Personalverantwortliche wissen seit langem: Geld ist ein unzureichender Motivator. Schließlich richten sich Arbeitnehmer nicht nach Marktbedingungen und stellen dabei Geld über alles andere. Vielmehr suchen viele nach etwas Kurzlebigerem, das wir als Sinn bezeichnen. Auch Entwickler wünschen sich eine sinnvolle Tätigkeit - das Gefühl, mit ihrer Arbeit etwas zu bewirken. Dabei schlagen sie mitunter ganz eigene Wege ein.
Wenn Sie selbst kein Programmierer sind, dann haben Sie unter Umständen in vielerlei Hinsicht ein falsches oder verzerrtes Bild von der Entwicklungsarbeit. Software zu schreiben, erfordert nämlich weit mehr Kreativität als gemeinhin oft angenommen wird. Dieser kreative Aspekt ist es, von dem Developer abhängig sind und der sie antreibt. Softwareentwickler Dan Moore drückte es in seinem Blog folgendermaßen aus: "Selbst als neuer Entwickler trifft man ständig kleine kreative Entscheidungen (etwa bei der Benennung einer Variablen). Das ist ein Teil dessen, was die Softwareentwicklung so erfüllend und unterhaltsam macht."
Darüber hinaus ist es aber auch der Aspekt, der bei der Führung und Bindung von Developern am häufigsten vernachlässigt wird. Der Schlüssel zum langfristigen Erfolg von Entwicklern liegt darin, ein Gleichgewicht zwischen produktivem und kreativem Antrieb zu schaffen. Um IT-Führungskräfte dabei zu unterstützen, das sicherzustellen, geben wir im Folgenden einige Einblicke in die Denkweise von Softwareentwicklern.
Die richtigen Ergebnisse messen
Niemand mag es, wie ein Posten auf einer Liste abgehandelt zu werden. "X Gehalt für Y Leistung und bei negativer Entwicklung Abgang" ist generell kein gutes Motto, nach dem Unternehmen verfahren sollten. Besonders gefährlich ist es allerdings, Programmierer so zu behandeln - auch weil deren Output sich nur schwer quantifizieren lässt. Beauftragen Sie einen Dev damit, ein Widget zu programmieren, ist die Zeit, die er dafür aufwendet, sich darüber Gedanken zu machen, wie er es wiederverwendbar gestaltet, womöglich sinnvoll investiert und kann unvorhersehbare Vorteile bringen. Die eine plötzliche Erkenntnis, die den Entwickler unter der Dusche ereilt, während er darüber nachdenkt, wie die Softwarekomponenten zusammenpassen, kann wertvoller sein als das, wofür Sie ihn eigentlich bezahlt haben.
Oder um es noch einmal zu verdeutlichen: Am schlimmsten ist es, sich Entwickler als Schreibkräfte vorzustellen und davon auszugehen, dass mehr Codezeilen mehr Wert schaffen. Dieses Verständnis ist völlig falsch: Die minimale Menge an Code, die die Anforderungen erfüllt, ist die beste. Je mehr auf das Wesentliche reduziert wird, desto besser. In seinem Buch-Klassiker "Code Complete" beschreibt Steve McConnell das WIMP-Prinzip (Why Isn't Mark Programming). Dabei geht es um den Chef einer Programmierabteilung, der sich fragt, warum die Entwickler nicht zu arbeiten scheinen.
Natürlich hat sich die Branche seit der Veröffentlichung von McConnells Buch im Jahr 2004 stark weiterentwickelt - inzwischen ist so gut wie jedem klar, dass Softwareentwicklung auch Phasen des Nachdenkens beinhaltet. Und viele Praktiken im Rahmen der agilen Entwicklungsarbeit beziehen Design und Planung ausdrücklich in den Lebenszyklus mit ein. Die meisten Ansätze profitieren heutzutage davon, dass sie auf engere Feedback-Schleifen drängen, die das Denken in den Prozess integrieren und wasserfallartige Abläufe vermeiden.
Raum für Innovation schaffen
Ein solider Prozess, der die Leistung Ihrer Entwickler unterstützt, ist unerlässlich. Aber es gibt auch darüber hinaus noch viele Möglichkeiten, um unter Developern eine Performance-Kultur zu schaffen, wie auch Matt Raible, Developer Advocate bei Okta, findet: "Ich glaube, dass Leidenschaft und die Möglichkeit zu lernen für Entwickler eine große Rolle spielen - ebenso wie Freiraum für Innovationen."
Dabei fällt auf, dass ein innovativer Durchbruch oft nicht durch eine zielgerichtete Aktivität entsteht, sondern durch freies Experimentieren. Die Möglichkeit, auf etwas hinzuarbeiten, das über das unmittelbare Endergebnis hinausgeht, schürt bei Softwareentwicklern die Leidenschaft. Leidenschaft und Innovation befinden sich in einer positiven Rückkopplungsschleife, einem Kreislauf, der sich nicht um einen externen Zweck dreht, sondern um die Sache selbst - schöne Software zu erschaffen und zu verbreiten. Praktische, sogar revolutionäre Anwendungen können als Nebenprodukt dieses zentralen Prozesses gesehen werden. Von außen mag es schwer zu erkennen sein, aber Developer sehen elegante Softwaresysteme als etwas Wertvolles an.
Doch - und das gehört auch zur Wahrheit - Entwickler neigen leider auch dazu, den klassischen Fehler des Technologen zu begehen: um des Bauens willen bauen, ohne auf den Nutzen der Sache zurückzukommen.
Kreativität motiviert
Viele Softwareentwickler (ich wage zu behaupten, die meisten) sind durch den kreativen Nutzen hoch motiviert. Aus diesem Grund ist unter anderem auch Social Coding so beliebt. Programmierer wollen ihre Arbeit mit anderen teilen, die sehen und schätzen können, was an dem Code selbst wertvoll ist. Als ebenso befriedigend empfinden Developer es, sich das anzusehen, was andere programmiert haben.
Das positive, motivierende Gefühl beim Programmieren ist ein Ähnliches, wie beim Komponieren von Musik oder dem kreativen Schreiben. Man kann durchaus von einem künstlerischen Aspekt sprechen und Entwickler auch als Künstler sehen. "Für Außenstehende ist die Entwicklung allerdings oft eine Art Blackbox", meint Ryan Carniato, Erfinder der Programmiersprache SolidJS. "Entwickler werden schnell als Input-Output-Maschinen betrachtet."
Die Tech-Kultur hat einen langen Weg zurückgelegt, um die Kreativität der Entwickler anzuerkennen. Dennoch besteht weiterhin eine kritische Kluft zwischen Entwicklung und Business. Wahrscheinlich liegt das auch am Medium des Programmierers - es scheint sehr wissenschaftlich-mathematisch und ist doch kurzlebig. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder die kreative, menschliche Seite der Entwicklungsarbeit vor Augen zu führen. Führungskräfte, die dabei unterstützen können, den kreativen Antrieb der Softwareentwickler in Richtung der Geschäftsziele zu lenken und ihnen dabei das Gefühl vermitteln, für eine gute Sache zu arbeiten, können mit außerordentlichen Erträgen rechnen. (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.