Übernahme mit Digital-Twin-Fokus

Schneider Electric kauft Aveva

23.09.2022
Von 
Jon Gold ist Senior Writer bei der US-Schwesterpublikation Network World.
Schneider Electric übernimmt die britische Softwarefirma Aveva vollständig. Dabei spielt die Digital-Twin-Technologie eine zentrale Rolle.
Schneider Electric will den britischen Softwarespezialisten Aveva vollständig übernehmen. Die Pläne kommen nicht überall gut an.
Schneider Electric will den britischen Softwarespezialisten Aveva vollständig übernehmen. Die Pläne kommen nicht überall gut an.
Foto: Wirestock Creators - shutterstock.com

Der französische Industriespezialist Schneider Electric, Mehrheitsaktionär von Aveva, will das britische Softwarehaus nun für 10,7 Milliarden Dollar komplett übernehmen. Schneider Electric hatte im Rahmen einer umgekehrten Fusion im Jahr 2018 rund 60 Prozent der Aveva-Aktien erworben und sich das Geschäft mit Industriesoftware einverleibt. Nun sollen auch die restlichen Anteile an den französischen Industriekonzern übertragen werden.

Sowohl die Digital-Twin-Fähigkeiten der Briten als auch deren umfangreiche, systemagnostische Datenplattform sollen in das Portfolio von Schneider Electric integriert werden. Insbesondere die Software zur Umsetzung digitaler Zwillinge interessiert die Franzosen. Sie soll im Bereich der Prozessimulation genutzt werden sowie für die Entwicklung und Wartung komplexer industrieller Systeme zum Einsatz kommen.

"Spezielle Softwarekultur von Aveva erhalten"

Die Softwareentwicklungs-Teams von Aveva sollen nicht mit denen von Schneider Electric zusammengelegt werden. Auch soll die Software der Briten weiterhin auf offenen Architekturen basieren. Schneider hat in einer Erklärung (PDF) die Absicht bekundet, Aveva als unabhängiges Unternehmen zu erhalten: "Schneider Electric beabsichtigt, dass Aveva eine rechtlich eigenständige Gruppe mit eigenem Vorstand bleibt. Wir sind zudem darauf bedacht, die spezielle Softwarekultur von Aveva auch in Zukunft zu erhalten."

Für Schneider Electric dürfte die Komplettübernahme interessanter geworden sein, nachdem Aveva im vergangenen Jahr das Softwarehaus OSISoft im Rahmen eines Milliardendeals geschluckt hatte. OSISoft hatte einen Echtzeit-Datenhub entwickelt, über den sich Industrie- und Geschäftsprozessdaten analysieren und überwachen lassen. Diese Datendrehscheibe kann nun als Grundlage für eine tiefere Integration zwischen den Systemen von Schneider und Aveva dienen. Sie erlaubt es, im Rahmen eines Hybrid-Cloud-Ansatzes, Informationen aus Rechenzentren, Betriebsanlagen und der Public Cloud zu analysieren und zu visualisieren.

Schneider betont die "agnostische" Natur der wichtigsten Softwareangebote beider Unternehmen, die nicht zuletzt durch die OSIsoft-Plattform ermöglicht werde. Die Fähigkeit, Daten aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen zu erfassen und automatisch zu standardisieren, um sie in Analyse- und Monitoring-Anwendungen zu verwenden, gilt als wertvoll und macht das Portfolio des Schneider-Aveva-Hybriden für eine breite Palette von Unternehmen in unterschiedlichen Branchen interessant.

Im Rahmen der bisherigen Zusammenarbeit von Schneider und Aveva wurden bereits mehrere Produkte entwickelt, darunter eines aus dem Jahr, das auf der Unified-Operations-Center-Software von Aveva und der IoT-Integrationsplattform EcoStruxure von Schneider basiert. Es dient dazu, verschiedene Industrie- und RZ-Standorte übergreifend zu managen. Die Übernahme soll voraussichtlich 2023 abgeschlossen sein. Nach der Ankündigung des Deals kletterten die Aktien von Schneider Electric um 1,86 Prozent an der Pariser Börse.

"Ein opportunistisches Angebot"

Allerdings scheint sich auch Widerstand gegen die Übernahmepläne zu formieren: Wie die Financial Times (FT) berichtet, wollen die Aveva-Investoren Mawer Investment (Kanada) und M&G (UK) gegen den Deal stimmen. Der Grund: Der angebotene Kaufpreis von 11,7 Milliarden Dollar reflektiere nicht das langfristige Potenzial von Aveva.

"Das ist ein opportunistisches Angebot, mit dem man sich die niedrigen Aktienkurse der letzten Monate zunutze machen möchte", zitiert die FT Peter Lampert, Portfolio-Manager bei Mawer. "Ein überarbeitetes Angebot wäre etwas, das man diskutieren könnte. Ansonsten bin ich geneigt, gegen den Deal zu stimmen." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Network World.