Insolvenz der Ex-Karstadt-Tochter

Rödl lässt Itellium fallen

24.07.2013
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Die Verbindung zwischen dem Beratungshaus Rödl Consulting und dem IT-Dienstleister Itellium währte keine drei Monate. Seit Ende Juni ist die ehemalige Karstadt-Tochter erneut zahlungsunfähig.
Foto: Screenshot/Rödl

Mit Insolvenzen hat Itellium Erfahrung. Seit dem 26. Juni ist der erst kürzlich von Rödl Consulting übernommene IT-Dienstleister, der als gesellschaftsrechtlich eigenständige Tochter weitergeführt wurde, zum dritten Mal zahlungsunfähig. Im Jahr 2009 wurde Itellium im Zuge der Karstadt-Pleite mitgerissen und im Oktober 2012 folgte die zweite Insolvenz, nachdem jahrelange Versuche nicht gefruchtet hatten, sich am externen Markt zu etablieren. Doch die jüngste Zahlungsunfähigkeit ist besonders bitter: 80 von 130 Mitarbeiter sind nach Angaben der Tageszeitung WAZ seit dem Tag der Insolvenz freigestellt. Ein Gehalt für den Monat Juni haben sie nicht bekommen, nur für die letzten Tage des Monats nach Freistellung gab es anteiliges Arbeitslosengeld. Das sehr viel lukrativere Insolvenzgeld, das vorübergehend volle Bezüge garantiert, wollte das Arbeitsamt den betroffenen Mitarbeiter indes nicht gewähren. der Interpretation der Behörde zufolge hängen beide Pleiten inhaltlich zusammen, Insolvenzgeld werde aber nur einmal ausgezahlt.

Dass Itellium so kurz nach der Übernahme erneut zahlungsunfähig wurde, ist höchst verwunderlich. Hinter Rödl Consulting steht das international aufgestellte und renommierte Wirtschaftsprüfungs- und Beratungshaus Rödl & Partner, das seit geraumer Zeit die eigene IT-Beratungskompetenz stetig ausbaut und in der Beratungssparte Rödl Consulting konzentriert. In diese Strategie fügt sich die Akquisition von Itellium ein. Die entsprechende Kompetenz, um ein zu übernehmendes Unternehmen buchhalterisch und wirtschaftlich zu bewerten, sollte also vorhanden sein.

Axel Knobe, Rödl Consulting: Eine Weiterführung war wirtschaftlich nicht zu verantworten.
Axel Knobe, Rödl Consulting: Eine Weiterführung war wirtschaftlich nicht zu verantworten.
Foto: Rödl Consulting

Hinzu kommt, dass Tillmann Peeters, Associate Partner bei Rödl, den mehrfach gescheiterten IT-Dienstleister Itellium seit ungefähr Mitte 2012 beratend begleitet hat, also schon vor der Insolvenz von Itellium im Herbst 2012 mit den Vorgängen im Haus gut vertraut war. Noch tiefere Einblicke dürfte der Manager im Lauf der folgenden Monate gewonnen haben. Immerhin wurde er im Herbst vergangenen Jahres zu einem der Geschäftsführer von Itellium bestellt. Allerdings, so betont Axel Knobe, Vorstand der Rödl Consulting AG,verfügte Peeters nur über ein Mandat, war jedoch nie fest angestellt und operativ tätig.

Itellium wird spät aus der zweiten Insolvenz entlassen

Wann Rödl vom Berater zum potenziellen Käufer für Itellium wurde, ist ebenso wenig bekannt wie die Höhe des Kaufpreises beziehungsweise, ob überhaupt Gelder geflossen sind. Spätestens Anfang 2013 dürften es aber zu konkreten Verhandlungen gekommen sein. Der im Zuge der Gespräche entworfene Geschäftsplan sah unter anderem vor, Itellium bereits im Februar 2013 aus der Insolvenz zu entlassen. Defacto war das erst Ende April der Fall. Dennoch hat Rödl Consulting den zahlungsunfähigen Provider unternehmensnahen Quellen zufolge um 1. April 2013 übernommen. An die Presse gaben Itellium und Rödl Consutling den Zusammenschluss erst im Mai 2013 weiter.

Zu diesem Zeitpunkt tauchten erneut finanzielle Probleme auf, die eine Auszahlung der Gehälter gefährdeten. Mitte Juni eskalierten die Schwierigkeiten, weil es Itellium einfach nicht gelingen wollte, zusätzliche Aufträge an Land zu ziehen. Die Mitarbeiter wähnten sich indes im sicheren Schoß einer zahlungskräftigen Muttergesellschaft. Allerdings stellte sich bald heraus, dass es zwischen Mutter und Tochter keinen Patronatsvertrag gibt, der Gläubigern die Sicherheit gibt, dass ein finanziell gesunder Eigentümer notfalls einspringt. Die Geschäftsführung von Itellium konnte in der Folge zwar eine Bankzusage für einen Überbrückungskredit beschaffen. Die erforderliche Bürgschaft verweigerte Rödl Consulting indes.

"Das war wirtschaftlich nicht zu verantworten", rechtfertig Knobe das Vorgehen. Zwar habe man im Zuge der Übernahme die Daten von Itellium sehr genau geprüft und bewertet. "Allerdings hat sich die wirtschaftliche Situation völlig anders dargestellt, als ursprünglich kommuniziert", sagte Knobe der COMPUTERWOCHE. Gemeint ist der Ausblick auf künftige Einnahmen. Offenbar hat das Itellium-Management die Aussichten grundlegend anders bewertet, als das später vom Rödl-Management getan wurde.

Lukrative Itellium-Bereiche werden wohl veräußert

Nun hält der Insolvenzverwalter Sebastian Henneke das Zepter in der Hand. Er wird Itellium voraussichtlich filetieren. Als gesund und innovativ gilt vor allem die Kooperation mit dem Zahlungsanbieter PayPal. Basis der strategischen Partnerschaft ist die von Itellium entworfene "Mobile Transaction Suite" (MTS), eine Integrationsplattform für das mobile Bezahlen.

Zudem betreibt Itellium einige Projekte für den Volkswagenkonzern, für den der IT-Provider mobile Apps entwickelt. Auch dieser Geschäftszweig ist lukrativ und wird wohl weitergeführt.

Schwierig dürfte es indes für die Projekte mit dem Karstadt-Konzern sein. Ein großer Outsourcing-Deal, der Itellium in den ersten Jahren nach Abspaltung vom Handelskonzern ein sicheres Einkommen bescherte, wurde schon im Jahr 2011 zugunsten von IBM aufgelöst. Zwar konnte sich die ehemalige Tochter noch einzelne Aufträge sichern, immerhin verfügen die Mitarbeiter über erhebliches Know-how um die Abläufe und Anforderungen in der Handelsbranche. Doch Karstadt ist ein unsicherer Kandidat, der selbst schwächelt und vor einer ungewissen Zukunft steht.

Ob ein Verkauf der gesunden Unternehmensbereiche die ausstehenden Forderungen decken kann, ist unwahrscheinlich. Größter Gläubiger ist das Arbeitsamt aufgrund der noch nicht beglichenen Zahlungen aus der vorherigen Insolvenz. Offene Forderungen haben zudem die nun betroffenen Mitarbeiter infolge ihres nicht gezahlten Juni-Gehalts. Hinzu kommen Ex-Kollegen, die nach der zweiten Insolvenz entlassen wurden und deren Abfindungen eigentlich im Mai gezahlt werden sollen, bis dato unternehmensnahen Quellen zufolge aber noch nicht überwiesen wurden.

Mitarbeiter sind vom Management enttäuscht

Die Wut der Mitarbeiter richtet sich gegen den früheren Insolvenzverwalter, der die Übernahme durch Rödl ihrer Einschätzung zufolge nicht ausreichend abgesichert hat. Sie richtet sich zudem gegen Rödl Consulting sowie Rödl & Partner, die über viele Monate Beraterhonorare eingestrichen haben, um Itellium zunächst kurzzeitig aufzubauen, und um das Unternehmen dann wieder fallen zu lassen. Sie richtet sich aber auch gegen das eigene Management, das die strukturellen Schwächen von Itellium nie konsequent behoben hat.