So geht Hackathon

09.07.2024
Von 
Eric Frank ist freischaffender Journalist und Data Scientist.
Erfolgreiche Hackathons erfordern eine strategische Herangehensweise.
Hackathons, die Mitarbeiter-Engagement, cross-funktionale Zusammenarbeit und Innovationskraft befeuern sollen, erfordern die richtige Planung.
Hackathons, die Mitarbeiter-Engagement, cross-funktionale Zusammenarbeit und Innovationskraft befeuern sollen, erfordern die richtige Planung.
Foto: DC Studio | shutterstock.com

Hackathons wurden vor einigen Jahren in erster Linie mit Startups und kleinen Developer-Teams in Verbindung gebracht. Inzwischen haben jedoch auch die IT-Verantwortlichen in Großunternehmen erkannt, dass diese kollaborativ ausgerichteten Entwicklungs-Events ein gutes Mittel sind, um die Innovationskraft im Unternehmen anzukurbeln.

Über einen Hackathon greifbaren Mehrwert für das eigene Unternehmen zu generieren, ist allerdings nicht ohne. Die Grundlage dafür schaffen Unternehmen insbesondere, indem sie Hackathons ausschließlich aus sinnvollem Anlass veranstalten - also nicht, weil das gerade bei der direkten Konkurrenz in Mode ist. Liegen greifbare, legitime Gründe vor, um einen Event dieser Art aufzuziehen, kann das - insbesondere in der IT-Abteilung - Innovationen fördern und ein Image als "Innovationsbremse" verhindern.

Das kann Rock Tsai, CIO von Taiwan Mobile, auf Grundlage eigener Erfahrungen bestätigen: "Wenn das Business noch vor ein paar Jahren bei der IT Unterstützung für neue Services oder Prozessinnovationen angefragt hat, lautete die Antwort oft, dass das nicht vorgesehen ist oder mangels Ressourcen oder Budget nicht möglich ist. Das hat uns dazu bewogen, die Innovationsleidenschaft der IT-Abteilung mit Hackathons neu zu entflammen."

Dabei unterscheidet der CIO des zweitgrößten taiwanesischen Mobilfunkanbieters ganz grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Hackathon-Formen:

  • "Inside-Out"-Hackathons richten sich ausschließlich an die internen IT-Beschäftigten.

  • "Outside-In"-Hackathons sind die "traditionelle" Form und beziehen das gesamte Unternehmen mit ein.

Speziell erstgenannte Form könne laut Tsai dafür sorgen, dass die "Buy-In"-Rate in den Reihen des IT-Teams steigt - selbst wenn die zugrundeliegende Idee sich im Laufe der Zeit verändere: "Vielleicht unterscheidet sich der finale Vorschlag von dem, was die IT-Mitarbeiter ursprünglich vorgeschlagen haben. Weil sie aber bereits motiviert wurden, zu innovieren, glauben sie auch an den Change", konstatiert der CIO.

Wir haben mit Tsai und weiteren Experten zum Thema Hackathon gesprochen und fünf Schlüsselkriterien identifiziert, die ganz wesentlich über den Erfolg der kollaborativen Entwicklungsinitiativen entscheiden.

1. Konkret werden

Existiert eine solide Grundlage dafür, einen Hackathon zu organisieren, tun Unternehmen gut daran, diesen nicht ergebnisoffen zu gestalten. Das rät zumindest Leah Balter, Chief Information and Transformation Officer bei Bunnings, einem australischen Einzelhändler mit Fokus auf Heimwerkerbedarf, auf Grundlage ihrer Erfahrungswerte: "Wir mussten feststellen, dass es nicht gut funktioniert, sich auf ein breites Spektrum einzulassen, bei dem man sozusagen an allem Möglichen arbeitet. Die meisten Ideen, die diese allgemein ausgerichteten Hackathons hervorgebracht haben, waren nicht produktionsreif. Es gab zwar schöne Konzepte, aber keines, das einen wesentlichen Business Impact gebracht hätte."

Deshalb rät die Managerin zu Hackathons, die eine bestimmte Technologie, einen spezifischen Use Case - oder beides - fokussieren. Als Beispiel führt Balter den jüngsten Hackathon bei Bunnings an, bei dem es darum ging, Produktivität und Sales-Initiativen mit Hilfe von generativer KI zu optimieren: "Innerhalb von zwei Stunden wurden mir 25 Ideen vorgelegt, die mich wirklich zum Nachdenken angeregt haben. Die zehn besten sollten wir idealerweise in den nächsten drei Monaten umsetzen", stellt die Transformationsexpertin in Aussicht. Sie fügt hinzu: "Auf diesen Hackathon zu verzichten, hätte monatelange, strategische Arbeit nötig gemacht, um zu den gleichen Ergebnissen zu kommen. Es war eine tolle Möglichkeit, den gesamten Innovationsprozess zu beschleunigen und dabei die besten Ideen zu sammeln."

2. Teams kombinieren

Bereits der Begriff "Hackathon" legt nahe, dass die Teilnehmer technische Skills mitbringen sollten - in der Regel Softwareentwickler oder Designer mit einem Händchen für Problemlösungen. Zumindest gilt das für traditionelle Hackathons. Geht es dabei um Veranstaltungen in Großunternehmen, empfiehlt sich hingegen ein breites Spektrum von Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Zwar seien Tech-Spezialisten in der Regel wenig begeistert von "Ideengebern" aus nicht-technischen Bereichen - genau deshalb sei dieser Ansatz jedoch von Vorteil, meint Aran Azarzar, CIO beim DevOps-Spezialisten JFrog: "Jede Teilnehmergruppe sollte einige nicht-technische Personen an Bord haben, die Ideen einbringen können - und zwar ohne die technischen Barrieren, die Entwickler oft im Kopf haben. Manchmal kommen von diesen die besten Inputs."

Leider sei es schwierig, diese Art von Beschäftigten als Freiwillige zu gewinnen, berichtet der IT-Entscheider - und appelliert an seine Berufsstandskollegen: "Sie müssen im Rahmen der Organisation von Hackathons proaktiv um solche Teilnehmer werben. Das ist insbesondere deswegen eine Herausforderung, weil nicht jeder um die Talente weiß, die ihn ihm oder ihr schlummern. Es gilt, diese Personen und das für sie optimale Einsatzgebiet vorab zu identifizieren."

3. Begeisterung wecken

Um diese Strategie in der Praxis umzusetzen, reicht es natürlich nicht, einfach einen Hackathon zu organisieren und anschließend darauf zu hoffen, dass der Geist der Collaboration schon dafür sorgen wird, das daraus etwas Sinnvolles entsteht. Geht es nach JFrog-CIO Azarzar muss ein End-to-End Owner sich dabei um alles kümmern - vom Facility Management über die Ideation bis hin zur Team-Zusammenstellung und dem eigentlichen Wettbewerb.

Bunnings-Managerin Balter bemüht sich darüber hinaus auch aktiv darum, Teilnehmer aus allen Bereichen des Unternehmens an Bord zu holen. Das funktioniere in erster Linie durch interne Kommunikationskampagnen rund um den Hackathon, wie die Technologieentscheiderin preisgibt: "Es geht darum, auch durch Bildsprache zu vermitteln, dass es darum geht, funktionsübergreifend zusammenzukommen, um etwas zu kreieren. Dabei beziehen wir Online-Channel wie unseren Social Media Workspace ebenso ein wie Offline-Kanäle - etwa Banner oder Poster in den Bürogebäuden."

Was nicht heißen soll, dass bei JFrog bezüglich interner Kommunikationsmaßnahmen weniger Sorgfalt an den Tag gelegt würde. Azarzar verfolgt das Konzept, die Details zu Hackathons schrittweise und in kleinen Häppchen zu servieren, um abteilungsübergreifende (Teilnahme-)Begeisterung zu wecken. "Den Wettbewerb langsam zu enthüllen, weckt die Neugierde der Mitarbeiter - und den Wunsch, daran teilhaben zu wollen", berichtet der CIO nicht ohne Stolz.

Auch für den zweigleisigen Ansatz des Taiwan-Mobile-CIO ist multidisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend. Insbesondere mit Blick auf Outside-In-Hackathons: "Um die Kundenperspektive einnehmen zu können, sollten Teams aus dem gesamten Unternehmen teilnehmen. Das schließt diejenigen mit ein, die häufig in Kundenkontakt stehen, wie Marketing- oder Vertriebsmitarbeiter", erklärt Tsai.

4. Kontinuität gewährleisten

Ähnlich wie bei Business-Konferenzen besteht auch bei Hackathons die Gefahr, dass die Begeisterung (auch bezüglich der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit) im Sande verläuft und brillante Ideen verpuffen, sobald die Veranstaltung beendet ist. Erfolgreiche Hackathons zeichnen sich hingegen durch eine Kontinuität zwischen dem Event und der geschäftlichen Realität des Unternehmens aus. Diese Kontinuität beginnt wiederum bei der Auswahl der Juroren, die am Ende darüber entscheiden, wer den Wettbewerb gewinnt. Dabei sind externe Tech-Persönlichkeiten oder Tech-Führungskräfte beliebte Optionen.

Über deren Tellerrand es sich allerdings hinauszublicken lohnt, wie Bunnings-Entscheiderin Balter nahelegt: "Bei dieser Gelegenheit empfiehlt es sich, Führungskräfte aus allen Bereichen einzubeziehen. Wenn die Teilnehmer ihre Ideen mehreren Entscheidern präsentieren müssen, sendet das auch die Botschaft, dass es sich nicht um eine Spaßveranstaltung handelt. Aber es verpflichtet auf der anderen Seite auch die Führungskräfte, wirklich gute Ideen am Ende auch zu finanzieren und umzusetzen."

Um die Kontinuität nach dem Hackathon zu gewährleisten, ergreift man auch bei Taiwan Mobile entsprechende Maßnahmen, wie CIO Tsai darlegt: "Wir haben die Hackathons auf unseren jährlichen Planungszyklus abgestimmt, um die siegreichen Vorschläge im nächsten Jahresbudget berücksichtigen zu können. Im Rahmen dieses Prozesses erhalten die Siegerteams außerdem ein Zwischenbudget, um initiale Entwicklung- und Planungsarbeit leisten zu können. Sobald das erfolgreich erledigt ist, kann weiteres Budget freigeschaltet werden."

In erfolgversprechende Ideen zu investieren, die aus Hackathons entstehen, kann einen positiven Kreislauf in Gang setzen, der weit über die bloße Umsetzung hinausgeht: Talentierte Entwickler wollen in der Regel an spannenden Projekten arbeiten. Hackathons sind also auch Mittel, Dev-Talente anzuziehen und zu binden, wie Balter bestätigen kann: "Es demonstriert einen Fokus auf Innovation und ein Interesse an neuen Ideen, die dabei helfen, das Unternehmen voranzubringen."

5. Kulturwandel vollziehen

Hackathons werden in vielen Fällen als reine Geschäftsaktivität betrachtet, die Innovation schafft. Viel zu selten werden die kollaborativen Events als Mittel gesehen, um zu einer Innovationskultur im Unternehmen beizutragen. Azarzar sieht für CIOs vor allem zwei Gründe, einen Hackathon in Betracht zu ziehen: "Erstens, wenn Sie ein echtes Problem haben, das Sie schnell lösen wollen - und dabei alle Hände voll zu tun haben. Zweitens, wenn Sie die Innovation im Unternehmen fördern wollen."

Letzteres deckt sich mit der Erfarung von Taiwan-Mobile-CIO Tsai, der von einer kulturellen Verbesserung berichten kann. Zwar habe sein Arbeitgeber zahlreiche Produkte und Verbesserungen als direktes Ergebnis von Hackathons eingeführt, den eigentlichen Vorteil sieht der Manager aber in der tiefgreifenden Veränderung der Beschäftigtenperspektive: "Die Einstellung der Mitarbeiter verändert sich. Sie erkennen zunehmend, dass sie Innovatoren sein können und wollen." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.