Risiken, aber auch Chancen

Sideloading kommt Anfang 2024 auf das iPhone

14.11.2023
Von Thomas Hartmann
Die EU macht es möglich, auch Apple muss sich fügen: Ab voraussichtlich nächstem Jahr können wir auch andere App Stores als den von Apple nutzen.
Schon 2024 könnten iPhone-Nutzer und App-Entwickler nicht nur auf den AppStore angewiesen sein.
Schon 2024 könnten iPhone-Nutzer und App-Entwickler nicht nur auf den AppStore angewiesen sein.
Foto: Primakov - shutterstock.com

Soll bitte keiner mehr sagen, die EU hätte keine Durchsetzungskraft. Apple musste schon hinnehmen, dass künftig alle Geräte mit USB-C statt des proprietären Lightning-Anschlusses auf den Markt kommen. Und auch den abgeschotteten App Store für iPhone-User in Europa wird es bald nicht mehr geben - wenigstens nicht mehr exklusiv.

Das "Sideloading", mit dem man auch aus anderen Quellen als dem Apple App Store Apps auf sein Gerät laden kann, also gewissermaßen "seitlich am App Store vorbei", ist nach EU-Recht vorgeschrieben, es wird also definitiv passieren. Der Zeitpunkt sei allerdings nicht klar, meint Bloomberg-Redakteur Mark Gurman.

Zu rechnen sei aber damit, dass das iPhone bereits ab 2024 die Möglichkeit bieten wird, Programme direkt aus Drittquellen zu installieren, wie laut dem Blog "eine zuverlässige Quelle" wissen will. Es werde aber wohl nur in Europa möglich sein, auf den App Store zu verzichten.

Ohne Sideloading drohen hohe Strafzahlungen

Bekanntlich gelangt bislang iOS-Software von Drittanbietern auf dem iPhone und auch entsprechend auf dem iPad exklusiv über Apples App Store, Ausnahmen gibt es für Unternehmen, die Software per Mobile Device Management (MDM) über ein Profil installieren können. Anders als beim Mac können Programme und selbst Inhalte normalerweise nicht direkt von den Websites und Shops der Anbieter stammen.

Die Europäische Union hielt dies für zu restriktiv, sodass das Sideloading von Apps durch das EU-Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act) vorgeschrieben ist und ab 2024 voll greifen wird: Dann sollen Firmen mit einem Umsatz von mindestens 75 Milliarden Euro und mehr als 45 Millionen monatlich beginnen, in der EU ihre marktdominierende Gatekeeper-Rolle aufzugeben und anderen, kleinen Anbietern Zugang zu ihren Systemen gewähren, fasste die NZZ das zusammen.

Bei Verstößen drohen den Konzernen demnach Strafzahlungen von bis zu 20 Prozent ihres globalen Umsatzes, was sich bei Apple auf enorme 80 Milliarden US-Dollar summieren würde! So ist sichergestellt, dass der Konzern aus Cupertino auch dieses EU-Gesetz ernst nimmt und schon seit vielen Monaten hinter den Kulissen daran arbeitet, diese Änderung in einer künftigen Version von iOS vorzunehmen.

Rückkehr von Fortnite als App erwartet

Die Änderung werde beispielsweise mit hoher Wahrscheinlichkeit die Fortnite-App zurück auf das iPhone bringen - ihr Entwickler Epic Games wurde bekanntlich aus dem App Store verbannt, derzeit lässt sich das Game nur als Cloud-Gaming auf dem iPhone betreiben. Und das in Europa ansässige Unternehmen Spotify, das sich schon seit Jahren über den App Store beschwert, wird sicherlich die Möglichkeit anbieten, seine Software per Sideload zu laden.

Und dies dürften auch andere Unternehmen so handhaben, um endlich ohne Umstand und zu hohe Gebühren an Apple ihre Apps auf iPhones und iPads unterzubringen. Ob dies aber schon mit iOS 17.2 der Fall sein soll, darf man wohl bezweifeln, in den ersten Betas sehen wir noch keine Spuren davon. Apple dürfte die Neuerung erst im nächsten Jahr einführen. Dies wird auch Nachrichten- und Zahlungs-Apps als Teil der Änderungen beeinflussen, wahrscheinlich über ein lokalisiertes iOS-17-Update. Auch beispielsweise Siri und Facetime dürfen davon betroffen sein.

Apple stellte bisher Gefahren in den Vordergrund

Apple beharrte bislang darauf, dass das Sideloading die Datenschutz- und Sicherheitsvorkehrungen untergräbt, auf die sich iPhone-User verlassen, sodass sie vor Malware, Betrug, Datenverfolgung und anderen Problemen geschützt wären. Dennoch muss Apple die DMA-Richtlinie wegen der oben genannten EU-Gesetzgebung und den potenziellen Strafzahlungen einhalten.

Interessant sind auch die Gedanken, die sich Macworld-Kollege David Price dazu macht: Zwar berge Sideloading tatsächlich einige Gefahren. Doch die Vorstellung, dass es "der beste Freund der Cyberkriminellen" ist, hält er für übertrieben. Die Wahrheit liege irgendwo in der Mitte. Apple habe jetzt die Gelegenheit, die Öffentlichkeit über die Vor- und Nachteile eines Verfahrens aufzuklären, das sowohl Vorteile als auch Kosten mit sich bringt.

Apple kann Gelegenheit nutzen, User verantwortlich aufzuklären

Und das Unternehmen könne nun ganz gezielt aufklären über die Vorsichtsmaßnahmen, die iOS-Nutzer treffen sollten. Apple kann seine Niederlage ehrlich eingestehen und in einen Vorteil wenden, indem es dabei hilft, dass User eigene verantwortliche Entscheidungen treffen können.

Ein iPhone, das man für Sideloading verwenden kann, sei am Ende schließlich wertvoller als eines, das an einen einzigen, wenn auch leicht verfügbaren, App-Store gebunden ist. Apple habe ja auch plötzlich die Vorteile von USB-C erkannt, nachdem es keine andere Wahl mehr hatte, als es auf dem iPhone zu verwenden. So sollte Apple Price zufolge auch in der Lage sein, mit der Verpflichtung zum Sideloading "positive Aspekte zu finden" und einige der Ängste, die es in den letzten Jahren selbst geschürt hat, zu relativieren.

Dennoch hat Apple vermutlich nach wie vor ein großes Interesse daran, so viele Nutzer wie möglich im offiziellen App Store zu halten, um einen Teil der Einnahmen weiter in Cupertino zu verbuchen. So könnte Apple User mit dem Hinweis auf entsprechende Gefahren auch zukünftig von konkurrierenden Stores abzuschrecken versuchen.

Es wird spannend zu sehen, wie User, die an den bisher einseitigen Zugang zu Apps gewohnt waren, auf die neuen Freiheiten reagieren werden. (Macwelt)