Die Cloud spielt für Unternehmen eine wichtige Rolle. Dies zeigt der vom Bitkom bei KPMG in Auftrag gegebene Cloud-Monitor von 2022: 84 Prozent der 552 befragten Unternehmen mit mindestens 20 Mitarbeitenden gaben an, bereits heute Cloud-Lösungen zu nutzen. Dabei sind Kosteneinsparungen mit 78 Prozent der häufigste Grund für Cloud-basierte Lösungen. Mit deutlichem Abstand (55 Prozent) folgt das Ziel, CO2 einzusparen. Immerhin ein Viertel der befragten Unternehmen erwähnte, die Cloud zur Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle nutzen zu wollen.
Somit ist sicher: Die Cloud bleibt weiterhin ein wichtiges Thema. Trotz teilweise bestehender Bedenken bezüglich Compliance- oder Security-Anforderungen bei entsprechenden Projekten gaben die 478 befragten Cloud-Nutzer an, dass 2025 etwa 60 Prozent ihrer Anwendungen aus der Cloud kommen würden - derzeit sind es 37 Prozent.
9 Thesen zur Cloud nach 2035
Aber wie wird diese zukünftige Cloud angesichts rasanter technischer Entwicklungen eigentlich aussehen? Und was bedeutet das für Unternehmen? Wir bei MHP haben unter dem Slogan "Beyond Cloud" neun - teils mehr, teils weniger naheliegende - Thesen zur Cloud nach 2035 formuliert.
1. "Anything to cloud" versus Hyperscaler?
Heute wird die Cloud dominiert von den großen Hyperscalern wie Amazon, Alphabet (Google) und Microsoft. Wir gehen davon aus, dass die großen Cloud-Anbieter neue Konkurrenz bekommen werden. Grund dafür ist die Durchdringung des Marktes mit Smart Devices. Nach dem Motto "Anything to cloud" lassen sich diese zu einem lokalen, homogenen Geflecht zur Ressourcennutzung und -optimierung verschmelzen.
Bedenkt man, über welche Speicher- und Rechenkapazitäten schon heute alltägliche Gegenstände wie Fahrzeuge oder Mobiltelefone verfügen, könnte es bei Unternehmen teilweise dazu kommen, dass vorhandene Rechen- und Speicherkapazitäten einer Nutzung zugeführt werden. Auch für Intermediäre, die zwischen freien Ressourcen in Unternehmen und Haushalten und benötigten Ressourcen in der Wirtschaft vermitteln, entstehen neue Geschäftsmöglichkeiten.
2. Dezentrale Datenauswertung
Autonomes Fahren ist schon heute Realität. Bald könnte ihr eine Rolle als Schlüsseltechnologie zukommen: Mit zunehmender Verbreitung der Technik steigt auch die Datenmenge rapide an. Gleichzeitig müssen sie in Echtzeit ausgewertet werden - bestenfalls vor Ort. Möglich wird dies durch höhere Rechenkapazitäten in den Fahrzeugen und der zugehörigen Infrastruktur - beispielsweise bei Ampeln. Auch für die IT-Infrastruktur werden zunehmende Datenströme Konsequenzen haben. Die flächendeckende Einführung der 5G-Technik ist daher der nächste technologisch sinnvolle Schritt. Perspektivisch wird 5G aber den Anforderungen des autonomen Fahrens an übertragbarem Datenvolumen und geringen Latenzzeiten nicht gerecht. Darum glauben wir, dass 6G - derzeit noch im Experimentierstadium - langfristig zum neuen Standard wird. "Anything to cloud" könnte durch die leistungsfähigere Infrastruktur dann einen zusätzlichen Booster erhalten.
3. Lift & Shift ist tot - es lebe die portierbare Applikation
Viele Unternehmen setzen bei der Implementierung von Applikationen auf Lift & Shift. Dabei werden traditionelle Applikationen, Softwaresysteme oder ganze IT-Landschaften auf das virtuelle Serviceangebot der Hyperscaler migriert - häufig ohne die technische Infrastruktur der Cloudanbieter auf Kompatibilität mit den bestehenden Softwarelösungen zu prüfen. Die Folge: Viele der Investitionen nutzen kaum Cloud-spezifische Vorteile wie zeitnahe Skalierbarkeit und Einsatz neuester Technologien.
Künftige Applikationen können dagegen überall und auch auf dezentralen Computing-Ressourcen genutzt werden. Applikations-Redesign und restrukturierte IT-Landschaften sind damit gefragt.
4. Sicherheitsbedenken ade?
Sicherheitsbedenken beschränken derzeit noch viele potenzielle Nutzungsformen der Cloud. Es ist allerdings davon auszugehen, dass mit wachsender Qualität des Autonomic Computing (AC) und der Etablierung von ausgeklügelten Security Meshs eine steigende Sicherheit des gesamten technischen Ökosystems erfolgt. Entwicklungen bei der Künstlichen Intelligenz werden die Fähigkeit zur Selbstkonfiguration, Selbstdiagnose und -heilung sowie Selbstoptimierung und dem Selbstschutz der Devices beständig vorantreiben. Durch die verbesserte Sicherheit können dann schrittweise neue Nutzungsformen erschlossen werden.
5. Hyperscaler bleiben als Innovatoren
Wie in der ersten These bereits dargelegt, wird "Anything to cloud" den Wettbewerb aufmischen. Dennoch denken wir, dass Hyperscaler weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Der Grund: Gerade die Einführung neuer Technologien ist sehr teuer, insbesondere deren Entwicklung. Hyperscaler besitzen das Know-how und die notwendige Finanzkraft, um solche Investitionen zu tätigen. Das künftige Marktumfeld wird so eine Mischung aus wenigen Großen und vielen kleineren Anbietern, die die dedizierten Leistungen der Branchengrößen ergänzen.
6. Komplexe Technik, einfache Bedienung
Welche Leistungen setzen sich in der Cloud durch? Dies wird stark von ihrer Nutzerfreundlichkeit abhängen. Das veränderte Wettbewerbsumfeld sorgt dafür, dass die komplexere Technik auch intuitiv bedienbar wird.
7. Kreative Künstliche Intelligenz
Wir gehen davon aus, dass Datenmodelle künftig immer besser werden. Das bloße Füttern von KI-Modellen mit Trainingsdaten war gestern. Künftig wird künstliche Intelligenz kreativ: Generative KI soll neue derivative Abkömmlinge eines erlernten Originals mit denselben Eigenschaften wie das Original kreieren. Dadurch lassen sich auf Basis der Cloud neue Geschäftsfelder erschließen, die heute noch nicht absehbar sind.
8. KI als Entscheidungsträger
Mit der Einbindung immer besserer KI-Modelle in die Entscheidungsfindung ändert sich die Rolle der Menschen in den Unternehmen. Gleichzeitig müssen sich Führungskräfte auch weiterhin gegenüber Menschen verantworten.
Um eine ausschließliche KI-Entscheidungsfindung zu vermeiden, gewinnt "Decision Intelligence" an Bedeutung. Unternehmen treffen dabei Entscheidungen auf Basis unterschiedlicher Betrachtungswinkel: Harte Fakten der KI werden um weichere Faktoren - etwa Einschätzungen von Experten zu ethischen Konsequenzen einer Entscheidung - ergänzt.
9. "Cloud-native Enterprises" dominieren die Märkte
Die Bedeutung der Cloud für Unternehmen wird weiter zunehmen. Vorteile im Wettbewerb erzielen die Unternehmen, die
mit Produkten und Prozessen in die Cloud integriert sind,
viele der genannten Technologien zu ihrem Vorteil nutzen,
Ressourcen optimieren,
frei von Altlasten wie tradierten Weltbildern sind und
sich maximal flexibel auf die veränderte Welt von "Beyond Cloud" einstellen.
Anpassen oder untergehen
Die Cloud wird sich ändern - sie entwickelt sich nicht nur weiter, sie wird wachsen und durchlässiger für weitere Marktteilnehmer sein. Dezentrale Lösungen werden zentralistische Ansätze ergänzen; die KI die Arbeitswelt weiter umkrempeln. Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten, wenn sie im Wettbewerb bestehen wollen. Deshalb denken wir, dass nur cloud-native Enterprises überlebensfähig sein werden. (mb)