Digital Leader Award 2016 – Stadt Darmstadt mit the urban institute

Smart City: Darmstadt revolutioniert seine Verkehrsplanung- und Steuerung

31.07.2016
Von 
Yvonne Göpfert ist als freie Journalistin in München tätig.
Dank einer Open-Data-Plattform und dem Know-how seiner Partner wird die Wissenschaftsstadt Darmstadt zum smarten öffentlichen Datenproduzenten – am Ende profitieren die Bürger.

Jede Kommune generiert schon heute viele Daten, die in Zukunft auch eine Art Währung darstellen können. [ui!] the urban institute® möchte gemeinsam mit Kommunen und Partnern diese Daten nutzbar machen und so aufbereiten, dass Dritte sie kostenlos (z.B. in Form einer App für die Bürger) oder gegen Entgelt (z.B. für unterstütztes oder autonomes Fahren) nutzen können. Mit dem Projekt wollen die Stadt Darmstadt und das Urban Software Institute die bisher kaum berücksichtigten kommunalen Daten zum Leben zu erwecken und einen Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger, Besucher und Touristen, Unternehmen und insbesondere die Umwelt schaffen.

Mit "[ui!] TRAFFIC: Echte Verkehrsinformationen in Echtzeit" ist Darmstadt gemeinsam mit seinem Partner Urban Institute im Rennen um den Digital Leader Award 2016 in der Kategorie Digitize Society.
Mit "[ui!] TRAFFIC: Echte Verkehrsinformationen in Echtzeit" ist Darmstadt gemeinsam mit seinem Partner Urban Institute im Rennen um den Digital Leader Award 2016 in der Kategorie Digitize Society.
Foto: [ui!] the urban institute

Ziel des Projekts ist es, die als OpenData vorhandenen Verkehrsdaten der Stadt Darmstadt so aufzubereiten, dass sie zur Darstellung der aktuellen Verkehrslage und somit zur besseren Verkehrsplanung und Steuerung genutzt werden können. Die verschiedensten Verkehrsinformationen werden durch Sensoren an Ampelanlagen gesammelt. Zukünftig werden diese Daten ergänzt durch intelligente Straßenlaternen, die weitere Informationen zu Umweltdaten, wie CO2, Temperatur, Lautstärke und weiteren Messwerten erheben.
Denkbar wäre auch die Einbindung von Verkehrsbehinderungen durch Müll-, Reinigungs-, Streu- und Einsatzfahrzeuge (Krankenwagen, Feuerwehr, Polizei) melden, um zukünftig eine exakte Verkehrsvorhersage in Echtzeit zu ermöglichen.

Technisch gesehen werden die auf der Open-Data-Plattform der Stadt Darmstadt zur Verfügung gestellten Verkehrsinformationen des Verkehrsleitrechners binnen Sekunden durch die "[ui!] UrbanPulse"-Plattform in Kombination mit Microsoft Azure ausgelesen, aufgearbeitet und auf der WebApp zur Verfügung gestellt (https://darmstadt.ui-traffic.de). Mit "[ui!] TRAFFIC: Echte Verkehrsinformationen in Echtzeit" ist Darmstadt gemeinsam mit seinem Partner Urban Institute im Rennen um den Digital Leader Award 2016 in der Kategorie Digitize Society.

Projekt-Steckbrief

  • Finalist: Stadt Darmstadt mit [ui!] the urban institute®

  • Kategorie: Digitize Society

  • Projekttitel: [ui!] TRAFFIC: Echte Verkehrsinformationen in Echtzeit - ein echter Mehrwert für Darmstadt

  • Zeitraum des Projekts: zwischen 2013 und 2015: von der 18 monatigen Pilotphase zur Marktreife

  • Projekt-Phase: Seit 8. Dezember 2015 steht die Darmstadt Verkehrsinformations-WebApp den Bürgern offiziell und kostenlos zur Verfügung

  • Größe des Projektteams: anfangs 2 Personen, später 6.

Die Digitalisierungsstory

In Darmstadt werden bereits sehr viele Verkehrsdaten gesammelt, die bisher allerdings kaum genutzt wurden. Siloartige Strukturen verhinderten, dass Prozesse jenseits der vorhandenen Verkehrssteuerung auf diese Daten zugreifen. Durch "[ui!] TRAFFIC" besteht nun die Möglichkeit, die vorhandenen Daten zu sammeln und für eine Drittnutzung, z.B. durch Unternehmen, vorzubereiten. [ui!] the urban institute® griff dazu ein ursprünglich an der Hochschule Darmstadt initiiertes Projekt auf, welches in Folge an der TU Darmstadt im Rahmen einer Studienarbeit weiterentwickelt wurde.

Die Stadt Darmstadt stellte hierzu Daten des Verkehrsleitrechners zu Forschungszwecken bereit, die wiederum [ui!] über eine Open-Data-Plattform in Echtzeit der Allgemeinheit zur Verfügung stellte. Bei diesen Daten handelt es sich um verkehrsrelevante Zählwerte wie Anzahl der Fahrzeuge, die eine Kreuzung passieren, Fußgängeranforderungen sowie andere Verkehrsinformationen.
Weiter will die Stadt Darmstadt die Lösung nutzen, um Zusammenhänge zwischen einzelnen Daten zu erkennen, diese wertvollen Informationen dann als Grundlage für Simulationen oder Vorhersagen zu nutzen und in zukünftige Planungen und Entscheidungen einfließen zu lassen. Weitere Szenarien wären auch der Verkauf von Messdaten an Automobilzulieferer und Autohersteller zur Optimierung des assistierten-, teil- und hochautomatisierten Fahrens.

Die Umsetzung

Alle gesammelten Daten werden von "[ui!] UrbanPulse" aufbereitet und über die Microsoft Azure-Plattform zur Verfügung gestellt. Hierbei gab es zu Beginn des Projektes keine existierende Schnittstelle. Die Daten wurden in Intervallen von 15 Minuten aktualisiert. Heute geschieht dies in 330ms bei rund 1.000.000 State Changes pro Minute, die verarbeitet und aufbereitet werden - in Echtzeit. [ui!] bereitet die anonymen Verkehrsdaten mit maßstabsgetreuen Lageplänen der lokalen Lichtsignalanlagen auf und erstellt somit ein Lagebild über den Verkehr der Stadt Darmstadt. Während der 18-monatigen Pilotphase kamen noch weitere Informationen zu Baustellen und attraktive Angebote lokaler Unternehmen hinzu, die als Link in die App integriert wurden.

Eine Vorgabe der Stadt für die Speicherung von städtischen Daten in der Cloud lautete, keine personenbezogenen Daten zu speichern. Da die erfassten und gespeicherten Daten von Verkehrsdetektoren stammen, die keinerlei Rückschlüsse auf Personen ermöglichen, ist diese Forderung leicht erfüllt. Durch die "[ui!] CONNECTOR"-Technologie wird zudem eine Push-basierte Datenübertragung ermöglicht, die einen Rückkanal zur Infrastruktur der Stadt ausschließt. Durch diese Maßnahme ließen sich auch die anfänglichen Sicherheitsbedenken der IT-Abteilung überwinden. Mit Hilfe der "[ui!] CONNECTOR"-Technologie wurde eine sichere Kommunikation ermöglicht.

Weitere Widerstände gab es, weil große Mengen an Verkehrsdaten in einer Cloud-Umgebung gespeichert und verarbeitet werden sollten. Gemeinsam mit Micosoft wurde auch hier ein Rahmen geschaffen, der Sicherheitsbedenken zerstreut.
Damit ist für das Verkehrsdatenprojekt der Stadt Darmstadt der Weg zu einem Leuchtturmprojekt unter den deutschen Kommunen bereitet.

Technisch setzt man auf aktuelle Technologien wie Complex Event Processing, Stream Processing, Big Data Analytics und Machine Learning. Das Team nutzt dabei die agile Entwicklungsmethode Scrum, um besser auf Anforderungen der Stadt reagieren und diese umsetzen zu können. Weiter diente Visual Studio Online als Backlog. Am allerwichtigsten war jedoch die engen und transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten, um Vertrauen und Verständnis zu schaffen.

Im Dezember 2015 stellte die Stadt Darmstadt den Bürgerinnen und Bürgern den Service kostenlos als Webapp (https://darmstadt.ui-traffic.de) zur Verfügung. Ziel ist jetzt, die Webapp mit weiteren Mehrwerten wie einer Routenplanung und aktuellen, verkehrsrelevanten Daten (Parkplatzsuche) oder Umweltdaten von intelligenten Straßenlaternen auszustatten und in eine vorhandene Darmstadt-App zu integrieren. Wenn Sie einen Blick auf die Webapp werfen wollen, klicken Sie hier.

Der Business-Nutzen

Die Stadt besitzt wertvolle Daten und mausert sich zum Datenproduzenten. Dadurch werden neue Wertschöpfungsprozesse ermöglicht. Ähnlich wie ein privater Konsument mit seinen Daten für Internet-Services zahlt, wird so der öffentliche Datenproduzent für seine Daten bezahlt.
Innerhalb des Projektes wurden verschiedene Geschäftsmodelle evaluiert, die sowohl für die Stadt als auch die an der Wertschöpfungskette beteiligten Partner sehr rentabel werden könnten. Insbesondere der Verkauf bisher kostenlos zur Verfügung gestellter Daten an interessierte Unternehmen (u.a. aus der Automobilindustrie) könnte sich rechnen.

Der Zugang zu städtischen Daten in bisher nicht zur Verfügung stehender Qualität erlaubt die Entwicklung neuer digitaler Dienste und ermöglicht es der Stadt, an dieser Wertschöpfung zu partizipieren. Da den Bürgerinnen und Bürgern die Daten bisher kostenlos als Mehrwert von der Stadt zur Verfügung gestellt wurden, kann man schwer von einem erreichten RoI sprechen - dieser ist eher in Form von Zufriedenheit der Bürger messbar als in Euro.