Ein weiteres Open-Source-Jahrzehnt geht zu Ende. Vergegenwärtigt man sich die Vorhersagen, die im Jahr 2009 getätigt wurden, hätte wohl niemand damit gerechnet, dass GitHub in der nun zu Ende gehenden Dekade den Bereich der Softwareentwicklung maßgeblich verändert. Geschweige denn damit, dass sich Microsoft von einem der größten Open-Source-Kostverächter zu einem konzerngewordenen Guru der Quelloffenheit mausert.
Doch es gab noch einige weitere, entscheidende Entwicklungen mitzuverfolgen - wir haben die maßgeblichen Open-Source-Innovationen der Jahre 2010 bis 2019 für Sie zusammengefasst.
Wolkig mit Aussicht auf Zukunft
Natürlich hat Open Source schon vor dem Jahr 2010 für Furore gesorgt - allerdings stand die Berichterstattung zu dieser Zeit noch im Zeichen des "Free Software vs. Open Source"-Kriegs und zahlreicher Gerichtsverfahren gegen Linux. Um mit Open-Source-Software zu arbeiten, mussten sie damals noch die IT telefonisch um die Provisionierung von Servern bitten. Die Cloud hat all das verändert. Plötzlich mussten Softwareentwickler keine Genehmigung mehr einholen, um ihren Open Source Code zum Einsatz zu bringen. Ähnlich wie Open Source die Developer von Beschaffung und Regulatorien befreit hat, erspart das Aufkommen der Cloud den Entwicklern die Unzulänglichkeiten von Hardware.
Die Cloud war hierfür allerdings nur der Enabler - die Infrastruktur ist inzwischen der wahre Star, wie auch Cloud-Experte Corey Quinn per Twitter-Post herausstellt:
Open sourced infrastructure. It runs on clouds, but I can grab a Terraform plan or a Serverless config from GitHub and have a thing up and running to test it out almost instantly.
— Corey Quinn (@QuinnyPig) November 19, 2019
Open-Source-Lizenzierung und der leichte Zugang zu Cloud Hardware haben die Produktivität von Softwareentwicklern auf eine Art und Weise entfesselt, wie es wohl kein Experte anno 2010 erwartet hätte.
Nicht ohne mein GitHub
Open-Source-Spezialist Tobie Langel sieht den größten Trend im Bereich der quelloffenen Software dennoch an anderer Stelle:
The biggest thing that happened to open source in the last decade is the introduction by GitHub of the “pull request.”
— Tobie Langel (@tobie) November 19, 2019
Getrieben durch die Cloud, so Langel weiter, habe GitHub den Open-Source-Bereich erst für den Mainstream relevant gemacht und die Hürden für Kollaborationen jeder Art wesentlich abgesenkt. Gerade Letzteres war schon immer Kern der Open-Source-Philosophie, doch erst mit den durch GitHub eingeführten, sozialen Aspekten des Codings seien diese auch real geworden. Mit seiner Einschätzung steht Langel nicht alleine:
Probably the facility of pull requests via systems like GitHub. We had version control before, but GitHub/Lab really made it easy for anyone to fork code, try things and contribute ideas back. Comments, issues, approval - it really delivered on the promise of code being open.
— uzquiano (@uzquiano) November 19, 2019
Wie auch die Cloud, gibt es GitHub nicht erst seit gestern - allerdings setzt auch der Boom für den Softwareentwicklungs-Onlinedienst nicht vor dem Jahr 2010 ein.
Schöne neue Container-Welt
Container sind ebenfalls nichts Neues: Bereits im Jahr 1979 wurde die Idee in Form von chroot geboren. Doch erst Docker hauchte der Technologie echtes Leben ein, wie IT-Experte und IDG-Autor Steven Vaughn-Nichols weiß:
Docker, or to be more precise, how Docker tech transformed containers from an obscure technology to the mainstay of how software is consumed today. It's changed Everything.
— S. Vaughan-Nichols (@sjvn) November 19, 2019
"Alles verändert" gilt dabei zumindest für die Applikationsentwicklung im Unternehmensumfeld. Aber nicht, weil Docker einen coolen, neuen Ansatz zur Virtualisierung darstellt, wie IT-Koryphäe Gordon Haff weiß:
Yes but pre-Docker/k8s/etc. containers were just another partitioning technique. Real shift was transitioning from essentially server-centric view of computing. Certainly antecedents back to at least CICS.
— Gordon Haff (@ghaff) November 19, 2019
Vor zehn Jahren hatte noch nie jemand etwas von Docker und Kubernetes gehört. Ende 2019 kamen mehr als 13.000 Teilnehmer zur KubeCon 2019, um die neue, moderne Applikations-Welt kennenzulernen, die Docker mitkreiert hat.
Open-Source-Software ist nicht genug
In den 1970ern gab es Data Marts, ein bisschen später Business Intelligence - bevor im Jahr 2005 der Begriff Big Data geboren wurde. Lange ahnte aber niemand, welche Ausmaße Big Data wirklich annehmen kann und wie wichtig die Rolle von Data Scientists werden würde. Für Unternehmen, die nicht Google heißen, blieb Big Data lange nur ein großer Traum. Bis Apache Hadoop zum Zuge kam und eine Welle von NoSQL-Datenbanken und anderer Open-Source-Infrastrukturen nach sich zog.
Heutzutage sind IT-Infrastrukturen, die zur Speicherung und Verarbeitung großer Datenmengen zum Einsatz kommen, in aller Regel quelloffen. Open Source hat die moderne Datenwissenschaft in den vergangenen zehn Jahren erst möglich gemacht. Etwa in Form von modernen Datenbanken wie MongoDB, die die Arbeit mit unstrukturierten Daten erheblich vereinfachen oder anderer Tools wie Apache Kafka. Zudem sind auch die Tools, die zur Analyse der Daten eingesetzt werden, immer öfter quelloffen. Einige davon sind in der IT-Welt inzwischen allgegenwärtig, wie Experten wissen:
"data science" didn't exist 10 years ago. Numpy (Python) and scikit-learn are ubiquitous. Plus everyone wants to be doing DL...
— matt harrison (@__mharrison__) November 19, 2019
Data science +1 here. Imo Data science wouldn't be as large as it is without pandas, sci-kit, jupyter, and the entire world of R.
— Jacob Redding (@jredding) November 19, 2019
Man spricht quelloffen
Erinnern Sie sich noch daran, als Programmiersprachen nicht Open Source waren? Falls nicht: macht nichts. Diese Zeiten sind mit dem ausklingenden Jahrzehnt endgültig vorbei. Sogar Apple hat seine proprietäre Programmiersprache Swift inzwischen als Open-Source-Version zur Verfügung gestellt.
Etwa zur gleichen Zeit sorgte eine Vielzahl von JavaScript Frameworks (zum Beispiel Node.js, Angular, React oder Vue) für Furore, die in Kombination mit neuen, zugänglicheren Programmiersprachen wie Go, Rust und WebAssembly einhergingen.
The stories around JavaScript transcending the browser and then the rise of Go, Rust and WebAssembly are rather interesting.
— Alberto Ruiz ???????? (@acruiz) November 19, 2019
Point of no return
Interessanterweise hat Microsoft in allen genannten Open-Source-Bereichen die Finger mit im Spiel. Dabei ging der Windows-Konzern noch unter Steve Ballmer ins neue Jahrzehnt, der bekanntermaßen das Zitat "Linux is a cancer" zu verantworten hat.
The Microsoft mutation from being the most fierce anti-opensource advocate ("opensource is a cancer!") to being one of the biggest contributors to opensource in terms of developer tooling (TypeScript, VSCode, Github, etc...)
— Benoit Jacquemont (@BJacquemont) November 19, 2019
Heute nutzen viele Softwareentwickler den quelloffenen Visual Studio Code-Editor, TypeScript um Web-Applikationen zu bauen und GitHub, um ihren Code zu speichern - allesamt in Besitz von Microsoft. Der Wandel des Redmonder Konzerns verdeutlicht einmal mehr, wie schnell sich die Dinge ändern können und dass es Sinn ergibt, künftig auf Open Source zu setzen.
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.