gartner. Sie beobachtet folgende fünf Trends:
Fünf Verbrauchertrends, die das Marketing beachten sollte
Personal Revolution: Die Pandemie ist ein gigantisches "soziales Experiment", dem die Verbraucher nicht entrinnen können. Es hat dazu geführt, dass die Menschen aus ihrer täglichen Routine ausgebrochen sind und angefangen haben, die großen Fragen zu stellen. Teilweise sind sie auch dazu übergegangen, eine alternative Lebensführung zu verfolgen.
Dabei fällt auf, dass die Menschen damit begannen, ihr Selbstbewusstsein und ihre Identität weniger an ihre Arbeit oder Karriere zu knüpfen. In den USA wurde das spätestens Ende des vergangenen Jahres deutlich, als das US-Arbeitsministerium meldete, dass im November 2021 eine Rekordzahl von 4,5 Millionen Beschäftigten - das sind drei Prozent der Erwerbstätigen - ihren Job gekündigt hatten. Ein ähnlich hoher Wert war zuvor schon im September ermittelt worden.
Die Gartner-Umfrage zeigt außerdem, dass 51 Prozent der Beschäftigten einräumen, während der Arbeitszeit häufiger als vor der Pandemie persönliche Aufgaben zu erledigen. Laut Muhl sind das Indizien dafür, dass viele Verbraucher mental überarbeitet und ausgelaugt sind. "Die Menschen haben angefangen, intensiver über sich selbst nachzudenken."
Für Marketing-Professionals bedeute das, dass Marken oftmals neu positioniert werden müssten. Sie sollten vermehrt persönliche Werte betonen und Themen wie Authentizität, Identität und Selbstwertgefühl ansprechen.
Gefangen in der Zeitschleife?
Time warp: 77 Prozent der Verbraucher geben an, dass sich in der Pandemie ihr Zeitgefühl verändert habe. Das betrifft vor allem die jüngeren Menschen der Generation Z (91 Prozent) und der Millennials (88 Prozent). Zwei Drittel der Befragten sagten, sie hätten sich während der Pandemie schwer getan, längerfristige Pläne zu machen.
Ein bisschen mitleidslos stellen die Analysten von Gartner fest, welche Folgen diese Entwicklungen für Marketing-Teams haben: Sie müssten sich mit der kulturellen Transformation und dem veränderten Zeitgefühl ihrer (potenziellen) Kunden beschäftigen und Markenwerte betonen, die die Sehnsucht der Verbraucher nach Kontrolle, Gesundheit und Realität spiegeln.
Wir amüsieren uns zu Tode
Suche nach Einfachheit und Ablenkung: "Die vielschichtige und kontextabhängige Natur der sozialen und traditionellen Medien wird als ermüdend empfunden", schreiben die Analysten. Die Verbraucher suchten zunehmend nach einfachen Antworten. 61 Prozent wollen demnach vorzugsweise unterhaltende Inhalte hören oder sehen, um sich zu entspannen oder Ablenkung und Trost zu finden. 41 Prozent geben sogar an, der Realität entfliehen oder nicht mehr an sie denken zu wollen. Einem Drittel geht es primär darum, lustige Momente zu erleben.
Gartner fasst zusammen: Viele Verbraucher haben mehr Interesse an einfachen, unkomplizierten Geschichten als früher. "Für Marketingverantwortliche heißt das, alles zu tun, um die mentale Belastung der Konsumenten zu reduzieren. Es geht heute nicht mehr so sehr darum, die emotionale Bindung oder Intimität zu erhöhen. Im Moment muss sich das Marketing darauf konzentrieren, die Botschaft zu vereinfachen und den Weg zum Verbraucher zu straffen", sagt Muhl.
Persönlicher Kundenkontakt bleibt wichtig
Omnichannel Flex: Konsumenten werden immer bequemer und erwarten eine positive Konsum- und Nutzererfahrung auf allen Kanälen - nicht nur beim Einkauf. 39 Prozent der Befragten erledigen mehr Dinge als früher auf digitalen Kanälen und empfinden dies als bequem. Gleichzeitig bekunden aber 57 Prozent, ihre virtuellen Erfahrungen könnten Offline- beziehungsweise persönliche Erfahrungen nicht vollständig ersetzen. Das entspricht einem Anstieg von 17 Prozent gegenüber einer vergleichbaren Umfrage aus dem Jahr 2020.
Für Vermarkter heißt das, sie brauchen nicht nur professionell aufbereitete virtuelle Angebote, sondern auch immer noch Kundenkontakte von Mensch zu Mensch an verschiedenen Touchpoints sowie real erlebbare Angebote. Die Zukunft gehört demnach hybriden Produkterlebnissen mit maximaler Wahlfreiheit für die Kunden. Marketing-Profis sollten dabei ihre Marken differenzieren, indem sie Omnichannel-Optionen nicht nur anbieten, um den Kundenkontakt auf allen Ebenen abzusichern und zu kontrollieren, sondern vor allem, um der Klientel maximalen Komfort zu bieten.
Marketing sollte Cocooning-Trend verstehen
Home first: Verbraucher haben sich in der Pandemie zunächst zwangsläufig, dann aber immer mehr aus Überzeugung dafür entschieden, ihre Häuser und Wohnungen zum Mittelpunkt ihres Arbeits- und Privatlebens zu machen. Daran haben sie sich nun gewöhnt, eine Rückkehr zu vorpandemischem Verhalten wird es nicht geben.
"Vermarkter müssen verstehen, wie sich die Motive der Menschen, die ihr Zuhause in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen, verändern", sagt Muhl. Wenn die Pandemie überstanden sei, spiele die Angst vor einer Infektion nicht mehr die entscheidende Rolle. Es gebe viele weitere Motive das eigene Heim zum Lebenszentrum zu machen. Marketiers müssten sich damit beschäftigen. Laut Gartner sollten sie Produktangebote und Kaufkanäle entwickeln, die auf den "Home-First"-Lebensstil abgestimmt sind. Und sie sollten die Aspekte ihrer Marken betonen, die Verbraucher auf ihrer Suche nach Sicherheit, Geborgenheit und Gelassenheit ansprächen.