Die Analyse großer Datenmengen ist für Unternehmen längst von der Kür zur Pflicht geworden. Doch es gibt ein entscheidendes Problem: Während die Anzahl der gespeicherten Datensätze exponentiell wächst, fehlt es an geschulten Experten, die in der Lage sind, diese zu verwalten und gezielt auszuwerten. Einer LinkedIn-Studie zufolge ist die Zahl der Stellenanzeigen, die sich explizit an Datenwissenschaftler wendet, in den letzten zehn Jahren sogar um 650 Prozent in die Höhe geschossen.
Unternehmen, die jetzt händeringend nach Experten suchen, um ihre Teams dauerhaft durch sie zu verstärken, sind deshalb in vielen Fällen gezwungen, von ihren etablierten Bewerbungsverfahren abzurücken. Stattdessen lohnt es sich, neuen Talenten offen gegenüberzutreten und Potenziale zu erkennen - auch wenn diese vielleicht nicht ganz mit dem gesuchten Profil übereinstimmen. Damit die Suche am Ende von Erfolg gekrönt ist, lohnt es sich, drei zentrale Punkte bereits im Vorfeld der Mitarbeitersuche zu überdenken:
1. Experte ist nicht gleich Experte
Die Rolle der Datenwissenschaftler hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren stark gewandelt. Anfangs bestand die Herausforderung meist noch darin, den größtmöglichen Mehrwert aus vergleichsweise kleinen Datenmengen zu ziehen. Meistens übernahmen Naturwissenschaftler diese Aufgabe, da es noch keine gesonderte Ausbildung in diesem Bereich gab. In den folgenden Jahren bestand ihre tägliche Routine darin, die verfügbaren Daten aufzubereiten und zu katalogisieren, um ihren potenziellen Geschäftswert ermitteln zu können.
Weil sich das, was mithilfe der Datenwissenschaft möglich ist, jedoch auch heute noch stetig weiterentwickelt, sind viele Unternehmen verunsichert, was ihre konkreten Anforderungen betrifft. Dass zwischen den Teams, die qualifizierte Experten benötigen, und den HR-Verantwortlichen, häufig eine Diskrepanz besteht, kommt erschwerend hinzu. Beides kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass neue Mitarbeiter rekrutiert werden, die über- oder unterqualifiziert sind oder für die bestehenden Probleme nicht das passende Fachwissen mitbringen.
Um das zu vermeiden, ist es sinnvoll, die bestehenden Herausforderungen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Welche Probleme gibt es, die mithilfe neu eingestellter Datenwissenschaftler gemeistert werden sollen? Betreffen diese die Verwaltung oder Aufbereitung der unternehmenseigenen Informationen? Oder geht es doch eher darum, diese in einen größeren Kontext zu setzen, um Optimierungspotenziale, die bisher im Verborgenen lagen, zu identifizieren?
Vielleicht plant ein Unternehmen auch, in ein anderes Land oder eine andere Branche zu expandieren, möchte aber sichergehen, dass dies auf validen Daten basiert. Welche Qualifikationen sind notwendig, um Herausforderungen wie diese anzugehen? Und werden die identifizierten Probleme auch morgen noch bestehen? Oder ist es wahrscheinlich, dass sich der Aufgabenbereich verschiebt, sobald eine passende Lösung gefunden ist? Bei der Beantwortung all dieser Fragen sollte das betreffende Team inklusive Datenwissenschaftler hinzugezogen werden. Nur sie können einen Einblick in die Praxis bieten und erklären, welche Fähigkeiten genau gefragt sind.
2. Potenzial erkennen
Datenwissenschaftler sind zwar gefragt, doch der Mangel an qualifizierten Experten ist noch größer: So ergab eine Analyse von QuantHub beispielsweise, dass im Jahr 2020 insgesamt etwa 250.000 Datenwissenschaftler fehlten - Tendenz steigend. Zum Teil liegt das aber auch daran, dass Arbeitgeber Potenziale nicht erkennen und ideale Kandidaten deshalb bereits im Vorfeld aussieben. Dies wird durch den schnellen Wandel, der innerhalb der Datenwissenschaft herrscht, noch zusätzlich verstärkt.
So besteht die Gefahr, dass eine spezielle Eigenschaft, die gestern noch essenziell war, morgen schon zweitrangig sein könnte, um das existierende Problem zu lösen. Denn: Es kommen ständig neue Technologien und Tools hinzu, die aufgrund ihrer leicht zu bedienenden Oberfläche kaum noch Coding-Skills benötigen. Trotzdem lässt sich mit ihrer Hilfe ein großer Geschäftswert erzielen - man muss sie lediglich richtig einzusetzen wissen. Deshalb sollten sich Firmen nicht auf ein eng abgestecktes Profil versteifen, sondern potenziellen Talenten offen gegenüberstehen.
Gute Datenwissenschaftler sind wandelbar und können sich flexibel neuen Situationen anpassen. Denn so schnell sich die technologischen Möglichkeiten weiterentwickeln, so schnell müssen sie dem gerecht werden, um stets einen Mehrwert aus den verfügbaren Daten generieren zu können. Am wichtigsten hierbei ist eine grundlegende, analytische Denkweise und die Bereitschaft, sich ständig weiterzubilden - auch dann, wenn neue Datenquellen oder Analysetools hinzukommen.
Deshalb ist es bereits im Rahmen des Bewerbungsprozesses wichtig, nicht nur den Ist-Zustand zu berücksichtigen, sondern auch das potenzielle Wachstum des Unternehmens im Hinterkopf zu behalten. Wenn es darum geht, neue Datenwissenschaftler einzustellen, müssen diese schließlich auch die angestrebte Zukunftsvision teilen und bereit sein, diese durch ihre Arbeit zu unterstützen.
3. Lange Prozesse haben ausgedient
Aufgrund der hohen Nachfrage haben Datenwissenschaftler, die nach einer neuen Stelle suchen, die Qual der Wahl. Unternehmen, die nicht in der Lage sind, schnell zu reagieren, und stattdessen an ihren etablierten, langwierigen Bewerbungsverfahren festhalten, werden deshalb das Nachsehen haben.
Ein unnötig langer Prozess mit mehreren Runden, Tests und Präsentationen ist für die potenziellen Kandidat nicht nur demotivierend - sie haben ihn schlichtweg nicht nötig. Stellt sich ein Unternehmen hier zu ungelenk an, ziehen Bewerber zu anderen Arbeitgebern.
Auch das Angebot an alternativen Arbeitsmodellen spielt eine wichtige Rolle. Während die Möglichkeit, zumindest gelegentlich von zuhause aus zu arbeiten, noch vor wenigen Jahren nur für die wenigsten Angestellten gegeben war, stellt sich diese Frage in Bewerbungsgesprächen heute gar nicht mehr. Es ist längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden - auch für Datenwissenschaftler.
So sind bei Stepstone die Suchanfragen nach Jobs mit der Option zum Home-Office 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 105 Prozent gestiegen, weshalb man sich bei der Online-Jobbörse inzwischen sicher ist, dass dieser Filter genauso wichtig werden wird wie die Frage nach dem Arbeitsort. Unternehmen sollten sich in dieser Hinsicht unbedingt aufgeschlossen zeigen und die Arbeitsumgebung schaffen, in der Datenwissenschaftler gerne arbeiten wollen. (hk/fm)