Ein ERP-System (Enterprise-Resource-Planning-System) ist das Herzstück eines Unternehmens. Es bietet einen Rahmen für Strukturen, liefert Daten für intelligente Entscheidungen und schafft neue Möglichkeiten für Wachstum. Mit automatisierten Geschäftsprozesse im Back Office lassen sich noch immer Vorteile im Wettbewerb gewinnen. ERP-Projekte bedeuten also mehr als nur das Einführen oder Austauschen einer Software. Wer eine neue ERP-Software einführen will, hat allerdings eine Menge Arbeit vor sich: Alle Unternehmensbereiche sind betroffen, zudem ist die längere Zusammenarbeit in einem großen, interdisziplinären Team notwendig.
Auch wenn Ihr ERP-Partner Sie mit seinem Know-how unterstützt, brauchen Sie eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Vorhaben voranbringen. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei den Key-Usern zu. Lesen Sie in diesem Beitrag, welche Rolle Key-User in einem ERP-Projekt spielen. Erfahren Sie außerdem, wie sie die besten Mitarbeiter für Ihr Projekt finden können.
ERP: Die wichtigsten Rollen im Projekt
Ein ERP-Projekt ist kein reines IT-Projekt. Es ist vielmehr ein organisationsübergreifendes Vorhaben, an dem viele Beschäftigte in diversen Rollen und mit einer Fülle von Aufgaben teilnehmen. Folgende Stakeholder sind eingebunden:
Der Lenkungsausschuss bestimmt die Richtung des Projekts und trifft die zentralen Entscheidungen. Meist sitzen hier die Geschäftsführer von Unternehmen und der oder die ERP-Partner.
Der Projekt Manager plant und koordiniert Teams und hat immer das gesamte Vorhaben im Blick. Sowohl der ERP-Partner als auch das Unternehmen selbst beauftragen je einen Mitarbeiter mit dieser Funktion.
Der Solution-Architekt steht dem Projekt Manager zur Seite und sorgt für die technische Unterstützung. In der Regel wird diese Funktion an den ERP-Partner übertragen. Unterstützung erhält der Solution-Architekt meist durch den IT-Leiter im Unternehmen.
Aus der Mitte eines Unternehmens kommen die Key-User. Sie haben eine wichtige Steuerfunktion, indem sie die künftigen Prozesse gestalten und sich um alle fachlichen Details kümmern. Ihre Impulse und Ideen bestimmen maßgeblich die Qualität der späteren ERP-Lösung.
Trainer schulen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach dem Go-Live mit dem ERP-System arbeiten (End-User). Meist wird diese Rolle von den Key-Usern oder den Beratern des ERP-Partners übernommen.
Mit den Change Managern ist eine neue Funktion in ERP-Projekten immer mehr im Kommen. Sie bereiten die Mitarbeitenden auf die Veränderungen vor, die ein ERP-Projekt mit sich bringt und optimieren dafür die Prozesse. Das Ziel: Alle Mitarbeiter sollen von Anfang an involviert sein und positiv auf das Projekt eingestimmt werden. Da ein ausgebildeter Mitarbeiter für diese Rolle in vielen Projekten fehlt, werden auch die Aufgaben des Change Mangers oft von Key-Usern mit übernommen.
Sie sehen also: Für das Gelingen eines ERP-Projekts sind enagierte und kompetente Key-User unverzichtbar.
Was Mitarbeiter für ein ERP-Projekt mitbringen sollten
Mitarbeiter, vor allem aber die Key-User müssen aus allen Fachabteilungen kommen und zusammen das Wissen um die Geschäftsprozesse im Unternehmen abbilden.
Wünschenswerte Eigenschaften sind:
fundierte IT-Kenntnisse,
ausgeprägtes ERP-Wissen (in der Rolle eines versierten Anwenders oder, besser noch, mit erster ERP-Projekterfahrungen),
Kenntnisse der Prozesse und Bedürfnisse der repräsentierten Abteilung,
Konsensfähigkeit und Entscheidungskompetenz,
Offenheit und Bereitschaft zu Veränderungen sowie
Abstraktionsvermögen und Spaß an Verbesserungsprozessen.
Darüber hinaus sind Kreativität, diplomatisches Geschick und didaktisches Talent hilfreich - vor allem dann, wenn Key User auch als Trainer oder Change Manager agieren. Oftmals vereinen Abteilungsleiter oder ihre Stellvertreter einen Großteil dieser Eigenschaften.
Der Key-User: ein scheues Reh
Blickt man auf das Spannungsverhältnis, in dem sich Key-User im Laufe eines ERP-Projekts befinden, wird schnell klar, warum bei dieser spannenden Herausforderung nur die wenigsten auf Anhieb die Hand heben. Zum einen gibt es immer noch das operative Tagesgeschäft: Jeder Key-User ist ja gleichzeitig auch Fachkraft und hat ohnehin genug zu tun. Nicht wenige haben kein interesse, mehr Arbeit auf sich zu nehmen oder ihre Aufgaben auf unbestimmte Zeit in die Hände eines Dritten zu legen.
Zum anderen bedeutet eine tragende Rolle in einem ERP-Projekt viel Verantwortung. Haben potenzielle Key-User keine Erfahrung mit größeren IT-Projekten und vielleicht auch noch Angst vor Veränderung, sinkt ihre Bereitschaft sich einem solchen Risiko auszusetzen. Viele Unternehmen stehen deshalb bei der zusammenstellung des perfekten Teams für ihr ERP-Projekt vor einer großen Herausforderung.
Motivieren statt zwingen
Einfach solche Mitarbeitenden auszuwählen, die im operativen Tagesgeschäft leicht ersetzbar sind, ist keine empfehlenswerte Vorgehensweise. Für die Zusammenstellung eines Teams drängen sich viel mehr die Besten auf. Außerdem wichtig: Niemand darf gezwungen werden. Druck führt häufig zu einer inneren Abwehrhaltung der Beteiligten. Die Folge ist, dass schon bald Fristen überzogen werden, Test-Szenarien nicht mehr sauber ablaufen und bei aufkommenden Schwierigkeiten Work-Arounds akzeptiert und implementiert werden.
Bieten Sie stattdessen Anreize und schaffen Sie gute Rahmenbedingungen für das gesamte Projekt.
Schaffen Sie Anreize
Zeit, Geld und ausreichend Freiraum - dieser Dreiklang an Anreizen motiviert Mitarbeiter am besten. In der Praxis könnten Ihre Maßnahmen so aussehen:
1. Zeit
Sie sorgen für Entlastung der Key-User im operativen Tagesgeschäft - beispielsweise durch Neuverteilung bestimmter Aufgaben oder durch temporäre Aushilfskräfte.
Sie holen sich für die Dauer des Projekts einen ERP-erfahrenen Freelancer oder Moderator ins Team. Dieser Schritt entlastet nicht nur die Key-User im Projekt, er schafft auch Sicherheit.
2. Geld
Sie motivieren mit Bonusregeln und Prestigegewinn. Nach einer erfolgreichen ERP-Einführung steigt das Ansehen von Key-Usern häufig enorm an. Dieses Argument sollten Sie nutzen.
Sie schaffen für Ihre Key-User eine projektbezogene Überstundenregelung und bieten attraktive Möglichkeiten der Kompensation.
3. Freiraum und Sicherheit
Sie halten Ihren Key-Usern den Rücken frei und geben ihnen während der Einführung der ERP-Lösung kein anderes größeres Projekt.
Bedingungslose Unterstützung beim ERP-Vorhaben sollte auch die Geschäftsleitung zeigen. Der Auftrag für das ERP-Projekt, Budget, Befugnisse, Bonusregeln sowie alles weitere sollte schriftlich festgehalten werden.
Stellen Sie von Anfang an klar, dass Sie alle Mitarbeitenden mit ihren kommenden Herausforderungen aktiv unterstützen werden - zum Beispiel durch individuelle Schulungen und Weiterbildungen.
Spielen Sie die richtige Begleitmusik
Ebenso wichtig wie persönliche Anreize sind die Rahmenbedingungen, die für das gesamte ERP-Team zu schaffen sind. Folgende drei Punkte sollten unbedingt beherzigt werden:
1. Geben Sie dem Vorhaben einen Namen
Die Identifikation mit dem Projekt steigt unter den Beteiligten enorm, wenn dem Vorhaben ein einprägsamer Namen gegeben wurde. Auch die Mühe, ein identifikationsstiftendes Logo zu erstellen, lohnt sich. Projekte, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben sind, trugen etwa Namen wie "Pharos" (Leuchtturm-Logo), "Pegasus" (geflügeltes Pferd) und "Messenger 21" (fliegender Löwenzahnsamen).
2. Betreiben Sie internes Marketing
Durch regelmäßige Informationen durch die Geschäftsleitung - zum Beispiel über Projekt-Newsletter - bleiben alle Mitarbeitenden, aber auch die Key-User stets über den aktuellen Status informiert. Darüber hinaus bedeutet das regelmäßige Mitteilen von erreichten Meilensteinen auch, Wertschätzung für die Arbeit aller Beteiligten zu zeigen.
3. Machen Sie aus dem Kick-Off eine Motivationsveranstaltung
Oft wird der Start eines ERP-Start vom nüchternen Referieren diverser Zahlen, Daten und Fakten begleitet. Dann geht es um Projektumfang, Fristen, vertragliche Regelungen, den finanziellen Rahmen etc. Der Kick-off gerät zu einer langweiligen Folienschlacht. Auch wenn die Geschäftsleitung hier wichtige Inhalte präsentiert bekommt, ist der Vorgang für andere am Projekt Beteiligte weitgehend irrelevant. Nichts wirkt demotivierender wie eine "als überflüssig empfundene" und viel zu lange Auftaktveranstaltung.
Machen Sie es anders:
Verwandeln Sie Ihren Kick-Off in ein kleines Firmenevent. Nehmen Sie sich mindestens einen ganzen Tag Zeit und verlassen Sie zu diesem Zweck ihre Firmenräume.
Das Team sollte sich an diesem Tag nur mit dem Projekt beschäftigen, frei von den Ablenkungen des Alltags. Verschieben Sie, sofern möglich, bestimmte Themen wie Vertragsdiskussionen oder organisatorische Fragen auf separate Termine in kleinerer Runde.
Zeigen Sie stattdessen Meilensteine und Visionen. Skizzieren Sie beispielsweise kurz, welche Abteilung wie von der neuen Lösung profitieren. Schaffen Sie positive Emotionen!
So ist mir das Beispiel eines Unternehmens im Gedächtnis geblieben, bei dem wir uns zum Kick-Off für ein Wochenende nahe der Altstadt von Wien zusammengefunden haben: Es gab eine Abendveranstaltung, eine Stadtführung und viel Gelegenheit zum Kennenlernen und kreativen Erfahrungsaustausch.
Bei der Ausarbeitung der Agenda können die Erfahrungen und Ratschläge des ERP-Partners besonders hilfreich sein. Er hat schon einiges gesehen und sicher die passenden Ideen parat.
Die ersten Meter entscheiden
Auch wenn Sie unmittelbar nach dem Kick-Off noch am Anfang Ihres Vorhabens stehen, so zeigt die Erfahrung: Die ersten Meter im ERP-Projekt sind entscheidend für den späteren Zieleinlauf. Sie haben die richtigen Mitarbeiter für Ihr ERP-Team gefunden? Ihre Mitstreiter sind hochmotiviert und der Projektstart wurde zu einem unvergesslichen Event? Dann haben Sie eine hohe Hürde erfolgreich gemeistert und sind auf alle nun folgenden Aufgaben bestens vorbereitet.