Eine Diskussion zweier Teilnehmer von MBA-Programmen zeigte, dass der Lernerfolg auch davon abhängt, wie vernetzt die Bildungsangebote sind. So vermisste ein MBA-Student etwa ein schnelles Feedback auf bearbeitetes Kursmaterial, eine engere Verzahnung der Kursteilnehmer untereinander und die Integration von Erklärvideos mit anderem Kursmaterial. Gut sei es, dass kostenlose Services wie Vimeo oder Dropbox genutzt werden können. Allerdings fehle es an einer Lösung aus einem Guss.
In der Tat bringen digitale Technologien viele Chancen und neue didaktische Möglichkeiten mit sich, aber die technische Infrastruktur ist häufig zerklüftet. Bildungseinrichtungen nutzen oft einen technischen Flickenteppich. Zwei konkurrierende Learning Management Systeme mit unterschiedlichen Funktionstiefen werden mit kostenlosen Services - und möglichen Datenschutzproblemen - ergänzt. Hinzu kommen lokal vom Rechenzentrum entwickelte oder zugekaufte Anwendungen und Workarounds. Da vieles nicht präzise verzahnt ist, wird Lernen kompliziert. Was muss man beachten, damit aus einem Flickenteppich an Lösungen ein Angebot aus einem Guss wird? Wie stellen Rechenzentren sicher, dass die technische Infrastruktur einer Bildungseinrichtung zukunftssicher ist und bleibt?
LTI-Standard sichert Interoperabilität
Einer der zentralen Gesichtspunkte hierbei ist Interoperabilität: Alle Elemente der eingesetzten Infrastruktur verfügen über offene und standardisierte Schnittstellen. Damit sind Datenaustausch, technische Verzahnung, Weiterentwicklung, kurzum der reibungslose Ablauf des Ganzen sichergestellt. Das gilt auch dann, wenn sich einzelne Elemente weiterentwickeln.
Lassen sich - infolge mangelnder technischer Verzahnung - Lernvideos nach einem Software-Update des Videoplayers auf der mobilen Edu-App nicht mehr abspielen oder die Aufzeichnungen einer Lehrveranstaltung nicht speichern, ist der Unmut der Nutzer groß. Die Quelle des Fehlers in komplexen Umgebungen zu finden, ist meist aufwändig und fast immer sicherheitsrelevant. Deshalb sichern vorausschauende Rechenzentrumsleitungen die Zukunftsfähigkeit ihrer Infrastruktur, indem sie konsequent auf die Interoperabilität von Learning Management System, Apps und Eigenentwicklungen achten und dazu einen Standard nutzen. Im EdTech-Umfeld hat sich seit über 20 Jahren ein spezieller Standard bewährt: "Learning Tools Interoperability - LTI".
Die Frage des reibungslosen Austausches von Daten, Lerninhalten und Informationen innerhalb komplexer Infrastrukturen ist nicht neu. Bereits 1995 fanden sich im IMS Global Learning Consortium Software- und Content-Anbieter sowie Bildungseinrichtungen zusammen, um offene Standards für den E-Learning-Bereichzu entwickeln und den Austausch sowie Wiederverwendbarkeit von Lehrmaterialien zu erleichtern.
Mittlerweile vereint die US-amerikanische Non-Profit Organisation rund 400 der wichtigsten EdTech-Player (darunter Blackboard, Cornelsen, IBM, Instructure, Moodle, Microsoft etc.) und bezeichnet sich selber als "größtes und einflussreichstes Standardisierung-Konsortium der Welt". Zahlreiche IMS-Spezifikationen sind weltweite De-facto-Standards geworden, werden kostenlos zur Verfügung gestellt und sichern die Interoperabilität von Lernwerkzeugen und Inhalten.
Sicher, einfach, unabhängig
Architektonisch besteht LTI aus einem zentralen Kern und Erweiterungen, um optionale Funktionen hinzuzufügen. Der LTI-Kern stellt eine sichere Verbindung her und bestätigt die Authentizität des Tools, während die Erweiterungen spezielle Funktionen - etwa den Austausch von Noten zwischen Prüfern und Prüfungsamt- ermöglichen.
LTI liegt mittlerweile in der Version 1.3 vor. In der neuen Fassung ist noch mehr Wert auf Sicherheit gelegt worden, so dass die Datenübergaben nun auf OAuth2- und JSON-Web-Tokens basieren. Zusätzlich bietet IMS mit LTI Advantage zahlreiche Erweiterungen zur Version 1.3., um die Nutzung zu vereinfachen. Dazu gehören Services für das Provisioning von Namen und Rollen oder Deep-Linking für die vereinfachte Content-Bereitstellung und Services.
Insgesamt ist LTI ein solides Framework, um Lernanwendungen und -tools auf einfache und standardisierte Weise mit Plattformen wie Learning Management Systemen, Portalen und Lernobjekt-Repositories on Premise oder aus der Cloud zu verbinden. Rechenzentren haben via LTI die Möglichkeit, aufwändige Edu-Apps wie Börsenspiele oder ein virtuelles Chemielabor mit wenigen Klicks sicher mit ihrem Learning Management System zu verbinden. Da beide Anwendungen Daten standardisiert austauschen, können sie unabhängig voneinander weiterentwickelt werden: Die Verzahnung bleibt stets gewährleistet.
Der Industrie-Standard LTI schafft Chancen, indem er ganz unterschiedlichen Anwendungen und Anwendern eine gemeinsame Sprache zur Verfügung stellt und effizient vernetzt. So wird es für Bildungseinrichtungen deutlich einfacher -wenn nicht sogar erst möglich -, weltweit zu kooperieren. Lehrmaterial muss nicht mehrfach erstellt werden, sondern kann ohne technischen Aufwand ausgetauscht werden - das beste Material setzt sich durch. Das funktioniert über einen Marketplace für EdTech Apps ziemlich gut.
Auch Verlage wie Cornelsen, Elsevier oder andere Content-Anbieter lassen sich direkt in Lernplattformen einbinden und nutzen. Zudem erfordern neue Lehrkonzepte Interoperabilität, etwa wenn Teilnehmer an der Executive Education im Rahmen von Shared Teaching an zwei Standorten lernen und gleichzeitig mit ihren Arbeitskollegen ein Projekt für den Arbeitgeber nach vorne bringen.
Inhaltliche und technische Integration
Bildungseinrichtungen profitieren von der durch LTI garantierten Interoperabilität auch intern. Oft sind mehrere Lernsysteme und Werkzeuge parallel im Einsatz. Jedes hat seine Vorteile, aber ohne Austausch bleibt die Gesamtsicht aus.
Herzstück der digitalen Bildungsumgebung ist somit ein LTI-konformes Learning Management System wie Canvas, mit dem sich unterschiedliche Systeme und Assets innerhalb der Bildungseinrichtung technisch verbinden lassen:
Lehraufzeichnungen,
Bibliotheksbestände,
bewährtes Material von Kollegen oder aus vergangenen Kursen,
Ilias,
Moodle und vieles mehr.
Auch auf Ebene der Werkzeuge sollte es keine Systemgrenzen mehr geben: Das Video ist in allen Anwendungen und Endgeräten verfügbar, Noten lassen sich sicher mit dem Prüfungsamt via API austauschen sowie Stärken und Schwächen der abgelieferten Arbeit mit den Studierenden diskutieren. Interoperabilität garantiert den technischen Betreuern Zukunftssicherheit, da Apps und Systeme unabhängig voneinander weiterentwickelt werden können.
EdTech braucht Lingua Franca
Offenheit ist auch eine Chance, Bildungseinrichten, Unternehmen und Corporate Education enger zu verzahnen. Es gibt dazu schon Beispiele, insbesondere die EPFL in Lausanne geht technisch neue Wege, um das Lernerlebnis zu verbessern.
Innovationen sind vorhanden, sie wirken aber nur nachhaltig, wenn offene Standards Verwendung finden und weiterentwickelt werden. Technik-Anbieter, Bildungseinrichtungen und Unternehmen müssen weiter zusammenarbeiten: EdTech braucht eine Lingua Franca.