Digital Twin Technologies

Smart Factory goes Plattform-Ökonomie

20.04.2020
Von   IDG ExpertenNetzwerk und
André Mundo ist erfahrener IT-Berater mit IT-Background mit langjähriger Erfahrung in Führung und Geschäftsentwicklung. Zuletzt war er Bereichsleiter Distributed Ledger Technologies bei MaibornWolff GmbH.
Mathias Eiber ist Projektingenieur bei dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau.
Entwicklungen mittels Digitaler Zwillinge finden auch zwischen Unternehmen statt. Dieser Artikel zeigt, wie eine solche Zusammenarbeit für beide Seiten besonders sicher abläuft.

Blockchain-basierte digitale Zwillinge von Maschinen und Unternehmen finden auf einer manipulationssicheren Plattform für Transaktionen direkt zwischen Maschinen zusammen. Dies ist zum einen die Grundlage für eine Digitalisierung von maschinenbasierten Geschäftsprozessen. Zum Zweiten ist es der Beginn einer Plattform-Ökonomie. Ein Use Case aus der additiven Fertigung erklärt und zeigt Potenziale auf.

Eine vernetzte Auftragsproduktion lässt sich per Digital Twin in der Blockchain abbilden.
Eine vernetzte Auftragsproduktion lässt sich per Digital Twin in der Blockchain abbilden.
Foto: MOLPIX - shutterstock.com

Der Digitale Zwilling leistet zweierlei: Er schafft eine eindeutige digitale Identität und er ermöglicht das Hinzufügen von Zusatzinformationen, etwa Dokumente aus dem Wartungszyklus einer Maschine. Bei Menschen leistet das innerhalb einer Blockchain eine DID, eine Dezentrale Identität. Beiden gemein ist, dass sie die Lücke zwischen analoger und digitaler Welt schließen, indem sie eine reale Maschine oder einen Menschen digital eindeutig identifizierbar machen. Es können Rechte und Pflichten zugewiesen werden, und anders herum kann man Aktivitäten eindeutig einer DID zuordnen. Das ist eine wesentliche Grundlage für die Digitalisierung von Geschäftsmodellen. Abläufe können so ohne Umwege in die analoge Welt als Prozessketten vollständig digitalisiert und automatisiert abgewickelt werden. Und jetzt wird es spannend.

Bin ich in der Lage, derart digitale Wertschöpfungsketten zu verbinden, kann ich neben der individuellen Leistungsskalierung ganze Ökosysteme rund um diese Aufgabe aufbauen. Da letztlich alles auf einer Plattform, oder zumindest in einer integrativen IT-Welt stattfindet, kann man dies auch als Multi-Player-Konsortium mit verschiedenen Geschäftsinteressen bezeichnen: Plattform-Ökonomie.

Lesetipp: Plattformökonomie - Industrie 4.0 - das ungenutzte Potenzial

Dabei ist nicht entscheidend, ob alle Teilnehmer unbedingt "die eine Software" gemeinsam nutzen. Wichtig ist, dass der Prozess über eine gemeinsame Implementierung, eine geteilte Technologie, oder ein einheitliches Protokoll technisch abgebildet wird. Das Plattformprotokoll ist das technisch verbindende Element, um notwendige Metadaten und Auftragsdaten (geschützt) zu transportieren. Eine zentralisierte Geschäftsanwendung steuert den übergreifenden Prozess, dezentrale / individuelle Geschäftsanwendungen sorgen für die individuelle Wertschöpfung und Wertbeitrag.

Hier kommen Distributed-Ledger-Technologien zum Zug. Sie können ihre Vorteile ausspielen, wenn man als Basiskommunikation eine Blockchain (On-Chain) nutzt, benötigte Auftragsdaten (Off-Chain) ablegt, und diese dezentral bereitstellt.

Ein Beispiel aus der additiven Fertigung

Spezialisten in der Fertigung fehlt oft die Kapazität für Großaufträge, oder sie können nicht alle Fertigungsschritte selbst leisten. Andersherum kann der eigene Maschinenpark aber auch von Zeit zu Zeit Restkapazitäten haben. In diesen Situationen wäre es sinnvoll für Unternehmen, Aufträge untereinander aufzuteilen - sei es, dass direkte Mitbewerber Kapazitäten für einen Großauftrag poolen oder dass verschiedene Spezialisten sich entlang der Wertschöpfungskette zusammentun.

Dafür müssten Werkstücke und zugehörige Auftragsdaten miteinander geteilt werden. Aus nachvollziehbaren Gründen (Asset-Schutz für Kundendaten oder Blaupausen, Datenschutz-Anforderungen, Qualitätsversprechen) passiert das in der Regel nur zwischen Unternehmen, die einander kennen. Solche Netzwerke mit kooperativer Arbeitsweise gibt es heute oft lokal unter gut bekannten Unternehmen.

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In unserem Fall, dem gemeinsamen Arbeiten an einem Großauftrag, ist beispielsweise das Datenformat für den Maschinenauftrag bereits standardisiert. Und es bietet einen Individualisierungsraum. Dieser reicht aus, um Auftragsrohdaten und die Prozessschritte darin abbilden zu können. Damit ist es jetzt möglich, einer Maschine im Fertigungsprozess einen Teilauftrag in einem bekannten, standardisierten und bereits einsatzfähigen Datenformat mitzuteilen. Anstatt diese Dateien per E-Mail auszutauschen, bedienen wir uns einer gemeinsamen Blockchain-basierten Plattformtechnologie.

Warum Blockchain und Digitaler Zwilling?

Die Blockchain ist ein digitales verteiltes Register, das sich durch Dezentralität, Unveränderlichkeit und Transparenz auszeichnet. Alle Vorgänge werden transparent abgelegt, und jede Transaktion bei jedem Teilnehmer geloggt. Transparenz und Verteilung machen die Blockchain besonders ausfall- und manipulationssicher. Datenschutz und ähnliche Themen sind übrigens trotzdem abbildbar.

Wenn nun das digitale Abbild einer Maschine als digitaler Zwilling auf die Blockchain gebracht wird, sind diese Identität und alle damit verknüpften Datensätze besonders manipulationssicher. Das löst unser Vertrauensproblem zum Teil.
Zusätzlich braucht es eine Plattform, mit der wir die Informationen - und nur diese - austauschen, die der neue Geschäftspartner braucht. Für unser Beispiel werden so auf der Plattform nur steuernde Prozessdaten und Auftragsrohdaten verteilt, somit muss kein teilnehmendes Unternehmen Angst um seine kreativen Daten haben. Diese werden weiterhin im Rahmen der Auftragserstellung an der Maschine lokal erarbeitet und in der maschinenspezifischen Anwendung gespeichert. So institutionalisiert Blockchain-Technologie Vertrauen und senkt Prozesskosten.

Wenn man dazu auf ein bestehendes Blockchain-Framework wie evan.network setzt, entstehen zwei weitere Vorteile. Erstens bekomme ich viele der oben genannten Funktionen rund um Identität, Zwilling und Prozess "out of the box". Zweitens sind in der evan-Blockchain viele deutsche Regulationsthemen besprochen, definiert und abgebildet. Denn das Netzwerk wird heute bereits von zahlreichen Nutzern und Partnern in Deutschland gestützt und betrieben.

Der beschriebene Use Case ist ein Anschauungsobjekt im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau. Dort zeigt er produzierenden Unternehmen das Potenzial einer Blockchain-basierten Plattform-Ökonomie. An dieser Demo wird sichtbar, wie mehrere Fertiger einen Arbeitsschritt relativ einfach (und sicher) unter sich aufteilen können. Im Plattform-Team können so deutlich größere Aufträge angenommen werden, beziehungsweise bestehende Restkapazitäten werden besser ausgelastet. Kurz: Die Plattform-Teilnehmer verlängern und verbreitern die eigene Wertschöpfungskette. (bw)

Weiterführende Lektüre: Nutzung von Blockchains unter Berücksichtigung der Privatsphäre nach der DSGVO