Besser Zeitarbeit?

Risiko Scheinselbstständigkeit

29.03.2017
Von 


Christa Weidner ist seit 1989 in unterschiedlichen Rollen und Positionen in der IT tätig. Das Ziel ihrer Arbeit ist es, dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter mit neuer Software arbeiten können und wollen. Ihre Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, schützt Entscheider, Projektleiter sowie weitere Schlüsselpositionen davor, falsche Entscheidungen zu treffen und hilft, die Potenziale der IT maximal auszunutzen. Sie unterstützt namhafte Konzerne und Unternehmen des Mittelstands unterschiedlicher Branchen. 2016 hat die IT-Beraterin den „Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel 2016“ erhalten. In den vergangene Jahren hat sie als Selbständige große Unternehmen bei Change-Prozessen unterstützt.
Ab April 2017 ist die Arbeitnehmerüberlassung auf Vorrat juristisch nicht mehr gedeckt. Das hat Folgen für Selbstständige und ihre Auftraggeber, weil sie Gefahr laufen, der Scheinselbstständigkeit bezichtigt zu werden. Lesen Sie hier, was Freiberufler bedenken sollten.
  • Die Rechtsunsicherheit bei Scheinselbstständigkeit besteht weiter.
  • Auftraggeber scheuen sich aus Angst vor rechtlichen Folgen, Selbstständige zu beauftragen.
  • Zeitarbeit ist nur für wenige Freiberufler eine akzeptable Alternative.

Detlef V. (43) ist seit über zehn Jahren als selbstständiger IT-Berater tätig. Doch jetzt möchte ein Kunde, dass sein Auftrag in einen Zeitarbeitsvertrag umgewandelt wird. Was sollte Detlef beachten?

Wie viele Selbstständige ist Detlef gerne selbstständig. Wechselnde Auftraggeber, Projekte und Herausforderungen, das ist genau das, was er an seiner Selbstständigkeit schätzt. Doch die ist plötzlich in Gefahr. Der Grund: Die Auftraggeber scheuen sich mehr und mehr, weiterhin Selbstständige zu beauftragen. Die Rechtsunsicherheit bei der Scheinselbstständigkeit besteht weiter, und ab 1. April 2017 können sich Auftraggeber nicht mehr vor juristischen Folgen schützen, indem sie die Selbstständigen über eine Vermittlungsagentur buchen. Denn mit dem Wegfall der sogenannten Arbeitnehmerüberlassung auf Vorrat verlagern sich rechtliche Konsequenzen auf den Auftraggeber, für den der Selbstständige tätig ist.

Selbstständige und Auftraggeber sollten die Zusammenarbeit so gestalten, dass sie der Deutschen Rentenversicherung keine Argumente für Scheinselbstständigkeit liefern.
Selbstständige und Auftraggeber sollten die Zusammenarbeit so gestalten, dass sie der Deutschen Rentenversicherung keine Argumente für Scheinselbstständigkeit liefern.
Foto: M-SUR - shutterstock.com

Die Auftraggeber reagieren auf diese neue Situation, indem sie mittels Risk-Assessments das Risiko prüfen oder den Selbstständigen eine Beauftragung in Zeitarbeit anbieten. Das ist für den Selbstständigen nicht immer sofort erkennbar, weil die Katze oft erst in dem Moment aus dem Sack gelassen wird, wenn die Zusage des Auftraggebers vorliegt. Dann heißt es: "Der Auftraggeber hat sich nun doch entschieden, diese Position nur mit einem Leiharbeiter zu besetzen." Die Agenturen machen den Selbstständigen diese Alternative schmackhaft, schließlich wollen sie das Geschäft unter Dach und Fach bringen, nachdem sie Arbeit in die Suche und Auswahl investiert haben.

Grund genug, einmal einen Blick auf die Aspekte zu werfen, die Freiberufler beachten sollten. Denn, wenn es auch gerne so dargestellt wird, ganz so einfach ist der Wechsel von der Selbstständigkeit in das Angestelltendasein als Zeitarbeiter nicht. In Kooperation mit der 4freelance-Genossenschaft wurden folgende Punkte gesammelt, die ein Selbstständiger vor dem Wechsel in Zeitarbeit beachten muss.

Weisungsrecht vergegenwärtigen

In der Rolle des Zeitarbeiters unterliegt der dann "Nicht-Mehr-Selbstständige" dem Weisungsrecht des Arbeitgebers auf Zeit. Dessen Anordnungen ist Folge zu leisten. Der Zeitarbeiter muss sich zum Beispiel Urlaub genehmigen lassen und auch sonstigen Regeln folgen.

Gehalt kalkulieren

Gehaltsforderungen müssen gut überlegt sein. Berücksichtigt werden sollte, dass bei einem Angestellten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung fällig werden. Außerdem sind die Lohnfortzahlung bei Krankheit und die bezahlten Urlaube sowie Feiertage zu berücksichtigen. Der Auftraggeber zahlt somit einen Aufschlag von 90 bis 110 Prozent auf das Gehalt des Zeitarbeiters. Einkommenseinbußen sind also sehr wahrscheinlich. Da der Zeitarbeiter damit deutlich mehr verdient als vergleichbare Angestellte, dürfte das Auftragsverhältnis nach neun Monaten beendet werden, weil ansonsten die Equal-Pay-Regelung greift. Der Zeitarbeitgeber müsste das Gehalt der Angestellten dann ann das Niveau des Zeitarbeiters anpassen, was unwahrscheinlich ist.

Verträge kündigen

Versicherungsverträge, die für die Selbstständigkeit abgeschlossen wurden, müssen gekündigt werden. Kündigungsfristen sind einzuhalten. Fällt das Gehalt unter die Beitragsbemessungsgrenze, muss sich der Zeitarbeiter in der gesetzlichen Krankenkasse versichern. Die private Krankenversicherung kann er kündigen, womit die Altersrückstellung allerdings hinfällig wäre. Sie kann aber auch auf eine kostenpflichtige Anwartschaft umgestellt werden. Die Kosten hierfür sind von unterschiedlichen Faktoren abhängig, die bei der privaten Krankenversicherung in Erfahrung gebracht werden müssen. Sie können bis zu einem Drittel des monatlichen Beitrags betragen.

Steuerliche Faktoren bedenken

Steuerlich werden Selbstständige und Angestellte unterschiedlich behandelt. Für Zeitarbeiter entfällt der Abzug der Vorsteuer, und es können nicht mehr alle Kosten steuerlich geltend gemacht werden. Abschreibungen, die das Einkommen reduzieren, entfallen. Wird die selbstständige Tätigkeit nebenberuflich weitergeführt, muss für das Finanzamt eine Gewinnerzielungsabsicht erkennbar sein.

Altersvorsorge planen

Die meisten Selbstständigen haben eine private Altersvorsorge. Diese lässt sich in der Regel nicht von heute auf morgen aussetzen. Die Kosten laufen also weiter, während gleichzeitig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Diese Doppelbelastung muss unbedingt beachtet und eingeplant werden.

Flexibilität sichern

Selbstständige können ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort zumindest theoretisch selbst bestimmen. Als Angestellter ist das nicht mehr möglich. Im Fall von Detlef V. ist die Frau auch berufstätig und hat regelmäßig Reisetätigkeiten. An diesen Tagen hat er im Home Office gearbeitet. Als Zeitarbeiter muss er dafür unter Umständen Urlaub einreichen.

Vertragsverhandlung gut vorbereiten

Es empfiehlt sich also, vor der Vertragsunterzeichnung die verschiedenen Konsequenzen zu prüfen. Damit stehen die Chancen am besten, die eigenen Vorstellungen realisieren zu können. Handeln Sie flexible Arbeitszeiten sowie die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten, aus. Gleichzeitig sollten Selbstständige mehr denn je für ausreichende Rücklagen sorgen, um mögliche und hoffentlich vorübergehende Einkommenseinbußen besser überbrücken zu können. Außerdem ist es ratsam, das Risiko auf mehrere Auftraggeber zu verteilen.

Dabei sollten Selbstständige und Auftraggeber die Zusammenarbeit so gestalten, dass sie der Deutschen Rentenversicherung keine Argumente für Scheinselbstständigkeit liefern. Das beseitigt dann zwar noch nicht die Rechtsunsicherheit, reduziert aber das Risiko einer Feststellung der Scheinselbstständigkeit.

Zusammenarbeit neu gestalten

Diese Gesichtspunkte dürften verdeutlichen, dass Zeitarbeit nur für wenige Selbstständige eine akzeptable Alternative ist. Leider verstehen die Entscheider bei den Auftraggebern und Vermittlungsagenturen meist nicht, warum das Arbeitsergebnis bei Leiharbeitern in der Regel anders ausfällt als bei Selbstständigen. Die Motivation ist jedenfalls eine andere. Fakt ist: Die Arbeitnehmerüberlassung ist eine Lösung, bei der es nur Verlierer gibt.

Im Fall von Detlef V. haben er und sein Auftraggeber über die Konsequenzen gesprochen, die ihn als Zeitarbeitnehmer treffen würden. Gemeinsam fiel dann die Entscheidung, die Kriterien für Scheinselbstständigkeit genau zu prüfen und die Zusammenarbeit entsprechend neu zu gestalten. Ein Vorbild, dem hoffentlich viele Unternehmen und Auftraggeber folgen. Das setzt jedoch voraus, dass die Beteiligten wissen, wie sich das Risiko Scheinselbstständigkeit reduzieren lässt. Auf diesem Gebiet gibt es noch immer sehr viel zu tun. (pg)