Tipps für die Digitalisierung

So bauen Sie Ihr Unternehmen um

13.09.2023
Von   IDG ExpertenNetzwerk

Konrad Krafft ist Gründer und Geschäftsführer des Beratungs- und Softwarehauses doubleSlash Net-Business GmbH. Er hat Allgemeine Informatik mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz studiert und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Entwicklung digitaler Services, insbesondere im Bereich von Unternehmensprozessen und Softwareprodukten. Als Experte befasst er sich mit der Industrialisierung von Software-Entwicklung und neuen digitalen Geschäftsmodellen.

Hierarchien auflösen, klare Ziele formulieren, Teams eigenständig arbeiten und entscheiden lassen – lesen Sie, welche Maßnahmen für die Digitalisierung nötig sind.
  • Wer in der Digitalisierung Fortschritte erzielen will, muss bereit sein, die Organisation grundlegend zu verändern
  • Das Festhalten an starken Hierarchien führt in die falsche Richtung
  • Unternehmen sollten klare Ziele formulieren und ihren Teams alle Freiheiten lassen - inklusive Budgets.
Viele assoziieren mit der digitalen Transformation vor allem technische Aspekte, tatsächlich sind aber organisatorische Herausforderungen das eigentliche Thema.
Viele assoziieren mit der digitalen Transformation vor allem technische Aspekte, tatsächlich sind aber organisatorische Herausforderungen das eigentliche Thema.
Foto: ESB Professional - shutterstock.com

Unternehmen bewegen sich heute in einem transparenten globalen Markt, dessen erfolgreichste Mitspieler vor allem eines beherrschen: Wertschöpfung mittels Digitalisierung. Wer in diesem Umfeld bestehen will, muss sich anpassen und digitaler werden - je schneller und konsequenter, desto besser. Es geht darum, auch in fünf oder zehn Jahren noch stark und wettbewerbsfähig zu sein. Die Zeit drängt. Zwar gibt es heute kaum noch Betriebe, die sich den digitalen Umbau nicht auf die Fahnen geschrieben haben. Aber wenn es um die Transformation von der Idee in die Praxis und den konkreten Nutzen geht, kommen Projektteams häufig kaum vom Fleck. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Es beginnt bei Organisationsstrukturen, die weder die Fokussierung auf den Kunden noch ein schnelles Reagieren auf Marktentwicklungen unterstützen.

Hinzu kommt eine über Jahrzehnte gewachsene Unternehmenskultur, die agilem Denken und Handeln im Wege steht. Und dann ist oft immer noch ein Führungsstil verbreitet, der nicht den Menschen in den Mittelpunkt stellt, sondern seine Funktion. Auch das ist kontraproduktiv - schließlich ist jeder technische Fortschritt nur dann nachhaltig, wenn er die Bedürfnisse des Menschen im Blick behält.

Softwareunternehmen sind prädestiniert dafür voranzugehen. Zum einen ist die technologische Seite der Digitalisierung ein originäres IT-Thema. Zum anderen ist die im IT-Umfeld seit Jahren gelernte Methode der Agilität geeignet, die Herausforderungen zu meistern. Um die hohe Komplexität des 21. Jahrhunderts angemessen zu begegnen, brauchen wir agile Teams, die erkennen, ausprobieren und schnell agieren. Nachfolgend einige Praxistipps, die Unternehmen helfen können, ihre Digitalisierungs-Vorhaben erfolgreich umzusetzen.

Tipp 1: Vision entwickeln - Ziele definieren

In vielen Unternehmen beginnt das Problem schon damit, dass Digitalisierungs-Teams ans Werk gehen, ohne zuvor ihre Ziele klar definiert zu haben. Doch das ist entscheidend! Klären Sie unbedingt zunächst ab, wo Ihr Unternehmen im digitalen Zeitalter seine besten Chancen haben wird und in fünf oder zehn Jahren stehen soll. Entwickeln Sie eine klare Vision, eindeutige Ziele und eine Strategie. Je konkreter Sie dabei sind, desto besser.

Ohne diese Definition wird sich zwangsläufig ein Schlingerkurs ergeben, der unnötig Arbeitskraft bindet, Menschen demotiviert und viel Geld kostet. Häufig führt er nicht zum Erfolg.

Tipp 2: Hierarchische Strukturen auflösen

Schaffen Sie zuerst die organisatorischen Voraussetzungen für die digitale Transformation und gehen Sie dann die technischen Lösungen an. Hierarchisch geprägte, lineare Organisationsstrukturen behindern die Entwicklung hin zum digitalen Unternehmen. Sie kreisen oft um sich selbst und orientieren sich weder an einer Problemlösung noch am Kundeninteresse. Erfahrungsgemäß sind hierarchische Strukturen der größte Störfaktor, der Projektteams ausbremst.

Unternehmensbereiche sollten künftig für eine Fähigkeit stehen, die der Betrieb zum Erreichen seiner Vision(en) braucht. Die Fähigkeit kann zum Beispiel die Entwicklung eines Produkts, ein Service für das Produkt oder auch die Abrechnung des Produkts sein. Um die Organisationsstruktur zu ändern, beginnt man idealerweise damit, Produktteams zu bilden. Sie sollten alle Kompetenzen abdecken, die sie für die Produkte ihrer Arbeit brauchen. Entscheidend ist: Die Teams müssen autark agieren können.

Tipp 3: Teams eigenständig agieren lassen

Geben Sie Ihren Teams so viele Freiheiten wie möglich und lassen Sie sie eigenständig agieren. Sie sollten selbst dafür verantwortlich sein, ihre Vision und ihren Fokus innerhalb der gesetzten Rahmenbedingungen und Ziele zu finden. Und sie müssen ihren Bereich eigenständig gestalten können. Jedes Team und jedes Mitglied muss sich darauf fokussieren, seinen Teil zur Wertschöpfung beizutragen und seine Kunden optimal zu bedienen. Dabei darf es keinen Unterschied zwischen internen und externen Kunden geben. Mit der bewussten Ausrichtung auf ihren Bedarf fokussiert sich das Team fast automatisch auf den Mehrwert, den es schafft.

Sorgen Sie dafür, dass die Teams ohne große Hindernisse in der Lage sind, die für ihre Arbeit erforderlichen Ressourcen zu beschaffen. Sie sollten im Rahmen ihres Budgets Kompetenzen, die im Unternehmen nicht vorhanden sind, selbstständig einkaufen können. Solch eigenständiges Handeln braucht - und fördert - ein Selbstverständnis, in dem niemand mehr auf hierarchische Zuständigkeiten und Abhängigkeiten verweist. Die dafür erforderliche prozessuale Routine gilt es zu trainieren, zum Beispiel durch regelmäßige Team-Meetings und Workshops.

Wichtig: Machen Sie die Ergebnisse und Ziele der Teams öffentlich sichtbar. Drucken Sie sie beispielsweise auf Plakate, die an Türen oder in gemeinsam genutzten Räumen angebracht sind. Die Teams müssen ihre Vision und ihre Ziele ständig hinterfragen und bei Bedarf neu justieren dürfen. Das geschieht in regelmäßigen Synchronisations-Meetings - alle ein oder zwei Wochen, mindestens jedoch einmal im Monat. Dabei werden Sprints, Verantwortlichkeiten und Timings definiert. Es sollte immer auch Raum dafür sein, Vision und Ziele mit den bisherigen Erfahrungen und Ergebnissen abzugleichen.

Darum geht's bei der Digitalisierung

Je stärker die Unternehmenskultur an den Prinzipien von Kooperation, Agilität und Transparenz ausgerichtet ist, desto schneller und besser ist die digitale Transformation zu schaffen.

Jede Abteilung, jedes Team hat eine Aufgabe, eine Funktion. Die Fokussierung darauf und auf den zu schaffenden Mehrwert ist entscheidend für den Erfolg.

Splitterkapazitäten sind der natürliche Feind der Digitalisierung. Der Ansatz muss sein, dass jede Abteilung und jedes Team seine Aufgaben ganzheitlich angehen kann.

Die herkömmliche Linienorganisation mit Weisungsbefugnissen, die nicht am Produkt und am Kunden orientiert sind, sondern von der Hierarchie herrühren, ist der größte Störfaktor.

Die digitale Transformation bringt viele komplexe Fragestellungen mit sich, die sich nur durch Kooperation lösen lassen.

Das Wichtigste: Daten und Wissen ist zu teilen!

Jeder technische Fortschritt ist nur nachhaltig, wenn er die Bedürfnisse des Menschen im Blick hat.

Tipp 4: Interne Startups gründen

Dieses Vorgehen führt zwangsläufig dazu, dass die Verantwortung weg von Hierarchien hin zur Produkt- und Kundenorientierung verschoben wird. Damit das gelingt, suchen Sie sich Bereichsleiter und andere Verantwortliche, die willens und in der Lage sind, diese Machtverschiebung mitzutragen und zu gestalten. Bilden Sie interne Startups und binden Sie "Intrapreneure" aktiv ein.

Bei aller Eigenständigkeit bleibt aber die fachliche (!) Führung der Teams sehr wichtig. Sie stellt sicher, dass jeder Mitarbeiter seine Verantwortung annimmt und sich nicht hinter dem Team versteckt.

Tipp 5: Agiles Handeln forcieren

Agil zu denken ist eine Frage der grundsätzlichen Haltung. Es geht um eine Änderung des Mindsets - und um die oft beschworene agile Unternehmenskultur. Sie zu etablieren, gelingt am besten mit den bereits genannten Intrapreneuren. Die Teamleiter und die ausgesuchten Intrapreneure sollten sich und ihre Teams darin trainieren, agil zu denken und zu handeln. Das heißt: anhand ihrer Vision und Ziele einen groben Plan entwickeln, davon die wesentlichen ersten Schritte ableiten, aber nicht zwingend das ganze Projekt erst zu hundert Prozent durchplanen. Beginnen Sie mit den Aktivitäten, die in kürzester Zeit den höchsten Nutzen für den Kunden bringen. Das bringt die schnellsten Erfolgserlebnisse und stärkt die Motivation und das Selbstvertrauen.

Diese Fragen sollten Verantwortliche für die digitale Transformation beantworten.
Diese Fragen sollten Verantwortliche für die digitale Transformation beantworten.
Foto: DoubleSlash

Leiten Sie Ihre internen Prozesse und Aufgaben immer konsequent von den Anforderungen Ihres Kunden und dem konkreten Nutzen ab. Sinnvoll ist es, nach jedem Schritt mit dem Kunden zu sprechen und abzuklären, ob das bisher Erreichte den Erwartungen entspricht. Besprechen Sie die Ergebnisse innerhalb der regelmäßigen Team-Meetings, gleichen Sie sie immer wieder mit Ihren Visionen und Zielen ab und planen Sie dann die nächsten Sprints und deren gewünschte Ergebnisse.

Wichtig: Wo Anpassungen an die Marktgegebenheiten zum Normalfall werden, steigen die Erfolgschancen. Agilität darf allerdings nicht zum Dogma verkommen, es ist lediglich ein Entwurf für adäquates Handeln im 21. Jahrhundert. Oberste Priorität hat nicht die Agilität, sondern der Nutzen für den Kunden. Treten Sie Ihre Verantwortung nicht ab, auch nicht ans Agile Manifest.

Tipp 6: Transparenz leben - Offenheit belohnen

Im digitalen Zeitalter ist jede Menge internes Wissen in Form von Daten und Informationen vorhanden. Um es überall im Unternehmen verfügbar zu machen, braucht es Offenheit, Transparenz und nachvollziehbare Entscheidungen. In jedem Betrieb gibt es Menschen, die ihr Wissen bereitwillig teilen und Transparenz vorleben. Belohnen Sie diese Offenheit, fördern Sie die Karriere solcher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit erhalten Offenheit und Transparenz Vorbildcharakter.

Schaffen Sie das Bewusstsein dafür, dass die im Team gesammelten Daten auch für andere im Unternehmen potenziell wertvoll sind. Bauen Sie technische Hürden ab, um das Teilen einfach zu machen. Ein einfach zu nutzender Datenkatalog ist ein guter Anfang. Er kann als Marktplatz dienen, auf dem Mitarbeiter über eine intelligente Suche die für sie relevanten Daten finden können.

Wenn zum Beispiel das Marketing für eine Pressemitteilung die aktuellen Umsatz- und Mitarbeiterzahlen braucht, sollte es diese im Datenkatalog problemlos finden. Natürlich muss über Data-Governance-Richtlinien abgesichert sein, dass Qualität, Schutz und Sicherheit der Daten gewährleistet sind. So lassen sich Daten vermehrt wiederverwenden.

Tipp 7: Daten analysieren und bewusst nutzen

Fördern Sie gezielt die Fähigkeit der Teams, Daten zu analysieren und weiterzuverarbeiten - zum Beispiel durch Workshops und Fortbildungen. Durch den bewussten Umgang mit Daten entstehen fast automatisch sogenannte Data Products und Data Meshs, die den Weg zur Data Driven Company ebnen.

Entwickeln Sie die Datenstrategie für Ihr Unternehmen weiter. Oberste Priorität sollten dabei marktwirtschaftliche Prinzipien haben - also: Wie lässt sich der höchste Nutzen aus den vorhandenen und täglich neu hinzukommenden Daten ziehen? Schaffen Sie Anreize, damit Datenproduzenten im Unternehmen ihre Daten auf dem gemeinsamen Datenmarktplatz einstellen und teilen. Die Nachfrage muss das Angebot bestimmen. Auf diese Weise zeigt sich relativ schnell, mit welchen Daten sich echter Mehrwert schaffen lässt. Und es ist im Interesse der Datenproduzenten, hochwertige Daten anzubieten. So kann der Marktplatz für sie einen Anreiz darstellen, ihre Daten zu veredeln und ihre Nutzung einfach zu machen.

Es entsteht nach und nach ein Ökosystem für den Datenaustausch, das allen nutzt. Die Produktentwicklung etwa kann profitieren, indem sie einfachen Zugriff auf die Anforderungen bestimmter Kundengruppen hat. Und der Vertrieb kann gezielt recherchieren, welche Produkt-Verbesserungen in der Pipeline sind, und wann sie zu erwarten sind.

Tipp 8: Die Teams vernetzen

Sorgen Sie für eine gute Vernetzung der Teams untereinander und mit ihren Kunden. Allein schon das Prinzip der Transparenz schafft durch das Teilen von Daten eine Verbindung zwischen den Teams. Zugleich wachsen durch das Prinzip der eigenständig und kundennah agierenden Teams Kunden-Lieferanten-Beziehungen.

Tipp 9: Automatisieren

Treiben Sie die Automatisierung voran. Stehen genügend Daten zur Verfügung und sind Teams und Maschinen gut vernetzt, ergeben sich daraus auch neue Potenziale für die Automatisierung. Sie kann Abläufe und Prozesse im Unternehmen deutlich beschleunigen und zugleich deren Qualität steigern.