Unternehmen haben IT als Treiber für neue Geschäftsmodelle erkannt und versuchen Talente zu finden und den Softwareentwicklungsprozess in kleineren, agilen und lokalen Teams umzusetzen. Doch auch hier gilt: One-Size-Fits-All ist nicht die richtige Antwort. Stattdessen gilt es bewusst das richtige Liefermodell, die richtige Lokation und das richtige Zusammenarbeitsmodell zu finden - auch im Zeitalter der Agilität.
Studien zu dem Erfolg von Softwareentwicklungsprojekten gibt es zahlreich. Meist mit den gleichen Ergebnissen: Die Mehrzahl der Entwicklungsprojekte schlägt fehlt - Kosten-, Zeit- oder Qualitätsziele werden schlicht nicht erreicht. Die Standish Group hat dies in den Jahren seit 1994 in ihren Chaos Reports immer wieder bestätigt: 83,9 Prozent der IT-Projekte sind teilweise oder vollständig fehlschlagen. Die Standish Researcher stufen nur 16,2 Prozent der Projekte als erfolgreich ein.
Nur eine übersichtliche Anzahl von Projekten wurde also pünktlich und budgetgerecht mit allen versprochenen Funktionen abgeschlossen. Der Großteil der Projekte oder 52,7 Prozent dagegen lag über den veranschlagten Kosten und/oder die versprochenen Funktionalitäten fehlten. Zudem interpretieren die amerikanischen Experten knapp ein Drittel als vollständig fehlgeschlagen.
Softwareentwicklung: Von Inhouse und Outsourcing
Schon 1968, bei der Keynote-Präsentation der ersten internationalen Softwareentwicklerkonferenz, der NATO Software Engineering Conference, wurde angemerkt: Der Grund für die Probleme der Softwareentwicklung sei, dass sie hinter anderen Industriebereichen zurückhinge. Ein wesentlicher Grund sei in der fehlenden Industrialisierung der Softwareentwicklung zu finden. Als ein Ergebnis derartiger Analysen wurde in den letzten beiden Jahrzehnten die Idee der industriellen Softwareentwicklung immer weiter vorangetrieben. Gleichzeitig sind in diesem Zeitraum Schwellenländer wie Indien und die Philippinen auf der Bühne der IT-Welt aufgetaucht.
Diese Entwicklungen haben - gemäß der Prinzipien des Taylorismus - zu Arbeitsteilung und Idee der industriellen Fertigung durch das Nutzen von globalen Unterschieden in den Arbeitskosten geführt. Hierbei wurden Projekte oft durch verteilte Teams bearbeitet: Ein kleines Team agiert in den Räumen des Kunden respektive der Fachbereiche, um dort die Anforderungen zu erheben und die technische Architektur zu entwerfen. Das deutlich größere Offshore- oder Nearshore-Team setzte die definierten Vorgaben dann um, um das Ergebnis zum Testen wieder an die lokalen Teams zurückzuspielen.
Lesetipp: Wie Softwareentwicklung nicht geht
Ohne Frage hat dieses Modell sehr gut funktioniert. Das zeigt auch die repräsentative 2020 UK IT Sourcing Study von Whitelane Research und PA Consulting, die 564 IT-Sourcing-Beziehungen und mehr als 1.150 Verträge untersuchte. 87 Prozent aller Beziehungen bewerteten die Befragten darin als zufriedenstellend. In den nächsten zwei Jahren wird für Großbritannien sogar mehr Outsourcing prognostiziert, wobei 66 Prozent der Befragten planen, mit der gleichen Rate oder mehr auszulagern. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass Arbeitsteilung und Standardisierung zu Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen geführt hat. Denn die Kostensenkung ist mit 71 Prozent der Haupttreiber für Unternehmen auszulagern, gefolgt von Business Transformation und einer verbesserten Servicequalität.
Developer: Technologie ist Business-Treiber
Die Welt hat sich gewandelt: Technologie ist nicht länger nur ein einfacher Unterstützer der Geschäftsbereiche von Unternehmen, sondern – im Gegenteil - der maßgebliche Treiber. Das ist leicht nachweisbar: Die nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen der Welt wie Apple, Amazon, Facebook oder Google sind mehrheitlich Technologieunternehmen. Erfolgreiche Unternehmen nutzen Technologie, um neue Geschäftsmodelle zu entwerfen und nicht nur um Kosten zu senken. Gleichzeitig ändert sich die Art wie Software gebaut wird: hin zu Insourcing, hin zu agilen, kleinen und oftmals lokalen Full-Stack-Entwicklerteams und weg von den großen standardisierten Offshore-getriebenen Entwicklungseinheiten.
Ein Trend, der sich allmählich durchsetzt. Schon 2018 nahm der Energieriese BP diese Entwicklung auf. Das Unternehmen kündigte an, einen Großteil der IT wieder zurück ins eigene Haus zu holen. Der Grundgedanke dabei: IT soll nicht mehr nur eine Support-Funktion im Unternehmen sein, sondern im Mittelpunkt der Transformationsstrategie stehen. Für den Insourcing-Trend lassen sich aus meiner Sicht zwei zentrale Gründe herausarbeiten.
Die Art der Entwicklung von Software hat sich stark verändert: Das Verständnis von Softwareentwicklung als Handwerkskunst - und eben nicht industrielle Massenfertigung - gewinnt wieder mehr und mehr Befürworter. Dabei kommt ein neuer Aspekt und eine andere Ausprägung hinzu: Plattform- und Framework-basierte Handwerkskunst. Denn die gesamte Entwicklung verlagert sich in die Cloud – und das unter Nutzung der vorhandenen Plattformen und Frameworks. Durch diese Vorgehensweisen entfällt viel von dem bisher üblichen Boiler Plate-Code, der in der Vergangenheit Stück für Stück manuell erstellt werden musste.
Außerdem gewinnt das Thema Business-Agilität massiv an Bedeutung: Unternehmen haben erkannt, das Innovationen in deutlich kürzeren Zyklen zum Endkunden gelangen müssen. Dies kann nicht mit halbjährlichen Release-Zyklen, jährlichen Budgetierungsprozessen und monatelangen Regressionstests funktionieren. Agilität und gemeinsame Produkt-Teams - bestehend aus Fachabteilung und der IT - sind die neue und effektive Blaupause, um eine beständige Lieferung neuer Innovationen in kurzen Zyklen zu ermöglichen.
Wie Softwareentwicklung in Zukunft aussehen sollte
Es ist offensichtlich: Fullstack, Cloud native, lokale Softwareentwickler – sie alle werden gebraucht, um die oben beschriebenen herausfordernden Anforderungen erfüllen zu können. Doch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist eindeutig: Es braucht Developer, aber es gibt deutlich zu wenig Coder. Das zeigt auch ein Überblick von Bitkom, dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, aus dem November 2019 mit der Headline "Harter Wettbewerb um die klügsten Köpfe". Schließlich haben viele Unternehmen erkannt, das Technologie mehr als nur unterstützende Funktionen erfüllt. Sie versuchen nun, eigene Entwicklerkapazitäten aufzubauen.
Aber auch hier gilt: Es gibt keine einfachen Lösungen und das geänderte, neu benötigte Skill-Set kann nicht so einfach trainiert werden. Es genügt eben nicht, mal schnell agile und lokale Full-Stack-Developer-Teams aufzubauen. Diese sind stattdessen einzubetten in eine umfassende und grundsätzliche Neuerung: Die Art und Weise wie Software aktuell und zukünftig zu verstehen ist. Denn sie ist schlicht der Treiber für neue Geschäftsmodelle. Und das ändert auch den Blick auf das Zusammenspiel verschiedener Unternehmenseinheiten. Nur eine ganzheitliche Transformation mit einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe und der Ausnutzung der genannten IT-Möglichkeiten und –Chancen mit Organisation, Betriebsmodell, Kultur, Führung und Architektur wird zum Erfolg führen.
Und das geht einher mit einer grundsätzlichen Änderung: So erfordert diese Transformation eine Aufwertung der Rolle des Softwareentwicklers - inklusive Kultur, Karrierepfad, Wertschätzung und Vergütung. Auch ist das zusammengehen von Fachabteilung und IT in gemeinsamen "Produktteams zwar ein oftmals richtiges Ziel, in der Realität – seien wir ehrlich - aber oft schwer umzusetzen, gerade im Hinblick auf Verantwortlichkeiten, gemeinsame Ziele und Visionen."
"Software is eating the world" – das Zitat von Netscape-Erfinder Marc Andreesen, veröffentlicht in einem Essay im Wallstreet-Journal in 2011, und mittlerweile das inoffizielle Motto der Digitalisierung - ist heutzutage richtiger denn je. Software ist überall. Viele Unternehmen haben erkannt, dass sie der Software einen höheren Stellenwert einräumen müssen. Dies erfordert jedoch eine andere Art, Software zu entwickeln. Der Leitfaden zum Erfolg ist meiner Meinung nach eine klare Vision und eine ganzheitliche Betrachtung. Und kein blindes Folgen einer bestimmten Methodik. (bw)
- Die Gehaltsauswertung
Für die COMPUTERWOCHE hat die Hamburger Vergütungsberatung COP Compensation Partner GmbH Gehaltsdaten von Softwareentwicklern ausgewertet. Dafür wurden insgesamt rund 6000 Daten herangezogen. 4275 davon befassten sich mit Backend- und 1682 mit Frontend-Entwicklern. - Das verdienen IT-Entwickler
Alle Gehälter haben stark angezogen, vor allem bei Berufseinsteigern In Deutschland verdienen Backend- durchschnittlich 61.200 € und Frontend-Entwickler um die 46.700 €. - Das verdienen Entwickler ohne Berufserfahrung
Ein Backend-Entwickler verdient ohne Berufserfahrung bereits rund 52.300 €. Als Frontend-Entwickler erreicht er ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von 40.400 €. - Bis zu 80.000 € mit 20 Jahren Berufserfahrung
Nach 20 Jahren Berufserfahrung dürfte der Backend-Entwickler knapp 80.000 € und ein Frontend-ITler circa 59.300 € verdienen. - In kleinen Firmen bis zu 57.000 €
In einer Firma mit bis zu 50 Mitarbeitern verdienen Backend-Entwickler um die 57.000 und im Frontend-Bereich circa 42.000 Euro. - Das verdient ein Entwickler in einer Firma ab 1.000 Mitarbeitern
Übersteigt die Firma eine Mitarbeiterzahl von 1.000 so erhalten Entwickler im Backend-Bereich ein durchschnittliches Gehalt von 68.000 € - im Frontend-Bereich wiederum knapp 54.000 € im Jahr. - Mit kleiner Personalverantwortung ab 90.000 €
Hat ein Backend-Entwickler eine kleine Personalverantwortung von einem bis drei Mitarbeitern steigt sein Gehalt auf 105.000 und bei einem Frontend-Entwickler auf 94.000 Euro. - Mit bis zu 30 Mitarbeitern 100.000 € im Jahr
Für Backend-Entwickler mit einer Personalverantwortung von 16 bis 30 Mitarbeitern gibt es laut Studie um die 115.300 und für Frontend-Entwickler 102.300 Euro pro Jahr. - Im Maschinenbau 60.000 € im Jahr verdienen
Auch die Branche hat einen Einfluss auf das Gehalt. Ein Backend-Entwickler erreicht im Maschinenbau ein durchschnittliches Gehalt von 63.700 € im Jahr. - In der Chemie bis zu 49.000 €
Ein Frontend-Entwickler in der Chemie erhält ein durchschnittliches Gehalt von 49.000 €. - München ist Spitzenreiter
In München sind die Gehälter für Backend-Entwickler mit 74.000 € durchschnittlich um rund 10.000 € höher als in anderen bayerischen Regionen. Frontend-Entwickler erreichen hier ein Durchschnittsgehalt von 56.500 € – das sind immer noch 7.000 € mehr, als in Restbayern. - Mit Personalverantwortung in München bis zu 130.000 € verdienen
Mit Personalverantwortung kann das Gehalt für Backend-Entwickler in der bayerischen Landeshauptstadt auf bis zu 132.000 € steigen. Ein Frontend-Entwickler verdient hier um die 117.000 €. - In Berlin um die 58.000 €
In Berlin liegt das Durchschnittsgehalt für Backend-Entwickler bei circa 58.000 €. Für Frontend-Entwickler gibt es rund 44.000 € im Jahr. - 65.200 € für Backend-Entwickler in Hamburg
Hamburg bietet ein durchschnittliches Gehalt von 65.2000 € für IT-Backend-Entwickler. Im Frontendbereich sind wesentlich weniger: 49.000 € im Jahr. - In Mecklenburg-Vorpommern um die 46.700 € verdienen
In Mecklenburg-Vorpommern verdient ein Backend-Entwickler um die 46.700 € – im Frontendbereich sind es wieder weniger: 35.400 € pro Jahr.