Damit nicht nur Vorurteile gepflegt werden

So geht generationsübergreifende Zusammenarbeit

25.04.2024
Von 
Boris Gloger ist Gründer und Geschäftsführer von borisgloger consulting, einer Managementberatung im Bereich des agilen Change-Managements und der agilen Produktentwicklung in der DACH-Region.
Vor allem die jüngeren Generationen sehen die älteren Kollegen kritisch, wie eine aktuelle Studie zeigt. Worauf beide Seiten achten sollten, damit die Zusammenarbeit besser funktioniert, zeigen folgende 5 Tipps.
Damit die Zusammenarbeit zwischen den Generationen funktioniert, ist es entscheidend, das Gleichgewicht zu finden, wo Jüngere sich wohlfühlen und lernen, während Ältere ihre Erfahrungen teilen.
Damit die Zusammenarbeit zwischen den Generationen funktioniert, ist es entscheidend, das Gleichgewicht zu finden, wo Jüngere sich wohlfühlen und lernen, während Ältere ihre Erfahrungen teilen.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Unflexibel, risikovermeidend und erschöpft: Das ist das Urteil der jüngeren Generationen über die älteren Kollegen und Kolleginnen 55+. In unserer Studie in Kooperation mit der Technischen Hochschule Augsburg haben wir knapp 500 Fach- und Führungskräfte aller Altersgruppen zu ihrer Arbeitssituation befragt. Auffallend: Bei den Jüngeren überwiegt eine kritische Sicht auf die älteren Kollegen.

Umgekehrt ist das nicht der Fall: Einer Zusammenarbeit mit den oft kontrovers diskutierten, jüngeren Generationen stehen die Älteren positiv gegenüber. So werden die jüngeren Teammitglieder im Allgemeinen als motiviert, kommunikativ, innovativ, flexibel, gesund und fit wahrgenommen. Damit die Zusammenarbeit auch reibungslos läuft, helfen folgende 5 Hinweise:

Tipp 1: Unterschiede anerkennen und Stärken der Generationen nutzen

Ob es um Workation, eine Viertagewoche oder ein Sabbatical geht: Die jüngeren Generationen treiben den Wandel der Arbeitswelt maßgeblich voran. Sie sind offen für ein agiles Arbeitsumfeld, in dem neue Trends als Chance und Wachstumsfeld gesehen werden und nicht als anstrengende Veränderung. Ältere Arbeitnehmer halten eher an Mustern fest und sind oft nicht bereit, sich mutig dem Wandel der Arbeitswelt anzupassen. So werden sie unserer Studie nach von den jüngeren Kollegen auch als "beharrend" wahrgenommen.

Jüngere wollen keine langen Prozesse

Umgekehrt fordern jüngere Mitarbeitende mehr Autonomie, flexiblere Arbeitszeiten und höhere Löhne. Sie achten auf eine gute Unternehmenskultur - so stelle ich auch es im eigenen Betrieb immer wieder fest. Frisch von der Universität wollen sie nicht lange auf untergeordneten Positionen verweilen, sondern streben nach schnellerer Einflussnahme und Wirksamkeit. Kurzum: Lange Prozesse lehnen sie ab, stattdessen möchten sie ihr Wissen schnell einbringen.

Ältere sollten daher erklären, welche Rahmenbedingungen existieren und so den größeren Zusammenhang aufzeigen, anstatt darauf zu beharren, dass "die Dinge schon immer so gemacht werden". Dadurch diktieren sie die Arbeitsweisen nicht. Gleichzeitig ermutigen sie die Jüngeren, innerhalb dieses Rahmens neue, kreative Lösungen zu finden, um die Aufgaben schneller zu erledigen. Diese Dynamik kann zu innovativen Ansätzen führen, wie es oft bei Start-ups der Fall ist. Genau dieser Gegensatz bietet die große Chance im Miteinander und fördert ein Verständnis für unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen.

Tipp 2: Wertschätzung im täglichen Tun mit Respekt fördern

Als Unternehmensberatung für agile Transformationen arbeiten wir selbst nach agilen Grundsätzen. So steht in der Welt der Agilität ein zentraler Wert im Vordergrund: Respekt. Man muss nicht immer derselben Meinung sein, aber es ist unabdingbar, einander trotz Unterschieden zu respektieren.

Nicht mehr selbstverständlich, dass Jüngere Ältere respektieren

Unsere Gesellschaft in Europa ist stark von sozialen Medien und postmodernen Werten geprägt. Anders als in kulturellen Traditionen wie dem Konfuzianismus, ist es nicht selbstverständlich, dass die Jüngeren die Älteren respektieren. Im Gegenteil: Diffamierung ist allgegenwärtig, auch in Unternehmen. Diese Dynamik kann sich wandeln, sobald tatsächliche Zusammenarbeit entsteht und die Menschen sich wirklich kennenlernen.

Agile Teams demonstrieren mit Techniken wie Mob-Working, wie Respekt durch kollektives Handeln wächst. Dabei konzentriert sich das Team gleichzeitig und am selben Ort auf eine Aufgabe, ähnlich einem Hackathon. Für solch eine Zusammenarbeit sind Workshops unnötig. Stattdessen zählen gemeinsame Aktivitäten in Retrospektiven, tägliche Kurzbesprechungen (Daily Stand-ups) und Review-Meetings.

Tipp 3: Zusammenarbeit in Tandems und Mentoring anbieten

Diejenigen, die Mob-Working noch als ineffizient ansehen, bietet die kleine Variante - das Pair-Working oder auch Arbeiten in Tandems - eine ideale Lösung, um generationenübergreifende Zusammenarbeit zu stärken. Hierbei arbeiten ältere und jüngere Kollegen in Zweiergruppen zusammen. Sie lernen voneinander und entwickeln gemeinsam Lösungen.

Diese Zusammenarbeit erfordert allerdings zunächst Anleitung, oft durch einen externen Facilitator. Meiner Erfahrung und Beobachtung nach war die Methode schon in vielen Teams erfolgreich. Sind die Teams bzw. die Tandems dann nach ein bis zwei Wochen in dieser Arbeitsweise geübt, kann sich der oder die Facilitatorin um das nächste Team kümmern.

Tipp 4: Teambuilding durchgehend unterstützen

Teambuilding wird noch immer unterschätzt, obwohl der positive Einfluss und die Bedeutung allgemein bekannt sind: Viele Unternehmen vernachlässigen es zugunsten des Tagesgeschäfts. Doch die Zeit, die in Teambuilding investiert wird, zahlt sich aus: Menschen, die sich kennen und gegenseitig vertrauen, arbeiten produktiver zusammen. Teambuilding sollte nicht als Notlösung angesehen werden, die nur bei Problemen in Form von "Korrekturveranstaltungen" zum Einsatz kommt. Es ist essenziell, besonders beim Zusammenführen von erfahrenen und neuen Mitarbeitenden.

Zusammenhalt durch Büropräsenz stärken

In der Post-Corona-Zeit ist Home-Office zur Regel geworden - deshalb sollten Unternehmen bewusst darauf achten, Zeit fürs Zusammensein abseits vom Tagesgeschäft einzuplanen. Jüngere Mitarbeitende erwarten, dass diese Treffen innerhalb der Arbeitszeit stattfinden. Es sollte also Gewohnheit werden, dass Teams ein- oder zweimal im Monat ins Büro kommen, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten und so den Zusammenhalt zu stärken.

Tipp 5: Eine Kultur des Experimentierens einführen

Ignoranz lässt sich nur durch Wissensvermittlung abbauen. Das heißt, die Jüngeren sollten sich die Mühe machen, den Älteren die neuen Konzepte und Fertigkeiten beizubringen - und das unabhängig davon, wer die leitende Position innehat. Anstatt innerlich zu resignieren, wenn Ältere sich mit ChatGPT schwertun, sollten ihnen jüngere Mitarbeitende geduldig das "Prompten" beibringen. Dieser Wissenstransfer ist aber nur von Erfolg gekrönt, wenn die älteren Kollegen offen dafür sind, von den Jüngeren zu lernen.

Ein Beispiel: In meinem Unternehmen nutze ich das Wissen jüngerer Kollegen, um unsere Social-Media-Strategie zu verbessern. Ich gebe lediglich das Ziel vor. Die Ausführung - welche Inhalte zu welcher Zeit und in welcher Form sie dort umsetzen - obliegt ihnen.

Wichtig: Es zählt die beste Idee - unabhängig vom Alter

Als Führungskraft ist es meine Aufgabe, den generationsübergreifenden Dialog zu fördern und effektive Zusammenarbeit vorzuleben. Wichtig dabei ist: Die beste Idee zählt, unabhängig von ihrem Urheber oder ihrer Urheberin. Wir begrüßen alle Vorschläge, auch wenn manche Ideen sich wiederholen und nicht immer funktionieren. Junge Mitarbeitende sollten die Möglichkeit bekommen, aus diesen Versuchen zu lernen.

Führungskräfte haben die besondere Rolle, kollaborative Arbeitsumgebungen zu schaffen, indem sie solche Freiräume ermöglichen oder etablieren. Im besten Fall können dadurch jüngere Teammitglieder ihre erfahrenen Kollegen für frische, einst gescheiterte Ideen gewinnen.

Fazit: Erfolg entsteht nur durch gute Zusammenarbeit

In vielen Arbeitsumgebungen dominieren noch immer Regularien und Prozesse. Trotz des verbreiteten Strebens nach New Work scheitern Unternehmen noch zu oft an der Zurückhaltung älterer Mitarbeitender, ihre Arbeitsmethoden und die dahinterliegenden Grundannahmen zu ändern. Auf der anderen Seite vermissen jüngere Mitarbeitende den experimentellen Geist bei ihren erfahreneren Kollegen.

Hier entsteht ein Konflikt zwischen dem Drang, Neues zu wagen, dem Festhalten an bewährten Methoden und der Skepsis, dass neue Ideen auf höheren Hierarchieebenen nicht umgesetzt werden. Abhilfe schaffen gemeinsame Lernräume und Erfahrungen, die das Unternehmen voranbringen. So erkennen die Generationen, dass der Erfolg durch die Zusammenarbeit entsteht - auch mit vermeintlichen Diskrepanzen.

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