Neue EU-Richtlinie zum Geheimnisschutz

Sind Ihre Geschäftsgeheimnisse wirklich sicher?

30.05.2018
Von    und  IDG ExpertenNetzwerk
Dr. Michael Rath ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologie-Recht und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Zudem ist er Certified ISO/IEC 27001 Lead Auditor. Seine Beratungsschwerpunkte sind das IT-Recht, Datenschutzrecht und der Gewerbliche Rechtsschutz. Dr. Michael Rath ist u.a. Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI) und akkreditierter Schlichter für IT-Streitigkeiten bei der Schlichtungsstelle der DGRI.
Sebastian Loutoumai ist Rechtsanwalt und Fachanwalt bei Löffel Abrar Rechtsanwälte. Er berät Unternehmen insbesondere in allen Fragen zum Online-Marketing und Recht, Werberecht, Influencer Marketing sowie Marken- und Wettbewerbsrecht.
Seit dem 9. Juni 2018 gelten die neuen europäischen Vorgaben für den Geheimnisschutz. Dies ist das Ablaufdatum der im Rahmen der Know-How Richtlinie vorgegebenen Frist für die Umsetzung in nationales Recht. Mehr dazu lesen Sie in diesem Beitrag.
Nicht alle Geschäftsgeheimnisse existieren nur in digitaler Form.
Nicht alle Geschäftsgeheimnisse existieren nur in digitaler Form.
Foto: Stock-Asso - shutterstock.com

Know-how ist das Herzstück eines jeden Unternehmens. Auch der Vorsprung zu Wettbewerbern liegt oftmals in geheimen Informationen, wie in Bauplänen, Konstruktionszeichnungen oder Rezepturen. Aber auch wichtige betriebswirtschaftliche Informationen, wie Kunden- oder Preislisten, haben in Unternehmen einen enormen wirtschaftlichen Wert. Zudem führt die Industrie 4.0 zu zunehmend digitalisierten und vernetzten Arbeits- und Fertigungsprozessen und somit erneut zu Know-How, was schützenswert ist.

Risikofaktoren Mitarbeiter und Vertragspartner

Der Schutz des eigenen, unternehmensinternen Wissens fängt in erster Linie bei den eigenen Mitarbeitern an. Diese müssen nicht nur für einen sorgsamen Umgang mit geheimen Informationen sensibilisiert werden. Sie müssen auch über die Konsequenzen einer unberechtigten Weitergabe geheimer Informationen belehrt und insbesondere zur strikten Verschwiegenheit verpflichtet werden.

Auch Vertragspartner können für den Schutz von Know-How ein Risiko darstellen. Oftmals muss bei der Zusammenarbeit geheimes Wissen offenbart werden. Auch die interne Organisation beziehungsweise der interne Umgang mit geheimen Informationen ist außerhalb des eigenen Einflussbereichs, sodass auch Kooperationspartner einen nicht zu unterschätzenden Risikofaktor in Bezug auf das eigene Know-how darstellen.

Status Quo des Know-How-Schutzes

Geschützt wird Know-how in Deutschland derzeit insbesondere als Betriebs- beziehungsweise Geschäftsgeheimnisse über das Wettbewerbsrecht (Geheimnisschutz). Dabei handelt es sich bei den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften (§ 17 UWG) um Strafvorschriften, die den unberechtigten Abfluss von Know-how unter Strafe stellen. Eine zivilrechtliche Zuordnung dieses Know-hows zu einem bestimmten Unternehmen als Inhaber, vergleichbar mit den gewerblichen Schutzrechten, wie Patent- oder Markenrechte, findet über den Geheimnisschutz jedoch nicht statt, sondern wird vielmehr vorausgesetzt.

Geheimnisschutzrichtlinie

Mit der sogenannten Know-how-Richtlinie, die bis Juni 2018 in nationales Recht umgesetzt werden muss, kommt es zu weitreichenden Veränderungen, die bereits jetzt zu einem Handeln der Unternehmen zwingen, wenn sie auch künftig ihr betriebliches Know-how geschützt wissen wollen. Eine wesentliche Änderung liegt in der neuen Definition des Geschäftsgeheimnisses. Als Geschäftsgeheimnis gelten nach der Know-how-Richtlinie nur solche Informationen

- die geheim sind,

- die einen kommerziellen Wert haben, weil sie geheim sind, und

- die Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen sind.

Gerade durch das letzte Erfordernis der "angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen" kommt es zu Handlungsbedarf für die Unternehmen. Denn nach der bisherigen Rechtsprechung in Deutschland liegt ein Geschäftsgeheimnis bereits dann vor, wenn eine geheime Tatsache von kommerziellem Wert nach dem erkennbaren subjektiven Willen des Inhabers geheim gehalten werden soll.

Dieser subjektive Geheimhaltungswille reicht künftig nicht mehr aus. Vielmehr ist es erforderlich, dass eine geheime Tatsache nur dann auch geschütztes Know-how ist, wenn sie Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ist.

Zivilrechtliche Ansprüche

Um den Schutz von Know-how besser zu stärken, sieht die Know-how-Richtlinie nunmehr ein zivilrechtliches Anspruchssystem vor. Dieses Anspruchssystem ist angeglichen an die bekannten zivilrechtlichen Ansprüche des gewerblichen Rechtsschutzes. Im Vordergrund steht hier der Unterlassungsanspruch, der es dem Anspruchsinhaber ermöglicht, die Unterlassung künftiger Verletzungen seines betrieblichen Know-hows zu verlangen. Daneben kann er vom Verletzter auch Auskunft und Schadensersatz verlangen.

Umsetzung der Know-How-Richtlinie

Seit dem 9. Juni 2018 gelten die neuen europäischen Vorgaben für den Geheimnisschutz. Dies ist das Datum der im Rahmen der Know-How Richtlinie vorgegebenen Frist für die Umsetzung in nationales Recht. Seit diesem Stichtag sind deutsche Gerichte gehalten, das veraltete deutsche Recht zum Geheimnisschutz "europarechtskonform" auszulegen. Daneben hat das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf zur Umsetzung der Know-How Richtlinie in ein deutsches "Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen" (GeschGehG) vorgelegt.

Schutzmaßnahmen erforderlich

In der qualitativen Voraussetzung der Schutzmaßnahmen liegt eine der zentralen Neuerungen des Geheimnisschutzrechts. Denn nach bisheriger deutscher Rechtslage genügte es, wenn eine geheime Tatsache von kommerziellem Wert nach dem erkennbaren subjektiven Willen des Inhabers geheim gehalten werden soll. Der bloße Wille des Informationsinhabers reicht künftig nicht mehr aus. Hier ist in prozessualer Hinsicht zu beachten, dass dieses objektive Merkmal der vorgenommenen Maßnahmen dann auch im Streitfall vom Informationsinhaber zu beweisen ist.

Beispiele für solche Maßnahmen sind physische Zugangsbeschränkungen und vertragliche Sicherungsmechanismen. Bedeutung erlangen hier insbesondere Geheimhaltungsvereinbarungen mit externen Vertragspartnern sowie vertraglich abzubildende Vertraulichkeits- und Geheimhaltungsvereinbarungen mit den eigenen Mitarbeitern. Auch eine nachvertragliche Schweigepflicht wird hierdurch noch stärker in den Fokus geraten.

Reverse Engineering

Der Entwurf des GeschGehG legalisiert zukünftig das so genannte "Reverse Engineering", also die Entschlüsselung von Geschäftsgeheimnissen bezüglich Produkten aus den Produkten selbst. Auch hier liegt die Erwägung zugrunde, dass Exklusivrechte an Geschäftsgeheimnissen nicht begründet werden sollen.

Nach der bisherigen Rechtslage war es so, dass nur dann ein zulässiges Reverse Engineering vorlag, wenn ein Fachmann ohne größeren Arbeits-, Zeit- und Kostenaufwand zur Ableitung in der Lage gewesen wäre. Das Reverse Engineering werde laut Entwurfsbegründung aber auch zukünftig nicht grenzenlos erlaubt sein, sondern seine Beschränkungen in den immaterialgüterrechtlichen oder lauterkeitsrechtlichen Gesetzesschranken finden. Insbesondere bleibe beispielsweise die Herkunftstäuschung und Rufausbeutung nach § 4 Nr. 3 UWG unzulässig.

Ansprüche des Geschäftsgeheimnisinhabers bei Rechtsverletzungen

Jedes Verbot ist nur so wirksam wie die Sanktionen für einen entsprechenden Verstoß dagegen. Daher sieht der Entwurf des GeschGehG eine Reihe von Ansprüchen des Inhabers von Geschäftsgeheimnissen vor, die im Falle von Verstößen gegen Handlungsverbote gegen den Verletzer geltend gemacht werden können. Zu diesen Ansprüchen zählen:

  • der Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung (§ 5),

  • der Anspruch auf Vernichtung, Herausgabe, Rückruf, Entfernung beziehungsweise Rücknahme vom Markt (§ 6). Wobei die Herausgabe unter bestimmten Voraussetzungen auch noch nach Verjährungseintritt möglich ist (§ 12),

  • das Recht auf Auskunft über rechtsverletzende Produkte sowie auf Schadensersatz im Falle falscher oder nicht erfolgter Auskunft (§ 7),

  • der allgemeine Schadensersatzanspruch bei Verletzungen eines Geschäftsgeheimnisses (§ 9)

  • sowie die Möglichkeit, einen etwaigen Anspruch nach §§ 5 - 7 unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den Inhaber eines Unternehmens zu richten, bei dem der Rechtsverletzer Beschäftigter ist.

Ihre Schranken finden diese Ansprüche insbesondere

  • im Ausschluss der Ansprüche gem. §§ 5 - 7 bei Unverhältnismäßigkeit (§ 8),

  • in der Möglichkeit des Rechtsverletzers, einen Anspruch nach den §§ 5 oder 6 durch Zahlung einer Geldabfindung abzuwenden (§ 10)

  • sowie im allgemeinen Verbot der missbräuchlichen Geltendmachung der Ansprüche (§ 13).

Strafbarkeit nach § 22 GeschGehG-E und Whistleblowing

Flankiert werden diese zivilrechtlichen Ansprüche von der Strafvorschrift des § 22, welcher dem Regelungsgehalt der bisherigen §§ 17 - 19 UWG entspricht, diese aber mit Blick auf die geänderten Marktverhältnisse modernisieren sowie an die Terminologie des restlichen GeschGehG-E anpassen soll. Folglich entfällt hiernach die bisher getroffene Unterscheidung zwischen Betriebsgeheimnissen und Geschäftsgeheimnissen. Neben den vorgenannten Motiven der Modernisierung und Harmonisierung soll ausweislich der Entwurfsbegründung ausdrücklich auch das so genannte "Whistleblowing" gestärkt werden, indem nämlich entsprechende Situationen vielfach aus dem Anwendungsbereich der Strafvorschrift herausfallen sollen.

Weitere Entwicklung

Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen sich am bisherigen Entwurfsstand bis zum Inkrafttreten eines finalen deutschen GeschGehG noch ergeben werden. Mit Spannung zu erwarten ist insbesondere die Beantwortung der Frage, ob die im gegenwärtigen Entwurf vorhandenen Abweichungen in der Umsetzung weiterhin bestehen bleiben. Es steht zu erwarten, dass im Zuge der bereits ergangenen, teils sehr kritischen Stellungnahmen der betroffenen Kreise weitere Änderungen an dem Entwurf vorgenommen werden. Weitere Informationen zum Thema