4 Netzwerktechnologie-Hypes

So händeln Sie Führungsetagen-FOMO

Kommentar  04.09.2023
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Tom Nolle ist President der CIMI Corporation, einem in den USA ansässigen Beratungsunternehmen. Seine Projekte haben ihn rund um die Welt geführt und mit nahezu jeder Netzwerktechnologie in Berührung gebracht.

Lassen Sie sich nicht dazu drängen, gehypte Netzwerktechnologien ungeprüft zu implementieren.
Technologie-Hypes und die daraus erwachsenden, "fixen Ideen" setzen Netzwerk- und Technologieentscheider unter Druck. Lesen Sie, wie Sie damit umgehen sollten.
Technologie-Hypes und die daraus erwachsenden, "fixen Ideen" setzen Netzwerk- und Technologieentscheider unter Druck. Lesen Sie, wie Sie damit umgehen sollten.
Foto: Anton Vierietin - shutterstock.com

Technologie- und Netzwerkexperten stehen in vielen Fällen unter enormem Druck seitens der Geschäftsleitung, gehypte Technologien möglichst zeitnah zu implementieren. Wenn dabei der Mehrwert für das Unternehmen keine Rolle spielt - oder aus Zeitgründen keine Rolle spielen kann - ist die Basis für eine schlechte Technologieentscheidung geschaffen. Um einen CIO zu zitieren, mit dem ich mich kürzlich unterhalten habe: "Bei jeder neuen Sau die durch's Dorf getrieben wird, muss ich wieder mit dem Vorstand meeten, um eine dumme Idee zu entkräften."

Ein Problem, das ich auch aus meiner eigenen beruflichen Laufbahn kenne. Stellt sich nur die Frage, wie Technologieexperten solchen Entwicklungen und dem Hype entgegenwirken können. Aus meiner Erfahrung ist es nicht zielführend, mit Ablehnung zu reagieren. Ganz allgemein gesprochen, können Sie Hype-getriebenen Technologievorschlägen von Vorständen und CEOs folgendermaßen begegnen:

  • "Ich stimme zu, dass das Thema echtes Potenzial hat, sehe aber kurzfristig einige Probleme, die gelöst werden müssen, bevor wir uns darauf einlassen können."

  • "Ich habe bereits eine Studie dazu in Auftrag gegeben und werde Ihnen Bericht erstatten, wenn diese abgeschlossen ist."

In der Regel steckt hinter jeden Hype auch ein einigermaßen triftiger Grund. Diesen gilt es anzuerkennen und erst einmal Zeit zu gewinnen. Hype-Wellen kommen und gehen. Eventuell lässt dann auch das Management von unguten, zu kurz gedachten und FOMO (Fear of Missing Out) -getriebenen Ideen ab.

Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die aktuell vier größten Hypes im Bereich der Netzwerktechnologien - und darauf, wie Sie mit diesen karrierefördernd "fertigwerden".

1. Netzwerkautomatisierung mit KI

Die Automatisierung des Netzwerkbetriebs mit Hilfe künstlicher Intellligenz (KI) dürfte in vielen Fällen ganz oben auf der Hype-Liste der IT-Entscheider stehen. Der beste Ansatz, um Implementierungs-Druck abzubauen, besteht in einer schrittweisen Einführung der Technologie. Ihre Argumentation könnte dabei wie folgt aussehen:

  1. "KI entwickelt sich rasant und ist vielversprechend, aber es ist gut dokumentiert, dass KI-Systeme auch fehlerbehaftet sind."

  2. "Hat die KI die Kontrolle über das Netzwerk und macht einen Fehler, ist es für das Netzwerkteam schwierig, festzustellen, was genau passiert ist und warum."

  3. "Die beste Lösung für die beiden genannten Probleme wäre es, KI zunächst in einer beratenden Funktion und in einem abgegrenzten Bereich des Netzwerks zu implementieren."

Es ist empfehlenswert, einen Anbieter zu identifizieren, der ein intergiertes AI Advisory Tool anbietet und dieses Tool im Rahmen eines Projekts in den Netzwerkbetrieb zu integrieren. Dieses Projekt sollte ermöglichen,

  • den Wert des Tools durch einen Vergleich der Reaktionszeiten bei Problemen zu evaluieren,

  • Best Practices für den optimalen KI-Einsatz zu entwickeln und

  • die KI-Evolution zu monitoren, um beurteilen zu können, wann man der Technologie tatsächlich "trauen" kann.

2. Private 5G

Private 5G ist ebenfalls ein Hype-Thema, das viele Technologieentscheider und -experten beschäftigt. Aus meiner Erfahrung und Gesprächen mit Experten ist der beste Ansatz, um Vorschlägen in diesem Bereich zu begegnen:

  • "WiFi unterstützt die große Mehrheit der Geräte, die wir bereits nutzen. Wir sollten 5G deshalb als Option für die Bereiche betrachten, in denen WiFi nicht zuverlässig ausreicht."

Das ist nämlich im Regelfall auf bestimmte Verticals beschränkt, beispielsweise öffentliche Versorgungseinrichtungen, das Transportwesen oder Behörden. Zudem betrifft es vor allem moderne IoT-Applikationen - nicht Anwendungen, bei denen vorhandene Devices mit einem Netzwerk verbunden werden müssen.

Um zu überprüfen, wie viel Potenzial Private 5G für ihren Fall tatsächlich hat, empfiehlt sich ein Facility Audit. Dabei werden sämtliche Unternehmensstandorte daraufhin überprüft, ob sie ordnungsgemäß mit WiFi versorgt sind und ob es Anwendungen gibt, die Private 5G als Verbindungsoption rechtfertigen würden.

Fällt diese Prüfung positiv aus, gilt es, die Optionen für den Aufbau eines Private-5G-Netzwerks zu evaluieren. Dabei sollten Sie sowohl die Angebote von Netzwerk- als auch Cloud-Providern unter die Lupe nehmen. Darüber hinaus empfiehlt es sich, sich mit ähnlichen Projekten anderer Unternehmen auseinanderzusetzen und von deren Erfahrungen zu lernen.

3. Open Networking

Ein befreundeter Netzwerkmanager erzählte mir von einem Meeting mit seinem CFO. Der Finanzentscheider hatte nämlich gelesen, dass White-Box-Devices und Open-Source-Software die Investitionskosten halbieren könnten.

Tatsächlich gilt Open Networking gemeinhin als die kostengünstigste Option für Unternehmen. Das macht es schwierig, dem Management zu vermitteln, dass es diffizil ist, die angedachten Vorteile auch zu realisieren. Das liegt wiederum vor allem daran, dass es nicht ohne Weiteres möglich ist, von einer proprietären Netzwerkinfrastruktur auf eine offene umzusteigen.

Um einschätzen zu können, ob sich Open Networking in Ihrem Fall überhaupt lohnt, empfiehlt sich ein Audit spezifischer Netzwerksegmente beziehungsweise derer zu erwartender Lebensdauer. Dabei sollten Sie sich auf die Standorte konzentrieren,

  • an denen Switches zum Einsatz kommen (etwa das Rechenzentrum) oder

  • bei denen ein Technologie-Change ohnehin im Raum steht (etwa SD-WAN als Erweiterung des Unternehmens-VPN).

Wenn sich sämtliches Equipment in einem Teil des Netzwerks auf einmal austauschen lässt, ist das die ideale Voraussetzung für Open Networking. Ist das nicht der Fall, sorgen neue Devices dafür, dass sich die Betriebsabläufe verändern. Ein Nachteil, der nur schwer aufzuwiegen ist.

4. Zero Trust Network Access

Security ist zu Recht ein kontinuierlich heißes Eisen und sorgt am laufenden Band für neue Buzzword-Kreationen. Dabei ist Zero Trust gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch: Nicht nur neigt die Führungsebene dazu, ohne groß nachzudenken auf diesen Zug aufzuspringen. Es existiert vor allem auch keine einheitliche Definition des Begriffs. Viele Abteilungen verbringen deshalb auch viel zu viel Zeit damit, sich mit den überbordenden Versprechungen von Technologieanbietern auseinanderzusetzen.

Der beste Ansatz, um sich diesem Hype entgegenzustemmen: Definieren Sie Zero Trust als "explizites Vertrauen". Stellen Sie klar, dass das bedeutet, Tools und Prozesse einzuführen, um Benutzer zu validieren, Ressourcen zuzuweisen und Beziehungen zu managen. Es wird Auswirkungen auf die Fachbereiche haben, die das umsetzen müssen.

Geht es um einen Zero-Trust-Anbieter, empfehlen sich solche, die im Bereich Security und Netzwerkkonnektivität bereits etabliert sind. Beziehen Sie unbedingt die Fachabteilungen mit ein, wenn darum geht, die einzelnen Tools zu evaluieren.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Network World.