Um zu verstehen, was erfolgreiche Automatisierungs-Programme ausmacht, lohnt ein genauerer Blick auf die Ursachen, die vielerorts dafür sorgen, dass Lösungen nicht ausreichend skalieren können. Schwierigkeiten mit der Technik spielen so gut wie nie eine Rolle. Weitaus bedeutsamer ist die Frage, wie und wo ein Programm aufgehängt ist.
Viele Unternehmen entscheiden sich für Strukturen, die nicht nachhaltig genug sind. Sie setzen auf dezentrale Teams in Prozessbereichen, von denen man annimmt, dass sich Automatisierungen dort besonders schnell auszahlen müssten. Im Prinzip ein legitimer Ansatz. Doch allzu oft liegt die Programmverantwortung dann in den Händen von Mitarbeitern, die schon genug andere Arbeit auf dem Tisch haben. Automatisierungslösungen mit eher begrenztem Scope sind dann die logische Konsequenz. Fast immer fehlt es an Ressourcen, um Anschlussprojekte aufzusetzen und das Thema in die Breite der Organisation zu tragen.
Zumal mit der Größe der Projekte oft auch die innerbetrieblichen Widerstände wachsen. So etwa, wenn es darum geht, sich mit den Fachbereichsmanagern auf einen Business Case zu einigen. Besonders schwierig wird dies, wenn das Management den Nutzen eines Automatisierungsprojekts zunächst einmal nur im Kontext seiner Kostenziele sieht. Im Zweifel greifen die Verantwortlichen dann eher zu vertrauten Mitteln, etwa zu Personalmaßnahmen.
Mehrwert für das Unternehmen klar darstellen
Diesen Zweifeln überzeugende Argumente entgegenzusetzen, erfordert ein hohes Maß an konzeptioneller Arbeit: Die Automatisierungsteams müssen präzise herausarbeiten, wo genau in der Ablauforganisation der angestrebte Produktivitätszuwachs erzielt werden kann. Schließlich führen Automatisierungen eher selten dazu, dass sich komplette FTEs einsparen lassen. Vielmehr läuft die Mehrzahl der Use Cases darauf hinaus, dass lediglich einzelne Aufgaben wegfallen. Wozu die Mitarbeiter die Teilentlastung dann nutzen werden und welcher Business-Mehrwert daraus entsteht, wird oftmals nicht klar genug.
Zudem haben Teile des mittleren Managements noch kein ausreichendes Verständnis dafür entwickelt, dass Kostendämpfung zwar ein wichtiges, keineswegs aber das einzige Nutzenthema ist. Allzu leicht wird dann übersehen, dass intelligente Automatisierungslösungen auch eine Fülle von klar wertschöpfungsbezogenen Vorteilen bringen. Dezentral aufgestellten Teilzeit-Automatisierern fehlt es an Wissen und oft genug auch am Standing, um das Business von Mehrwerten dieser Art zu überzeugen. Trotz einer Vielzahl von attraktiven Use Cases bleiben die Automatisierungspfeile dann ungenutzt im Köcher.
Vor diesem Hintergrund steht und fällt die Leistungskraft eines Automatisierungs-Programms mit dem Wissen und dem Durchsetzungsvermögen seiner Stakeholder. Unternehmen, deren Programme erfolgreich skalieren, weisen vor allem zwei Gemeinsamkeiten auf. Zum einen haben sie ein zentrales Kompetenzzentrum (Center of Excellence, CoE) eingesetzt, das unmittelbar im Business aufgehängt ist. Zum anderen haben sie erkannt, dass dieses CoE so nah wie möglich an der Geschäftsführung angesiedelt sein muss, von der es aktiv gefördert wird. Auf diese Weise wird das CoE zu einem ernst zu nehmenden Partner für das mittlere Management und die IT.
Anhand einer sogenannten RACI-Matrix ist verbindlich zu klären, welche Rollen das CoE, die IT und das Business zu übernehmen haben. Doch Vorsicht. Derzeit entschließen sich viele Unternehmen dazu, die Mehrzahl der erforderlichen Fähigkeiten intern aufzubauen. Die Beweggründe für diesen starken Insourcing-Trend sind vielfältig und können an dieser Stelle nicht näher diskutiert werden. Ungeachtet dessen wird jedoch klar, dass es bei einer ganzen Reihe von Rollen deutlich wirtschaftlicher ist, sie mit externen Kräften zu besetzen. Dies gilt vor allem für all jene Funktionen, bei denen überwiegend Commodity-Dienste gefragt sind, wie zum Beispiel bei Entwicklung und Wartung der Systeme. Demgegenüber zählen Business-nahe Funktionen wie die Weiterentwicklung der Automatisierungsstrategie, die Pflege des Governance-Frameworks oder das Scouting von automatisierbaren Prozessen zum Kerngeschäft des CoE.
Das CoE muss aktiv auf die Fachbereiche zugehen und diese darüber aufklären, wie genau die Automatisierungen dazu beitragen, dass die Bereiche ihre jeweiligen Business-Ziele erreichen. Das Thema Kostenreduktion dient vielerorts als Türöffner. Prozessbezogene Mehrwerte müssen jedoch ebenso Teil der Nutzenaufklärung sein. Zu den wichtigsten Vorteilen zählen größere Kundenzufriedenheit, kürzere Durchlaufzeiten, höherwertige Arbeitsplätze und höhere Prozessqualität sowie zusätzliche Freiräume für das Innovationsmanagement und mehr Zeit für Geschäftsvorfälle, die von den Standards abweichen.
Um diese Mehrwerte in der Praxis zu erschließen, muss das CoE auch dann noch am Ball bleiben, wenn die Bots ihre Arbeit längst aufgenommen haben. Dies hängt mit dem bereits erwähnten Umstand zusammen, dass man in der Regel nur einzelne Aufgaben und beinahe nie komplette Prozesse automatisieren kann. Daher ist es essenziell, den Aufgabenzuschnitt der Arbeitsplätze neu auszulegen. Im Rahmen dieser Aufgabe ist verbindlich zu klären, worauf die Mitarbeiter die Prozesszeiten verwenden sollen, die im Zuge der Automatisierung eingespart werden. Ohne diesen aktiv gemanagten Transformationsprozess besteht ein erhebliches Risiko, dass mögliche Mehrwerte ungenutzt bleiben und die Automatisierung letztlich nur einen weiteren Kostenblock darstellt.
- KI und Automation
Auf Einladung der Computerwoche diskutierten Ende November 2018 in München Experten über Künstliche Intelligenz (KI), Machine Learning und Automation. - Bernhard Mandutz, Business Unit Manager Valuemation bei der USU GmbH: „Bei Serviceprozessen wird KI in Zukunft die zentrale Rolle spielen, egal ob es um Automatisierung, Predictive Maintenance oder Chatbots geht.“ Die USU GmbH ist ein Spezialist für Enterprise Service Management.
- Santiago Cabrera-Naranjo, Consulting Director bei Teradata: „Data Science ist heute allzu oft ein Prozess, bei dem neue Erkenntnisse und Modelle als einmalige Anstrengung entwickelt oder ad hoc in der Produktion eingesetzt werden. Sie erfordern deshalb ein regelmäßiges Babysitting zur Überwachung und Aktualisierung. Wir wollen das ändern.” Das ehemals vor allem als Data Warehouse Anbieter bekannte Unternehmen Teradata widmet sich längst vorrangig Themen wie Business Analytics und Big Data.
- Stefan Gössel, Managing Partner beim IT-Dienstleister Reply: „Wenn Sie Arbeitsplätze mit zwei Bildschirmen haben, haben wir etwas zu tun.“ Reply ist ein Spezialist für Geschäftsmodelle, die auf Paradigmen wie Big Data, Cloud-Computing oder dem Internet der Dinge basieren.
- Tobias Mirwald, Geschäftsführer beim CRM-Hersteller Adito Software: „An die Daten kommt man oft schwer ran, weil sie in Silos liegen. Erst muss man vernetzt denken, bevor man mit KI die Daten nutzen kann.“
- Sven Munk, Partner Technical Sales Lead EMEA LATAM, bei Informatica: „Das Datenvolumen explodiert, mehr und mehr Datentypen werden erzeugt. Unternehmen müssen diese Daten strategisch nutzen, um Innovationen zu erzeugen und ihre digitale Transformation voranzutreiben.“ Informatica ist ein führender Anbieter von Enterprise Cloud Data Management Lösungen.
- Thorsten Urbanski, Head of Communication beim Security-Anbieter ESET, schätzt die Herausforderungen und das Potenzial im Bereich Automation und IoT gleichermaßen hoch ein. Im Zuge der digitalen Automatisierung werde es von essentieller Bedeutung sein, sich vor Manipulation der relevanten Daten zu schützen: „Wenn wir uns die Folgen im Bereich Robotic und Industrie 4.0 oder Autonomes Fahren vorstellen, wären die Auswirkungen mehr als fatal.“
- Kristina Appelt, Manager Systems Engineering bei Cisco: „Es ist wichtig, den Anwenderunternehmen eine performante, validierte Infrastruktur für KI und Automation bereit zu stellen.“
- Alexander Hartmann, Mitglied des Vorstands bei SYSback: „Wir deutschen Unternehmen sind viel zu zurückhaltend in der Vermarktung von KI.“ SYSback ist Service-Provider für Holistische Automation und orchestriert und automatisiert mit diesem Ansatz verschiedenste Prozesse und IT-Ressourcen.
Höhere Krisenresilienz mit Ende-zu-Ende-Automatisierungen
So viel zu den organisatorischen Themen. Ohne Zweifel bilden sie die zentrale Voraussetzung, um ausreichend skalieren zu können. Zudem gibt es aber auch eine Reihe von technischen Herausforderungen, für die das CoE Antworten braucht. So etwa, wenn es darum geht, die Wartbarkeit der Automatisierungslösungen im Auge zu behalten. Kritisch wird es vor allem dann, wenn sich die IT-Systeme verändern, auf die eine Bot-Maschinerie zugreift. Damit die Lösung auch weiterhin die gewünschten Ergebnisse liefert, bietet es sich an, ein zentrales Repository aufzusetzen, in dem jedwede Datenabfrage in einer einzigen zulässigen Ausprägung ausdefiniert wird. Wenn sich auf der Ebene der IT-Systeme dann etwas ändert, wird dies im Repository nachgezogen, woraufhin alle Teillösungen, die die betreffende Abfrage nutzen, das Delta automatisch mitbekommen.
Denkt man das Integrationsthema weiter, kommt man schnell zu dem Punkt, wo es um das intensivere Zusammenspiel der Enterprise IT mit intelligenten Automatisierungstechnologien wie etwa KI geht. Erste Unternehmen nehmen sich dieser Herausforderung bereits an und bauen eine sogenannte Integrated Automation Platform. Da es hierzu noch keine Komplettangebote im Markt gibt, muss man sich die passenden Technologien derzeit noch in Eigenregie zusammenstellen. Gleichwohl sind alle erforderlichen Tools bereits vorhanden, vorzugsweise als Cloud-Angebote. Werden sie auf einer durchgängigen Plattform zusammengeführt, erschließen sich die Unternehmen die Mittel, um die Reichweite ihrer Automatisierungsvorhaben noch einmal deutlich zu erhöhen: Indem sie die Stärken ihrer vorhandenen IT mit intelligenten Automatisierungslösungen verbinden, entstehen fortgesetzt neue Use Cases, um Ende-zu-Ende-Prozesse entlang der gesamten Customer Journey zu schaffen.
Nicht zuletzt verbessert sich damit auch die Ausgangslage, um Krisensituationen erfolgreicher zu bewältigen. Denn sobald geschäftskritische Prozesse die Wertschöpfungskette vollautomatisiert durchlaufen können, machen sich Unternehmen unabhängig davon, ob die zuständigen Mitarbeiter gerade im Büro oder im Homeoffice sind. Das Einhalten von Social-Distancing-Vorgaben ist fortan kein Thema mehr. Zudem sorgen die Kostenvorteile der Automatisierungen dafür, dass staatliche Leistungen wie etwa Kurzarbeitergeld oder Überbrückungskredite wesentlich seltener in Anspruch genommen werden müssen.
Mit steigendem Digitalisierungsgrad wachsen die Optionen der Unternehmen, ihren Geschäftsbetrieb aus eigener Kraft aufrechtzuerhalten. Zudem gehören sie zu den ersten im Markt, die die Nachfrage mit neuen Angeboten wiederbeleben können. Vor diesem Hintergrund wird auch aus strategischer Sicht deutlich, wie wichtig es für Unternehmen ist, ihr Automatisierungs-CoE mit ausreichendem Know-how, einer starker Governance und einer leistungsstarken Integrationsplattform auszustatten. (mb)