Zu kompliziert

SAP-Anwender bemängeln Lizenzpolitik

14.10.2012
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
SAPs Lizenzierungsregeln sind kaum zu durchschauen. 95 Prozent der Anwender halten sie für "übermäßig kompliziert".
Foto: April Cat, Fotolia.de

SAP-Nutzer wünschen sich einfachere Regeln in der Softwarelizenzierung, idealerweise soll die Softwarenutzung künftig nur noch durch eine Lizenzart beziehungsweise nutzungsabhängige Maßeinheiten geregelt werden. Das geht aus einer Umfrage der SAP-Anwendergruppe in Großbritannien und Irland unter 336 Anwendern in 150 Organisationen hervor.

Mehr als zwei Drittel der Befragten fühlen sich vom stetig wachsenden Produktkatalog ihres ERP-Lieferanten überfordert. Mit zunehmendem Produktangebot steige das Lizenz-Wirrwarr, bemängeln die Anwender. Den Überblick zu wahren falle schwer, weil sich einige Module automatisch installierten, für die wiederum Gebühren anfielen, obwohl sie nicht genutzt würden.

Kommunikation zu den Kunden hakt

"Die Lizenzierung zählt derzeit zu den Top-Fünf Prioritäten unserer Nutzer", verriet Philip Adams, Vice Chairman der UK & Ireland SAP User Group, der CW-Schwesterpublikation "Computerworld UK". "Ich höre viel Gerede von SAP, sehe aber wenige Taten." Zwar spreche SAP mit den Vertretern der Anwendergruppen über das Problem, die Kommunikation mit einzelnen Kunden hake hingegen, bei ihnen kämen zu wenige Informationen von SAP an, kritisierte Adams.

Die Umfrage legt zudem mehr Flexibilität bei der Lizenzierung nahe. Im schwierigen wirtschaftlichen Umfeld reduzieren Unternehmen die Zahl ihrer Mitarbeiter- und SAP-Anwender, so dass sich auch Nutzungsmuster verschieben. Die Veränderungen schlagen sich aber nicht immer auf günstigere Gebühren nieder. Die Anwender möchten nur für das zahlen, was sie tatsächlich verbrauchen.

Öffentliche Preislisten gefordert

Über drei Viertel (77 Prozent) erachteten die Zugangshürden zu groß, wenn sie Zusatzmodule oder Extrafunktionen ihren SAP-Systemen hinzufügen wollen, um sie etwa nur kleinen Nutzergruppen zur Verfügung zu stellen. 88 Prozent wünschen sich mehr Transparenz durch öffentlich einsehbare Preislisten. Dieser Wunsch ist laut Adams oft dem Verdacht geschuldet, dass andere Unternehmen bevorzugt behandelt werden und günstigere Konditionen bekommen. Das Wissen um die Preise könnte die Verhandlungsposition stärken, hoffen die Anwender.

Insbesondere für ihre Kommunikationspolitik im Cloud- und Mobility-Geschäft erhält die SAP eine ordentliche Klatsche: 97 Prozent finden nicht, dass der Konzern verständliche Erklärungen dafür gegeben hat, welcher Migrationspfad von den on-Promise-Installationen zu den Mobility- und Cloud-Angeboten führt, und wie sie ihn idealerweise beschreiten sollten. Auch die Auswirkungen auf vorhandene Lizenz-Vereinbarungen ist der Hersteller ihnen ihrer Einschätzung zufolge bislang schuldig geblieben. Die Kritik ist vor dem Hintergrund erstaunlich, dass SAP schon seit Jahren an Mobility- und Cloud-Offerten arbeitet.

SAP: Wir arbeiten daran

"Die Anwender wollen SAP-Technologie schneller, besser und geschickter nutzen, sie wollen aber nicht das Doppelte zahlen. Die Bedenken hindern Unternehmen daran, ihre on-Premise-Installationen durch neue Cloud-Services abzulösen oder durch Mobility-Lösungen zu ergänzen."

Tim Noble, Managing Director bei SAP UK & Ireland, begegnete der Kritik mit dem Hinweis, man arbeite hart daran, die Lizenzierung für Kunden zu vereinfachen. Man strebe etwa weltweit standardisierte Allgemeinen Geschäftsbedingungen an, zudem sollen AGBs für alle SAP-Produkte und -Services online veröffentlicht werden, inklusive der Sybase-Suite. "Wir investieren zudem sehr viel Zeit, um die Einkaufsprozesse so zu gestalten, dass sie einfach zu verstehen sind", kündigte Noble an. "Unser ultimatives Ziel ist es, den Umgang unserer Kunden mit der Softwarelizenzierung so effizient wie irgend möglich zu gestalten."

Auch deutsche Anwender kritisieren

Die Umfrage unter britischen und irischen Anwender untermauert die Kritik, die zuvor schon die deutschen Anwender öffentlich gemacht hatten. Ende September zeigten sich Teilnehmer auf dem jährlichen Treffen der Deutschen SAP Anwendergruppe (DSAG) verärgert ob der SAP-Lizenzpolitik. Die Anwendervertreter mahnen seit geraumer Zeit Veränderungen und Nachbesserungen an. Dazu gehören der DSAG zufolge kundengerechte, flexible und vor allem transparente Preismodelle.

So müsse es etwa möglich sein, Teile der eigenen SAP-Landschaften still zu legen beziehungsweise zu kündigen und aus der Wartung zu nehmen. "Eine Auto, das man nicht mehr fährt, bringt man schließlich auch nicht zum Service", so der Vergleich der DSAG-Vertreter. DSAG-Vorstand Karl Liebstückel verwies in diesem Zusammenhang auf den nach wie vor unübersichtlichen Lizenzkatalog SAPs. Hier fänden sich über 1100 Positionen, 40 verschiedene User-Rollen und 20 unterschiedliche Abrechnungsmetriken.

Ärger gab es zuletzt auch um die AGBs von SAP. Der Softwarehersteller hatte diese im Juli vergangenen Jahres überraschend geändert, ohne die Kunden vorzuwarnen. Die neuen Vertragsklauseln seien jedoch extrem schwer zu verstehen gewesen, kritisierten die DSAG-Verantwortlichen. In Verhandlungen habe man drei Tage über die Lizenzen gesprochen und drei Wochen über die AGBs. Aktuell befasse sich ein Arbeitskreis mit diesen Punkten, der in Kürze erste Ergebnisse präsentieren soll.

Auch wenn Liebstückel die Hoffnung auf einzelne Verbesserungen nicht aufgeben will, ist er skeptisch, ob sich SAP in den Kernfragen rund um flexiblere Lizenz- und Wartungsmodelle bewegen wird. Schließlich gehe es hier um das Kerngeschäft der Walldorfer. Und die haben ehrgeizige Ziele. Bis 2015 soll der Jahresumsatz von derzeit rund 14 Milliarden Euro auf 20 Milliarden Euro steigen.(Den ausführlichen Beitrag zumDSAG-Treffen finden sie unter Cloud und Hana statt ERP: DSAG kritisiert SAP-Strategie) (jha/ba)

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